| # taz.de -- Siemens und die Kohlemine Adani: Kaeser verarscht Neubauer | |
| > Siemens-Chef Joe Kaeser hat die Klimaaktivistin Luisa Neubauer über den | |
| > Tisch gezogen. In der Logik des Konzerns lohnt sich das. | |
| Bild: Nach dem Gespräch mit Luisa Neubauer: Joe Kaeser beantwortet Fragen von … | |
| Siemens-Chef Joe Kaeser hat die Klimaaktivistin Luisa Neubauer und die | |
| Fridays-for-Future-Bewegung maximal geschickt für seine Zwecke | |
| instrumentalisiert: Am Freitag noch traf er sich mit Neubauer, bot ihr gar | |
| einen [1][Job im Aufsichtsrat] des künftigen Unternehmens Siemens Energy, | |
| redete übers Klima. Das alles, um am Sonntag zu verkünden: Siemens wird | |
| sich nicht aus seinem Geschäft um die australische Kohlemine Adani | |
| zurückziehen. | |
| Die [2][Klimabewegung schäumt.] „Joe Kaeser macht einen unentschuldbaren | |
| Fehler“, sagte Neubauer. Warum um alles in der Welt erweckt Kaeser mit dem | |
| Treffen mit Neubauer erst die Erwartung, dass sein Konzern aus dem Projekt | |
| aussteigt – um dann genau das Gegenteil zu tun? Also, wie vorgesehen, | |
| Signaltechnik für eine 200 Kilometer lange Eisenbahnstrecke zu liefern, | |
| über die bald 60 Millionen Tonnen Kohle jährlich rollen sollen. Das | |
| entspricht dem jährlichen Verbrauch Deutschlands im Jahr 2016. | |
| Aus Sicht von Siemens macht das alles sehr viel Sinn. Kaeser hat Neubauers | |
| Renommee als Klimaschützerin schlichtweg instrumentalisiert. Für ein Signal | |
| an Investor*innen und Auftragnehmer*innen. Die Rage des klimabewegten Teils | |
| der deutschen Öffentlichkeit nimmt er in Kauf. Weil er Siemens egal ist. | |
| Ein paar Konsument*innen mögen vielleicht denken: Dann kaufe ich den | |
| nächsten Herd, den nächsten Staubsauger, den nächsten Kühlschrank aus | |
| Strafe eben nicht von Siemens. Aber damit strafen sie nur das Stuttgarter | |
| Unternehmen Bosch. Das verwendet den Markennamen Siemens für Konsumgüter, | |
| Kaeser hat damit nichts mehr zu tun. Den Leuchtmittelhersteller Osram hat | |
| Siemens auch längst verkauft. Kaeser muss also keine sinkenden Umsätze | |
| aufgrund von Boykottaufrufen fürchten. | |
| ## Privatkonsument*innen sind nicht gemeint | |
| Im Gegenteil, Siemens verkauft Software für Gebäude oder | |
| Fabrikautomatisierung, Schienenfahrzeuge, Kraftwerke, Windräder und liefert | |
| vor allem die Infrastruktur für Öl- und Gasfirmen. Nicht eben Dinge, die | |
| man als Privatkonsument*in kauft. | |
| Das Kraftwerksgeschäft soll zudem ausgegliedert werden und im Herbst an die | |
| Börse. Siemens wird weiter Anteile daran halten und kann deshalb vor allem | |
| eines nicht brauchen: Aufträge aus der Öl- und Gasindustrie verlieren, weil | |
| Geschäftspartner weltweit das Signal erhalten, der Konzern werde wegen ein | |
| paar wütender Schüler*innen vertragsbrüchig. Der Imageschaden bei | |
| potenziellen Kund*innen aus der fossilen Industrie ist für Siemens viel | |
| teurer als der Imageschaden daheim. Der kostet vorerst überhaupt nichts. | |
| All das ist so offensichtlich, es ist Kaeser sicher nicht erst am Sonntag | |
| beim Frühstückskaffee aufgefallen. All das wusste er bereits, als er sich | |
| zum Treffen mit Neubauer verabredete. Kaeser hat die Klimaaktivistin auf | |
| gut Deutsch nach Strich und Faden verarscht. | |
| Das Treffen mit Neubauer diente nur einem einzigen Zweck: Den Investoren | |
| zeigen, dass das Thema Klima Chefsache bei Siemens ist. Dass der Chef sich | |
| sorgt. Und künftig Besserung gelobt. Die Investoren, von denen hier die | |
| Rede ist, sind mächtige institutionelle Investoren wie Pensionsfonds, | |
| Kirchenfonds oder Versicherungsunternehmen. Weil sie langfristig denken, | |
| ist der Klimawandel für sie ein finanzielles Risiko – also pochen sie | |
| darauf, dass sich Unternehmen wie Siemens allmählich wandeln. | |
| ## Zirkus für die Investoren | |
| Einige von ihnen, etwa Axa, Union Investment, der Pensionsfonds der Church | |
| of England oder der Caritas haben sich beispielsweise zur Allianz | |
| „ClimateAction 100“ zusammengeschlossen. Sie verwalten insgesamt 35 | |
| Billionen Dollar und halten in Deutschland Anteile an Siemens, BASF, | |
| HeidelbergCement, Daimler, BMW, Eon, RWE, VW und Thyssenkrupp. | |
| Für solche Investoren veranstaltet Kaeser den ganzen Zirkus. Ob sie sich | |
| damit zufrieden geben werden, ist noch offen. Würden sie [3][ihr Kapital | |
| abziehen], wäre das zwar ein klares öffentliches Signal, auch an andere | |
| Unternehmen, die Klimasauereien im Portfolio haben. Allerdings ist die Idee | |
| solcher Investoren eben gerade die, im Unternehmen zu bleiben, um ein | |
| Mitspracherecht zu haben. Ob sie es nutzen, wird sich bald zeigen: Am 5. | |
| Februar ist Hauptversammlung bei Siemens. Wird Kaeser dort wegen des | |
| Adani-Geschäftes gegrillt, wäre es doch noch ein Sieg für Neubauer und die | |
| Klimabewegung. | |
| 13 Jan 2020 | |
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| ## AUTOREN | |
| Ingo Arzt | |
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