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# taz.de -- Corona-Quarantäne in Argentinien: Buenos Aires' Alte wehren sich
> In Argentiniens Hauptstadt sollten alle über 70 für jeden Gang um
> Erlaubnis bitten. Sie fühlten sich diskriminiert, die Maßnahme wurde
> zurückgenommen.
Bild: Ältere Menschen sollten zuhause bleiben: Menschen in einem Bahnhof in Bu…
Buenos Aires taz | Mit einem Klappstuhl unterm Arm überquerte eine
83-jährige Dame vergangenen Dienstag die breite Avenida Libertador vor
ihrem Wohnblock. Ihr Ziel war der menschenleere Park gegenüber. „Ich
brauche Luft und Sonne“, sagte sie den herbeigeeilten Polizeikräften.
Die erklärten der sonnenbadenden Seniorin, dass sie gegen die angeordnete
Corona-Quarantäne verstoße. „Ich möchte Sie nicht festnehmen, bitte gehen
Sie nach Hause“, sagte einer der Uniformierten.
[1][Wegen Corona] herrscht seit dem 20. März in Argentinien eine
landesweite Ausgangssperre, die offiziell „obligatorische Quarantäne“
heißt. Das Rausgehen zum Einkaufen, Arztbesuche oder für ähnliche
Basisdinge ist erlaubt. Es wird streng kontrolliert und Verstöße auch schon
mal mit einer vorübergehenden Festnahme geahndet.
Quarantäne sei gut und richtig, antwortete die sonnenbadende Alte, aber sie
hätte keinen Balkon und ihre Wohnung liege auf der Schattenseite des
Hochhauses. Eine Stunde später klappte sie ihren Stuhl zusammen. Der
zuständige Staatsanwalt drückte ein Auge zu, die Uniformierten eskortierten
sie zum Hauseingang. „Ich komme wieder“, verabschiedete sie sich.
## Ältere sind nicht mental debil!
Der Ungehorsam der alten Dame ist kein Einzelfall. Knapp 500.000 Menschen
sind im Stadtbereich von Buenos Aires 70 Jahre alt oder älter. Nach dem
Willen von Bürgermeister Horacio Rodríguez Larreta mussten sie seit
vergangenen Montag telefonisch eine Erlaubnis einholen, um eben jene
Basisgänge außer Haus unternehmen zu dürfen. 48 Stunden Gültigkeit sollte
die vom Bürger*innenservice der Stadt erteilte Erlaubnis besitzen. „Das
Durchschnittsalter der in Argentinien wegen Convid-19 Gestorbenen beträgt
71 Jahre und weltweit sind acht von zehn Todesfällen über 70 Jahre alt“,
rechtfertigte der Bürgermeister die Anordnung.
Während ein kleiner Teil der Betroffenen Einsicht und Verständnis zeigte,
fühlte sich der größte Teil entmündigt. „Der ältere Erwachsene ist kein
mental Debiler. Er kann die Risiken deutlich abschätzen“, fasste der
städtische Senior*innenschutzbeauftragte Eugenio Semino zusammen.
Nach einem Shitstorm der Alten ruderte Bürgermeister Rodríguez Larreta
zurück, änderte die Verpflichtung in eine Empfehlung um und verursachte mit
seinem Hin und Her mehr Verwirrung und noch mehr Verdruss.
Und während noch unter der eigens eingerichteten Telefonnummer beim
Bürger*innenservice die Drähte glühten, kassierte ein Richter die Anordnung
wegen der Verletzung des in der Verfassung festgeschriebenen
Gleichheitsgrundsatzes. Die Anordnung stelle „eine Diskriminierung aufgrund
des Alters“ dar, die die Rechte und Garantien einer Altersgruppe verletze,
indem sie ihr ein höheres Erfordernis auferlege und sie so vom Rest der
Bevölkerung absondere, urteilte Richter Lisandro Fastman.
Um Ruhe bemüht, verzichtet der Bürgermeister auf die mögliche Berufung.
24 Apr 2020
## LINKS
[1] /Argentinien-in-Doppelkrise/!5672385
## AUTOREN
Jürgen Vogt
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