# taz.de -- Kippenwälder in der Lausitz: Bäume, die auf Kohle stehen | |
> Wald in der Lausitz heißt vor allem Kippenwald auf den Tagebauflächen. | |
> Dort dominieren weiterhin Kiefern, denn die Laubbäume sind teuer. | |
Bild: Wald, wo früher Kohle gebaggert wurde | |
Sofort das Auto weg aus der Ausfahrt, brüllt einer hinterm Gartenzaun mit | |
rotem Kopf. Natürlich, beschwichtigt Dirk Knoche und erklärt den | |
Teilnehmern der Exkursion, dass die Leute in Kostebrau viel durchgemacht | |
hätten. Bis zur Wende war das Dorf umgeben vom Dröhnen der Bagger des | |
Tagebaus Klettwitz, die sich einmal um Kostebrau herum gefressen hatten. | |
Kostebrau war eine Tagebauinsel, erreichbar nur über eine Stichstraße. | |
Nun sieht man vom Aussichtspunkt keine Bagger mehr, sondern Wälder. 20 | |
Jahre sind sie alt, sagt Knoche, es klingt wie eine Entschuldigung. Denn | |
der Kippenwald auf der Bergbaufolgefläche ist kein Mischwald, wie man ihn | |
sich heute wünscht, sondern einer der öden Brandenburger Kiefernäcker. | |
Wenn in der Lausitz von Oasen auf ehemaligen Wüsten die Rede ist, denken | |
die meisten an die Lausitzer Seenlandschaft. In Wirklichkeit wird mehr als | |
die Hälfte der Tagebauflächen aufgeforstet. Zwischen Cottbus und | |
Senftenberg ist Wald größtenteils Kippenwald, der auf den ehemaligen | |
Tagebaukippen gewachsen ist, und auch der soll natürlich resilient sein. | |
Das ist auch der Grund, warum die forstpolitische Sprecherin der Grünen im | |
Potsdamer Landtag, Isabell Hiekel, zur Exkursion mit Dirk Knoche, | |
stellvertretender Direktor des Forschungsinstituts für | |
Bergbaufolgelandschaften (FIB), in die Lausitz eingeladen hatte. | |
Dass auch ein Kippenwald anders aussehen kann, hat Knoche zuvor gezeigt. | |
Auf dem bereits 1918 ausgekohlten Tagebau Waidmannsheil in Annahütte | |
wachsen mächtige Roteichen, unter ihnen bilden Winterlinden die nächste | |
Waldgeneration. 1935 war die Kippe aufgeforstet worden, eines der ältesten | |
Beispiele für eine Rekultivierung der Tagebaufolgelandschaft. | |
## Die Theorie zum Waldumbau | |
Vorbild für die Aufforstung war der Dauerwaldgedanke, den der Eberswalder | |
Förster Alfred Möller bereits 1922 propagiert hatte. Artenreich soll der | |
Wald sein, mehrere Generationen von Bäumen beheimaten, das macht ihn | |
widerstandsfähig. Im Grunde nahm Möller vorweg, was 100 Jahre später das | |
Leitbild beim Waldumbau ist. | |
Doch das war damals schon reine Theorie. In der Praxis sind die | |
Kippenwälder abhängig von den Böden, auf denen sie stehen. Dass die | |
Roteichen in Annahütte in die Höhe schossen, haben sie der Flugasche zu | |
verdanken. Was im Garten für schwarzen Staub auf der Wäsche sorgte, war für | |
die Wurzeln der Eichen ein gefundenes Fressen. | |
„Flugasche hat Kalium, Kohlenstoff und Magnesium, das ist für den Wald | |
gut“, sagt Knoche. „Denn eigentlich war der Boden tot.“ Tot ist der Boden | |
vor allem dort, wo die Bagger in die Tiefe gehen. Bis 100 Meter unter der | |
Erde liegt das zweite Lausitzer Braunkohleflöz. Das wurde abgebaut, nachdem | |
das höher liegende erste Flöz abgebaggert war. „Um an das tiefe Flöz zu | |
kommen, wurden sogar rekultivierte Flächen überbaggert“, sagt Knoche. Alte | |
Kippenwälder wie in Annahütte gibt es nicht mehr viele. | |
Das Millionen Jahre alte Substrat des Tertiärs, das mit dem zweiten Flöz an | |
die Oberfläche gelangt, ist saurer als das quartäre der oberen | |
Bodenschichten. Kippenwälder müssen also aufwändig vorbereitet werden. | |
„Heute bringt man 1.000 Tonnen Kalk pro Hektar auf, um eine einen Meter | |
tiefe kulturfreundliche Schicht zu schaffen“, sagt Knoche und schaut auf | |
den 20 Jahre alten Kiefernwald unterhalb von Kostebrau. Damals wurden die | |
Böden noch nicht aufwändig vorbereitet. Das einzige, was dort wuchs, waren | |
die säuretoleranten Kiefern. | |
## Vom Tagebau zum Naturschutz | |
Zu DDR-Zeiten war die Kiefer allgegenwärtig auf den Rekultivierungsflächen | |
der Lausitz. Grund dafür waren auch hier die hohen Kosten. Denn nicht nur | |
die Bodenbearbeitung ist teuer, sondern auch die Pflanzung der | |
Laubbaumsetzlinge. Nach der Ölkrise in den 1970er Jahren wurde die | |
Rekultivierung teilweise sogar eingestellt. Die ganze Kraft ging in das | |
Aufschließen neuer Tagebaue. | |
Und heute? Dirk Knoche zeigt auf die savannenartige Landschaft hinter den | |
Kiefern. Sie gehört zum [1][Naturparadies Grünhaus], das die Nabustiftung | |
Nationales Naturerbe sich selbst überlässt. Fast 20 Prozent aller | |
ehemaligen Tagebaue sind heute Naturschutzflächen. Auf ihnen samen sich | |
manchmal Kiefern an, ab und an ein paar Birken. Auch diese | |
Sukzessionswälder sind Kippenwälder, nur dass sie auf Dauer aus der | |
Bewirtschaftung genommen sind. | |
Und auf den restlichen Flächen? „Da pflanzen wir inzwischen neben Kiefern | |
vor allem Eichen und Erlen“, sagt Dirk Knoche. Im besten Falle entsteht so | |
ein strukturreicher Wald, den man in 100 Jahren von anderen Mischwäldern | |
nicht mehr unterscheiden kann. | |
Vorausgesetzt, das Geld reicht. Und er wächst an. | |
12 Sep 2023 | |
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## AUTOREN | |
Uwe Rada | |
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