# taz.de -- Schulen und Kitas schließen wegen Corona: Eltern haben ein Problem | |
> Ab nächster Woche könnten Millionen Arbeitnehmer ausfallen, weil sie | |
> zuhause ihre Kinder betreuen. Um ihr Gehalt müssen sie zittern. | |
Bild: Kitas und Schulen sollen in der kommenden Woche in allen Bundesländern s… | |
Alle Bundesländer haben am Freitag [1][wegen der Coronagefahr | |
beschlossen], Schulen und Kitas ab nächster Woche zu schließen. Damit | |
werden demnächst wohl Millionen Beschäftigte ausfallen. Die Eltern müssten | |
in vielen Fällen die Kinderbetreuung übernehmen – ob die bisherigen | |
Regelungen zu Lohnfortzahlungen dann greifen, kann bisher niemand genau | |
sagen. „Wir haben eine besondere Situation, die es so vorher noch nicht | |
gab. Inwieweit die bisherige Rechtsprechung darauf anwendbar ist, das ist | |
die Frage“, sagt die Arbeitsrechtsanwältin Kaja Keller von der Kanzlei | |
Gansel in Berlin der taz. | |
Relativ klar ist die Rechtslage, wenn das Kind tatsächlich erkrankt ist und | |
nicht nur wegen einer Kitaschließung zu Hause bleiben muss. Laut | |
Sozialgesetzbuch V, Paragraf 45 stehen jedem Elternteil pro Kind 10 | |
bezahlte Krankheitstage im Jahr zu, bei Alleinerziehenden sind es 20 Tage. | |
Der Anspruch besteht nicht, wenn das kranke Kind zwölf Jahre oder älter | |
ist. | |
Schwieriger ist die Situation, wenn Vater oder Mutter das Kind betreuen | |
müssen, weil die Schule oder Kita wochenlang geschlossen hat, der Nachwuchs | |
aber nicht erkrankt ist. | |
Im Falle von Kita- und Schulschließungen können sich Eltern nur auf den | |
Paragrafen 616 im BGB berufen. Dieser sieht eine Entgeltfortzahlung vor, | |
wenn der Arbeitnehmer „ohne sein Verschulden“ nicht zur Arbeit kommen kann. | |
Aber diese Lohnfortzahlung gilt nur für kurze Zeit. Nach allgemeiner | |
Auffassung seien unter dem Begriff der „verhältnismäßig“ kurzen Zeit | |
„maximal 5 Arbeitstage zu verstehen“, informiert die IHK München-Oberbayern | |
auf ihrer Website. Der Paragraf 616 im BGB sieht zwar keine Altersgrenze | |
bei dem Kind vor, die Arbeitgeber könnten aber die Rechtsprechung zum | |
Krankengeld für kranke Kinder heranziehen – die erwähnten zwölf Jahre also. | |
## 10 Millionen Kinder betroffen | |
Würden aufgrund der Coronabedrohung alle Schulen und Kitas in Deutschland | |
geschlossen, beträfe dies rund 10 Millionen Kinder unter zwölf Jahren in | |
Deutschland. Zehntausende Familien müssen sich schon jetzt um die private | |
Kinderbetreuung kümmern. Da alte Menschen bei einer Ansteckung zur | |
gefährdeten Gruppe gehören, fallen die Großeltern als klassische | |
Ersatzbetreuung diesmal aus, betonen Gesundheitsexperten. | |
Bleiben Kitas und Schulen wegen Corona tatsächlich mehrere Wochen | |
geschlossen, ist das Entgelt nach Paragraf 616, wenn es nur fünf Tage | |
gewährt wird, nur ein schmaler Trost. Die weitere Freistellung wäre dann | |
unbezahlt. Die Erfahrung aus einem mehrwöchigen Kita-Streik in Westberlin | |
vor rund 30 Jahren zeigte, dass viele Eltern damals ihren Jahresurlaub für | |
den Kita-Streik drangaben. | |
Die Schließungen von Schulen und Kitas sind Teil einer Kettenreaktion: | |
Immer mehr Arbeitgeber ordnen Homeoffice an, also bezahlte Arbeit von zu | |
Hause. Theoretisch können Eltern also am PC ackern und gleichzeitig den | |
Nachwuchs bespaßen. Eine nervliche Herausforderung für alle Beteiligten. | |
Und eine Situation, die für viele nicht machbar ist. | |
„In vielen Branchen ist Homeoffice gar nicht möglich“, sagt Kaja Keller. | |
Wer im Handwerk tätig ist, in sozialen Berufen, im Handel, in der | |
menschennahen Dienstleistung, der fällt aus, wenn sie oder er zu Hause | |
bleiben muss. | |
Im Gesundheitswesen [2][arbeiten überdies viele Frauen]. Wenn die | |
ausfallen, weil sie ihre Kinder betreuen müssen, gibt es ein großes Problem | |
in Zeiten einer Pandemie. Dies müsse man bei Schulschließungen und deren | |
Dauer beachten, sagte der Präsident des Robert-Koch-Instituts, Lothar | |
Wieler. Aber vielleicht kümmern sich dann ja die Männer zu Hause ein | |
bisschen mehr. | |
14 Mar 2020 | |
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## AUTOREN | |
Barbara Dribbusch | |
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