# taz.de -- Schuldenkrise in Argentinien: Ausweg gesucht | |
> Die Corona-Pandemie verstärkt die Krise in Argentinen. Nehmen die | |
> Gläubiger das Angebot der Regierung nicht an, droht wieder eine | |
> Staatspleite. | |
Bild: Lagebesprechung in großer Runde – es geht um den geplanten Schuldensch… | |
BUENOS AIRES taz | „Argentinien ist virtuell zahlungsunfähig“, formulierte | |
es Präsident AlbertoFernández. Mit einer Zahlungspause und einem | |
Milliardenabschlag will die Regierung ihren [1][Schuldendienst] nun auf | |
eine tragfähige Basis stellen. Am Donnerstag legte sie privaten Gläubigern | |
ein Angebot zur Neustrukturierung von Schuldentiteln in Höhe von 70 | |
Milliarden Dollar vor. Die am 22. April fällige Tilgung von 503 Millionen | |
Dollar an Verbindlichkeiten wurde ausgesetzt. Die Gläubiger haben nun 20 | |
Tage Zeit, über das Angebot zu entscheiden. | |
Das Angebot sieht einen Schuldenschnitt von 41,5 Milliarden Dollar sowie | |
eine dreijährige Tilgungspause bei Dollar-Anleihen nach internationalem | |
Recht vor. Der Löwenanteil entfällt auf eine Zinsreduzierung um 62 Prozent | |
oder 37,9 Milliarden Dollar. Dazu kommt ein Abschlag auf die Kapitalsumme | |
von 5,4 Prozent oder 3,6 Milliarden. Ab 2023 soll der Schuldendienst wieder | |
aufgenommen werden, die dann zu tilgenden Verbindlichkeiten sollen mit | |
einem Durchschnitt von 2,33 Prozent verzinst werden. | |
Die bisherigen Verhandlungen seien erfolglos geblieben, erklärte | |
Argentiniens Finanzminister Martín Guzmán, „wegen der Forderung der | |
Privaten nach einer stärkeren Kürzung des Staatshaushalts“. Wegen der | |
festgefahrenen Verhandlungen machte die Regierung ihr Angebot jetzt | |
öffentlich. | |
Bereits am Dienstag hatte die Regierung die Ausgabe neuer Schuldtitel im | |
Wert von 50,5 Milliarden Dollar bei der US-Börsenaufsichtsbehörde SEC | |
beantragt. Bei einem erfolgreichen Abschluss sollen die neuen Titel gegen | |
die alten Titel getauscht werden. Argentiniens größte private Gläubiger | |
sind der Investmentfonds Pimco, der zur deutschen Allianz gehört, sowie die | |
US-Fonds Franklin, BlackRock und Fidelity. Sie halten rund 25 Milliarden | |
Dollar der Verbindlichkeiten. | |
## 280 Milliarden Dollar Auslandsverschuldung | |
Schon vor der Corona-Pandemie konnte Argentinien seine Schuldenlast nicht | |
mehr stemmen. Ende 2019 betrug Argentiniens Auslandsverschuldung rund 280 | |
Milliarden Dollar. Während der vierjährigen Amtszeit des neoliberalen | |
Vorgängerpräsidenten Mauricio Macri hatte sich der Schuldenberg um rund 100 | |
Milliarden Dollar erhöht. Diese Zahlen gab kürzlich die staatliche | |
Statistikbehörde Indec bekannt. | |
Am 6. April hatte die Regierung einseitig beschlossen, den Schuldendienst | |
für unter nationalem Recht aufgelegte Anleihen in Höhe von 10 Milliarden | |
Dollar bis zum kommende Jahr auszusetzen. Zudem verschob sie eine Anfang | |
Mai fällige Rückzahlung von 2,1 Milliarden Dollar an die im Pariser Club | |
zusammengeschlossenen 16 Gläubigerstaaten um ein Jahr und suchte um eine | |
Neuregelung der gesamten Verbindlichkeiten in Höhe von 9,7 Milliarden | |
Dollar nach. | |
Die mit Abstand größten Gläubiger im Club sind Deutschland und Japan. | |
Staatliche Gläubiger hatten sich wegen der Corona-Pandemie bereits auf | |
Schuldenerleichterungen für ärmere Schuldnerstaaten verständigt. Am | |
Dienstag stellten die führenden Industriestaaten der G7 Schuldennachlässe | |
in Aussicht. Tags darauf verständigten sich die führenden Industrie- und | |
Schwellenländer der G20 auf eine Aufschiebung von Zins- und | |
Tilgungszahlungen für 77 [2][besonders arme Staaten]. So könnte dem | |
schuldenerprobten Argentinien in Zeiten der Coronakrise eine Vorreiterrolle | |
bei den Schuldenverhandlungen mit Privatgläubigern zukommen. | |
Unterstützung erhielt die Regierung vom Internationalen Währungsfonds | |
(IWF), bei dem sie mit 44 Milliarden Dollar in der Kreide steht. | |
„Argentinien hat sich stark darauf konzentriert, die Coronakrise mit einer | |
Reihe angemessenen Maßnahmen im Gesundheitsbereich zu bewältigen und die am | |
stärksten gefährdeten Menschen und die am stärksten gefährdeten | |
Wirtschaftszweige zu unterstützen“, lobte IWF-Chefin Kristalina Georgieva | |
am Rande der gerade virtuell durchgeführten Frühjahrstagung von IWF und | |
Weltbank. Weitere Finanzspritzen schloss der Fonds jedoch aus. | |
17 Apr 2020 | |
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## AUTOREN | |
Jürgen Vogt | |
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