# taz.de -- Scholz in Davos: Das größere Bild | |
> Trotz Fehler ist Scholz' Kurs im Ukrainekrieg richtig. Wichtiger als | |
> Waffenlieferungen ist, zu verhindern, dass sich ein antiwestlicher Block | |
> bildet. | |
Bild: Olaf Scholz spricht auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos | |
Im Donbass starten die russischen Invasionstruppen eine Großoffensive. | |
Polen kritisiert Berlin mal wieder dafür, dass es zu wenig moderne Waffen | |
lockermacht. Olaf Scholz skizziert währenddessen beim Weltwirtschaftsforum | |
in Davos in kühnen Strichen die neue multipolare Weltordnung. Diese drei | |
Nachrichten zusammen suggerieren, dass der Kanzler wieder alles falsch | |
macht und auf der internationalen Bühne sucht, was ihm zu Hause fehlt: | |
Zuspruch. | |
So scheint es. Aber so ist es nicht. Scholz warnt zu Recht davor, dass die | |
Sanktionen des Westens gegen Russland im globalen Süden zu Hunger und | |
Energiekrisen führen können. Er hat in Südafrika und Niger für | |
[1][Unterstützung der Ukraine] antichambriert. Wer das für Flucht hält, | |
versteht nichts von internationaler Politik. | |
Muss Berlin jetzt zügiger Waffen liefern? Die deutsche Debatte ist zu eng | |
geführt. Viele Waffen liefern zu wollen, gilt als Unterstützung, zögern als | |
Mangel an Mut. Diese Lesart hat den Vorteil, die Moral klar zu verteilen. | |
Doch die Bedeutung wird von allen Seiten überschätzt. Ob die Ukraine | |
überlebt, hängt nicht von ein paar Panzern aus Deutschland ab. Nur die USA, | |
die gerade [2][40 Milliarden Dollar für Kiew] lockergemacht haben, können | |
die Ukraine mit dem Nötigen versorgen. Bei den militärischen Fähigkeiten | |
ist der Unterschied zwischen den USA und Deutschland ungefähr so groß wie | |
zwischen Deutschland und Irland. Das gelegentlich zu beachten, könnte die | |
hitzig geführte Debatte um Waffenlieferung etwas abkühlen. | |
Das Schicksal der Ukraine entscheidet auch nicht die Tweet- Frequenz von | |
Andrij Melnyk. Falls der Krieg länger dauert, wofür viel spricht, ist | |
zentral, ob China, Indien und andere nichtwestliche Staaten die Sanktionen | |
gegen Moskau torpedieren – oder nicht. Wenn die Ukraine zur Schlacht des | |
Westens gegen den Rest der Welt wird, geht Kiew unter. Der Kanzler hat das | |
verstanden. | |
Anderes leider nicht. Scholz hat salopp, fast höhnisch Kritiker, die mehr | |
Waffenlieferungen fordern, abgekanzelt. Das passt nicht zur Gravitas der | |
Verantwortungsethik, die er für sich reklamiert. Wäre ihm früher | |
eingefallen, dass man ein paar Gepard-Panzer liefern kann – der Himmel über | |
dem Kanzleramt wäre weniger wolkig. | |
In der Ampel rumort es. Kritik aus Osteuropa, Kritik von Grünen und FDP – | |
das frisst sich wie Rost in die Regierung. Die Zeit der Politik per | |
Machtwort ist vorbei. Aber Scholz muss sich langsam etwas einfallen lassen. | |
Mit einem militärischen Bild gesagt: Der Kanzler ist bei der Strategie, dem | |
größeren Bild, [3][richtig aufgestellt]. Kämpfe aber kann man auch wegen | |
taktischer Fehler verlieren. | |
26 May 2022 | |
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## AUTOREN | |
Stefan Reinecke | |
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