# taz.de -- Siechtum der Einkaufszentren: Die Mall ist tot, lang lebe die Mall | |
> Mit Einkaufen ist im Park Center Treptow nicht mehr viel los. Eine | |
> Kiezinitiative nutzt das und weist den Weg in die Zukunft der | |
> Einkaufszentren. | |
Bild: Zum Einkaufen gibt es im Park Center Treptow nicht mehr so viel | |
BERLIN taz | Der Weg zum Kunger-Kiez-Theater ist einfach. Nur einmal die | |
Rolltreppe hoch, am San Medoza, dem einzig übrig gebliebenenen Laden des | |
Foodcourts, vorbei, und dann, zwischen MäcGeiz und einem leerstehenden | |
Ladengeschäft, befindet sich schon der Eingang. Michael Schmitz steht | |
hinter den Glastüren der ehemaligen Tchibo-Filiale und wirkt zufrieden: Das | |
Theater sei ein voller Erfolg, berichtet Schmitz. In den 13 Monaten, in | |
denen die Kunger-Kiez-Initiative das Theater im Park Center Treptow | |
betreibe, haben schon fast 10.000 Besucher:innen die Vorstellungen | |
besucht. „Wir machen aus einem Konsumtempel einen Kulturtempel“, sagt | |
Schmitz. | |
## Nur noch wenig Konsum im Tempel | |
Mit einem verheißungsvoll-glitzernden Konsumtempel hat das Park Center | |
Treptow schon jetzt nurmehr wenig gemein. Hinter den Drehtüren des Ende der | |
90er errichteten Einkaufzen-trums am Treptower Park lockt noch eine Filiale | |
der Billigkleidungkette Ernsting's Family, ansonsten reiht sich ein | |
leerstehendes Geschäft an das nächste. In der Mitte des lichtdurchfluteten | |
Foyers könnte eine Sitzinsel aus Ledercouches zum Verweilen einladen, wäre | |
sie nicht mit Plastikfolie und Absperrband umwickelt. Das dazugehörige | |
Eiscafé musste dichtmachen. Nachdem auch der Real-Supermarkt im Juni | |
vergangenen Jahres überraschend kündigte, kann sich kaum noch ein Laden in | |
der Mall halten. | |
[1][Die Krise des Einzelhandels] ist im Park Center nicht zu übersehen. | |
Galten Shoppingmalls noch bis vor wenigen Jahren als sicheres Investment, | |
haben immer mehr Konsumtempel mit Leerstand zu kämpfen. Die Gründe sind | |
vielfältig: Inflation und Krise drücken die Konsumlaune nach unten. Und | |
wenn, kaufen immer mehr Menschen online ein statt in Einkaufszentren. | |
Dazu kommt, [2][dass es in Berlin ohnehin ein Überangebot an Shoppingmalls | |
gibt] – insgesamt sind es 70 Stück. Neben dem als Nahversorger an der | |
Ringbahnlinie angelegten Park Center kämpfen auch deutlich | |
prestigeträchtigere Shoppingmalls ums Überleben. Im Fall des | |
Luxuskaufhauses Galeries Lafayette an der Friedrichstraße gibt es derzeit | |
sogar Überlegungen, sie als [3][neuen Standort für die zentrale | |
Landesbibliothek] zu nutzen. | |
Was kommt nach dem Konsum? Bislang wurde die Frage von Immobilienkonzernen | |
recht unkreativ beantwortet: Mall abreißen, Büros neu bauen. Auch die | |
Eigentümerin des Park Centers, der international tätige Immobilienkonzern | |
Kintyre, erwog noch im November vergangenen Jahres, das Gebäude abzureißen | |
und durch Büros und möblierte Appartements zu ersetzen. | |
Doch auch an der Immobilienbranche geht die Krise nicht vorbei, und so ist | |
Kintyre mittlerweile von den Neubauplänen abgekommen. „Derzeit ist kein | |
Abriss von Gebäudeteilen geplant“, teilt Kintyre-Manager Sven Warremann auf | |
taz-Anfrage mit. Stattdessen plane das Unternehmen eine Revitalisierung des | |
Gebäudes und eine Wiederherstellung der Nahversorgung. | |
## Leerstand muss nicht leblos sein | |
Gute Nachrichten für Theaterbetreiber Schmitz, der gerne noch im Park | |
Center bleiben würde. Ohnehin ist die leerstehende Mall alles andere als | |
leblos. In der ehemaligen Nanu-Nana-Filiale im Erdgeschoss hat die | |
Kiez-initiative eine Ausstellung des Karikaturristen Manfred Bofinger | |
eingerichtet. Auch die regelmäßig stattfindenden Kleidertauschparties im | |
Foyer seien gut besucht, genauso die Kinderlesungen im ehemaligen | |
Reisebüro. „Für soziokulturelle Zwecke in Berlin Räume zu finden ist | |
schwierig“, sagt Schmitz. Da sei eine leerstehende Mall ein Glücksfall. | |
Doch nicht nur zivilgesellschaftliche Akteure wissen das Potenzial der Mall | |
zu nutzen: Im April eröffnete ein ukrainisches Bürgeramt in einem | |
verwaisten Ladengeschäft. Nun könnten hier Geflüchtete verlorengegangene | |
Pässe und Dokumente beantragen. | |
Noch bieten die Zwischennutzungen Vorteile für alle Beteiligten: Die | |
Kiezinitiative findet bezahlbare Räume und verhindert damit, dass auch die | |
letzten Läden gehen. Doch ob das Arrangement hält, wenn eine profitablere | |
Nutzung winkt, ist fraglich. | |
Stadtentwicklungspolitikerin Katalin Gennburg (Linke) will daher unter dem | |
Slogan „Shoppingmalls zu Sorgezentren“ ehemalige Kaufhäuser dauerhaft für | |
eine gemeinwohlorientierte Nutzung sichern. Konkret bedeutet das, statt | |
aneinandergereihte Filialen internationaler Modemarken sollen die | |
Bedürfnisse der Anwohner:innen wieder in den Mittelpunkt rücken: | |
Pflegedienste, Kinderbetreuung, Sozialberatungen, aber natürlich auch Läden | |
des täglichen Bedarfs und Platz für Kunst und Kultur. „Wir programmieren | |
die Insignien der kapitalistischen Raumproduktion neu“, sagt Gennburg. | |
3 Sep 2023 | |
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## AUTOREN | |
Jonas Wahmkow | |
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