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# taz.de -- KI bei der Seenotrettung: Das Meer ist auch nur ein Heuhaufen
> Wie lassen sich Menschen in Seenot mit künstlicher Intelligenz orten? Das
> erforschen Lübecker Wissenschaftler für die Wehrtechnische Dienststelle.
Bild: Fährt raus in die Nordsee: Seenotrettungskreuzer Bernhard Gruben
Lübeck taz | Eine graue, tosende Wüste hoher Wellen, Berge und Täler aus
Wasser, Sturm und Eiseskälte. Wer frei im Meer schwimmt, hat auch mit
Rettungsweste eine geringe Chance zu überleben. Die oft einzige Hoffnung
sind dann die Boote der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger.
Die aus Spenden finanzierte NGO fährt in der Nord-und Ostsee jedes Jahr
etwa 2.000 Rettungseinsätze und hat dabei 2024 nach eigenen Angaben 79
Menschen [1][aus akuter Seenot gerettet.] Was viele nicht wissen: Wenn
deren Rettungskreuzer bei starkem Sturm Unterstützung aus der Luft
benötigen, leistet die Bundeswehr-Marine mit Hubschraubern Amtshilfe.
Am Steuer der Hubschrauber sitzen Pilot*in und Kopilot*in, hoch
konzentriert bei dem Stunden langen gefährlichen Flug durch den Sturm. Im
Cockpit sucht ein*e „Tactical Coordinator“ auf Kamerabildern das Meer ab.
Sie oder er ist darauf trainiert, in den Wellenkämmen einen Kopf zu sehen,
wo für Laien nur ein Muster aus hellen und dunklen Strichen erkennbar ist.
Doch die Profis müssen parallel über die Route entscheiden oder die
Kamerabilder zurückspulen, um genauer hinzusehen. Selbst für sie ist
Seenotrettung [2][eine Suche nach der berühmten Nadel im Heuhaufen.]
Um diese Suche effektiver zu machen, bezahlt die Bundeswehr ein
Forschungsteam an der Uni Lübeck dafür, künstlicher Intelligenz die Suche
nach Menschen in Seenot beizubringen. Das Projekt namens „PosAIdon“ wird
geleitet von dem Informatiker und Psychologen André Calero Valdez, der sich
als Professor spezialisiert hat auf die Interaktion zwischen Menschen und
Computern.
## Surfbretter, Robben, Bojen erkennen
Seit einem Jahr trainieren in seinem Team ein Informatiker und eine
Psychologin die quelloffene Bilderkennungssoftware „YOLO“. Dafür muss das
Programm mit möglichst vielen Modellbildern „gefüttert“ werden, auch bei
hohem Wellengang, und muss „lernen, Surfbretter, Robben und Bojen zu
erkennen und von Menschen zu unterscheiden“, sagt Calero Valdez. „Es gibt
nicht viele Bilder von Menschen in Seenot. Deshalb nehmen wir zum Beispiel
Aufnahmen von Übungen und Computerspiel-Simulationen.“
Psychologischer Sachverstand ist wichtig, um die Abläufe bei der
Seenotrettung nicht zu stören und um zu verstehen, warum es für Menschen so
schwer ist, Schiffbrüchige im Wasser zu sehen. „Wenn ich zwischen vielen
roten Kreuzen ein blaues habe, findet das Gehirn das blaue Kreuz schnell.
Sind aber Formen und Farben verschieden, wie auf dem Meer, muss ich das
Bild Punkt für Punkt absuchen“. Für künstliche Intelligenz ist das viel
einfacher als für Menschen.
Wenn die Forschenden bis Ende nächsten Jahres zeigen können, dass das
möglich ist, entwickeln sie in einem weiteren Jahr die Pilot-Version einer
KI, die Kamerabilder systematisch und treffsicher nach Menschen absucht –
ohne jemals zu blinzeln oder müde zu werden. „Danach schauen wir, ob man
die KI auch von Booten aus einsetzen kann“, sagt Calero Valdez.
Der Projektleiter war Kriegsdienstverweigerer und hatte anfangs auch
Bedenken bei dem Bundeswehr-Auftrag. Ein Ethikgremium der Uni beschäftigte
sich mit der Frage, ob die Anwendung theoretisch zum Beispiel von einem
Staat wie Nordkorea genutzt werden könnte, um Flüchtige bei der Überquerung
einer Grenze zu finden und zu erschießen. „Aber wir haben uns für das
Projekt entschieden. Die KI sucht ja nach Menschen, die sowieso [3][in
akuter Lebensgefahr sind.] Wenn sie auf dem Wasser nicht schnell gefunden
werden, sterben sie.“
18 Aug 2025
## LINKS
[1] /DLRG-Praesidentin-Ute-Vogt/!6104440
[2] /Sea-Watch-Aktivistin-ueber-Seenotrettung/!6102865
[3] /Schiffskatastrophe-in-Indonesien/!6097860
## AUTOREN
Friederike Grabitz
## TAGS
Seenotrettung
Nordsee
Schwerpunkt Künstliche Intelligenz
Lübeck
Schwerpunkt Künstliche Intelligenz
Flüchtlingssommer
Italien
Sea-Watch
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