| # taz.de -- Sea-Watch-Aktivistin über Seenotrettung: „Die Kürzung der Gelde… | |
| > Mit einem Filmabend in Kiel werden Spenden für den Verein Sea-Watch | |
| > gesammelt. Paulina Schneider erklärt, wieso die Unterstützung nötiger ist | |
| > denn je. | |
| Bild: Rettungsaktion am 30. Juli 2025, bei der über 90 Migrant*innen aus dem z… | |
| taz: Frau Schneider, wieso engagieren Sie sich für die Kieler Seebrücke? | |
| Paulina Schneider: Weil ich mich für ein solidarisches Miteinander bei den | |
| Themen Flucht und Migration einsetzen will. Die Seebrücke Kiel leistet dazu | |
| viel Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit. | |
| taz: Wie erleben Sie die öffentliche Debatte über das Menschenrecht auf | |
| Asyl? | |
| Schneider: Wir erleben eine Normalisierung migrations- und | |
| menschenfeindlicher Politik und Rhetorik. Die demokratischen Parteien | |
| übernehmen immer mehr Forderungen der AfD und setzen sie um. | |
| taz: Und die Situation im Mittelmeer? | |
| Schneider: Die ist katastrophal. Und sie wird immer schlimmer. Es sterben | |
| dort täglich acht bis neun Menschen beim Versuch, sich und die Angehörigen | |
| in Sicherheit zu bringen. Die Zahl steigt seit Jahren kontinuierlich an. | |
| Nun hat die Bundesregierung [1][die finanziellen Mittel für die zivile | |
| Seenotrettung gestrichen,] weil diese laut Bundeskanzler Friedrich Merz | |
| keine privatwirtschaftliche Aufgabe sei. Diese Aussage ist im Grunde | |
| richtig, seine Schlussfolgerung ist jedoch falsch. Seenotrettung sollte | |
| keine privatwirtschaftliche Aufgabe sein, sondern eine staatlich | |
| organisierte und finanzierte Pflicht. | |
| taz: Welche Folgen erwarten Sie für Ihre Arbeit durch die Kürzung der | |
| Gelder? | |
| Schneider: Diese Kürzung ist für extrem viele Menschen lebensgefährlich. In | |
| den vergangenen zehn Jahren sind ca. 30.000 Menschen im Mittelmeer | |
| ertrunken, während [2][175.000 gerettet wurden]. Man kann sich ausrechnen, | |
| was passieren wird. | |
| taz: In Kiel wird jetzt die Dokumentation „Kein Land für Niemand“ gezeigt, | |
| die eine Rettungsmission im Mittelmeer begleitet. Was kann man daraus | |
| mitnehmen? | |
| Schneider: Der Wandel von „Wir schaffen das!“ zur aktuellen Abschottung und | |
| Abwehr wurde sehr gut und fachlich fundiert herausgearbeitet. Die Doku | |
| weckt viele Emotionen. Bei mir waren es vor allem Wut, Frust und Trauer. | |
| Obwohl mir die Situation vorher bewusst war, haben die Bilder mich | |
| schockiert. Die gezeigten Reden von Politiker*Innen haben mich wütend | |
| gemacht. | |
| taz: Bei der Vorführung werden auch Spenden gesammelt. Was passiert mit dem | |
| Geld? | |
| Schneider: Es geht an den Verein Sea-Watch, der den Zweck hat, Menschen vor | |
| dem Ertrinken zu retten. Geld zu spenden ist der direkteste Weg das zu | |
| unterstützen. | |
| taz: Und wie sieht Ihr Protestalltag in Kiel aus? | |
| Schneider: Wir machen Bildungsarbeit und organisieren | |
| Solidaritäts-Demonstrationen und andere Veranstaltungen, um öffentlich ein | |
| klares Zeichen gegen Menschenrechtsverstöße zu setzen. Damit wollen wir aus | |
| linker Perspektive Druck auf die lokale Politik aufbauen. Wer das | |
| unterstützen will, findet bei uns dazu viele Gelegenheiten. | |
| taz: Mit der SPD gehen Sie besonders hart ins Gericht. Wieso? | |
| Schneider: Weil sie als sozial wahrgenommene Partei diese | |
| Menschenfeindlichkeit mitmacht und so migrationsfeindliche Politik als | |
| demokratisch inszeniert und legitimiert. Es wird immer Fluchtbewegungen als | |
| Reaktion auf Kriege, Krisen und Klimawandel geben. Wenn | |
| Politiker*innen Flucht zu einem Problem erklären, das bekämpft werden | |
| muss, setzen sie ein Ziel, das unerreichbar ist. Das bietet der AfD die | |
| Grundlage, um zu sagen: die anderen Parteien kriegen dieses Problem nicht | |
| gelöst, aber wir können es. Migration ist kein Problem. Das sollte einer | |
| sozialen Partei klar sein. | |
| taz: Was sind die Forderungen Ihrer Ortsgruppe an Kiels | |
| SPD-Oberbürgermeister Ulf Kämpfer? | |
| Schneider: Wir wollen, dass Menschen aufgenommen werden und hier in | |
| Sicherheit Leben können. Dafür braucht es einen [3][grundlegenden | |
| Politikwechsel]. Wir erwarten, dass er sich dafür einsetzt, indem er | |
| innerhalb der SPD Druck aufbaut. | |
| 12 Aug 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Lennart Sämann | |
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