# taz.de -- Selenski auf dem G7-Gipfel: Die Zaungäste des Krieges treffen | |
> Beim G7-Gipfel in Hiroshima versucht Ukraines Präsident Selenski, | |
> Russlands Unterstützer im Globalen Süden auf die Seite seines Landes zu | |
> ziehen. | |
Bild: Diplomatische Handarbeit: Ukraines Präsident (rechts) trifft seinen indi… | |
TOKIO taz | Als Bundeskanzler Olaf Scholz und viele andere Teilnehmer schon | |
abgeflogen waren, kam es zu dem wohl eindrücklichsten, fast surrealen | |
Moment des dreitägigen Gipfeltreffens der G7-Staaten: Mit Japans Premier | |
Fumio Kishida an seiner Seite stand Ukraines Präsident Wolodimir Selenski | |
in schwarzem Sweatshirt mit der Aufschrift „Ukraine“ im Friedenspark von | |
Hiroshima eine Minute lang schweigend vor dem Ehrenmal für die Opfer des | |
ersten Atombombenangriffs. | |
Vielleicht spürte er dort seine eigene Sehnsucht nach Frieden, vielleicht | |
dachte er an die Drohungen von Russlands Präsident Wladimir Putin, | |
Atomwaffen einzusetzen und die Ukraine womöglich so zu verwüsten, wie die | |
USA es 1945 mit Hiroshima taten. Vor der Presse erklärte Selenski danach, | |
bei seinem Besuch im Friedensmuseum hätten ihn die Fotos der Ruinen von | |
Hiroshima, auch wenn der Vergleich historisch unangemessen sei, an die | |
[1][Zerstörungen in der ukrainischen Stadt Bachmut] erinnert. | |
Kommentatoren im japanischen Fernsehen sprachen offen den Widerspruch an, | |
dass ausgerechnet in der „Stadt des Friedens“ so viel über | |
Waffenlieferungen an ein Land im Krieg diskutiert wurde. Bei aller | |
Sympathie für die Ukraine, würden sich einige Japaner dabei unwohl fühlen. | |
Als Überraschungsgast dominierte Selenski den Gipfel, der einen | |
„vollständigen Rückzug“ Russlands aus der Ukraine forderte und neue | |
Sanktionen gegen die „Kriegsmaschine“ von Moskau beschloss. Bisher führten | |
ihn seine Reisen zu westlichen Verbündeten, um neue Finanz- und | |
Waffenpakete abzuholen. Auch in Hiroshima versicherten die G7-Staaten der | |
Ukraine Hilfe so lange, „wie dies nötig ist“. Sie erfüllten auch einen | |
lange gehegten Wunsch Selenskis: [2][Ukrainische Piloten werden an | |
F16-Kampfjets geschult.] Damit ist der Weg frei für die Lieferung der | |
modernen Flugzeuge an Kyjiw. | |
## Lula will nicht reden | |
Doch Selenski sah den Gipfel mit seinen vielen Gästen aus dem Globalen | |
Süden vor allem als Chance, auf Länder einzuwirken, die dem Krieg bisher | |
als Zaungäste zuschauen. So dankte er Indiens Präsident Narendra Modi für | |
seine Unterstützung der territorialen Integrität und Souveränität seines | |
Landes und lud ihn ein, sich an der Umsetzung der ukrainischen | |
„Friedensformel“ zu beteiligen. Indien ist ein wichtiger Abnehmer von Öl | |
und Waffen aus Russland und erlaubt Moskau die Umgehung westlicher | |
Sanktionen. Modi versicherte Selenski, Indien und er „werden alles tun, was | |
wir können, um den Krieg zu beenden“. | |
Brasiliens Präsident Lula da Silva, [3][der die Gründung eines | |
„Friedensklubs“ mit China vorgeschlagen hatte], ignorierte die ukrainische | |
Anfrage nach einem Treffen. Aber Selenski konnte seinen Appell bei einer | |
G7-Gesprächsrunde vortragen, in der da Silva zusammen mit Modi und | |
Südkoreas Präsident Yoon Suk-yeol saß. Der Ukrainer konferierte auch direkt | |
mit dem indonesischen Präsidenten Joko Widodo. Frankreichs Staatschef | |
Emmanuel Macron sprach von einer „einzigartigen Gelegenheit“ für Selenski, | |
den Ländern des Südens „eine Botschaft zu vermitteln“. Kanzler Scholz | |
bezeichnete die Anwesenheit des Ukrainers als „ganz wichtig“, auch wegen | |
der „ganz neuen Intensität der Gesprächsführung auf Augenhöhe“ mit den | |
Südländern. | |
Vor Hiroshima hatte Selenski überraschend auf dem Gipfel der Arabischen | |
Liga gesprochen. Der saudische König Salman hatte ihn eingeladen, obwohl | |
viele Golfstaaten gute Beziehungen zu Russland unterhalten. „Leider drücken | |
einige auf der Welt und hier in Ihrem Kreis ein Auge zu“, sagte Selenski in | |
Dschidda. Aber er sei hier, damit sich jeder einen eigenen Eindruck | |
verschaffen könne. Auf dem Flug nach Tokio kam es noch zu einer positiven | |
Geste des wichtigsten Bündnispartners von Russland: China erlaubte es dem | |
von Macron organisierten französischen Flugzeug mit Selenski, seinen | |
Luftraum zu durchqueren. | |
Allerdings drückte die Regierung in Peking später ihre „starke | |
Unzufriedenheit“ mit den G7-Erklärungen aus. Die Gruppe hatte China | |
„wirtschaftliche Zwangsmaßnahmen“ vorgeworfen, ohne das Land namentlich zu | |
benennen, und angekündigt, ihre ökonomischen Abhängigkeiten von der | |
zweitgrößten Volkswirtschaft zu verringern. Die G7 „unterdrückt die | |
Entwicklung anderer Länder“, kritisierte ein Außenamtssprecher. Der | |
russische Außenminister Sergei Lawrow warf den G7 vor, sie wollten Russland | |
auch als geopolitischen Mitbewerber eliminieren. | |
21 May 2023 | |
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## AUTOREN | |
Martin Fritz | |
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