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# taz.de -- SPD-Parteitag in Berlin: „Zuversicht, krächz, krächz“
> Mit großem Rückhalt werden Saskia Esken und Lars Klingbeil auf dem
> SPD-Parteitag wiedergewählt. Einer wird geschont.
Bild: Saskia Esken und Lars Klingbeil bei Bekanntgabe des Wahlergebnis zum neue…
Berlin taz | Eines hat die SPD wirklich aus der Vergangenheit gelernt – man
stürzt sich wegen schlechter Umfrageergebnisse nicht in Verzweiflung und
man stürzt schon gar nicht die eigenen Anführer. Auf ihrem [1][dreitägigen
Bundesparteitag] in Berlin haben die Delegierten die beiden Vorsitzenden
Saskia Esken und Lars Klingbeil als Parteivorsitzende im Amt bestätigt, und
das mit überraschend guten Ergebnissen. Für Esken stimmten 82 Prozent der
583 Abgeordneten, die ihre Stimme abgegeben hatten. Vor zwei Jahren erhielt
sie 76,7 Prozent der Stimmen. Klingbeil wurde mit 85,6 Prozent
wiedergewählt, gegenüber 86,3 Prozent im Jahr 2021.
Das ist ein Zeichen, wie stabil die Partei im Vergleich zu den Nuller- und
Zehnerjahren geworden ist. Dass die Genoss:innen Esken und Klingbeil
durchfallen lassen würden war auch nicht erwartet worden. Denn es ist das
große Verdienst der beiden, dass die SPD im Innern jetzt so geschlossen da
steht. Das sei 2019 auf dem letzten Präsenzparteitag noch ganz anders
gewesen, sagt ein Mitglied des Parteivorstands. „Damals haben wir uns die
Köpfe eingeschlagen, das war schlimm.“
Im Inneren ist die SPD also in weitaus besserer Verfassung als vor vier
Jahren. Doch nach außen sieht sie nicht gut aus: In der Gunst der
Wähler:innen ist die Kanzlerpartei mittlerweile auf 14 Prozent abgesackt
– der bisher absolute Tiefpunkt dieser Legislatur und das zur Halbzeit der
Ampel.
Zum Auftakt ihrer Bewerbungsrede hatte Saskia Esken versucht, Zuversicht zu
verbreiten – und streute dieses Schlagwort gleich mehrmals in ihrer Rede
ein. „Die SPD hat wieder zu sich gefunden“, behauptete sie forsch. Mit
„Geschlossenheit und Zuversicht“ habe man die Bundestagswahl gewonnen, und
damit werde man auch wieder aus dem Tief kommen. Die Union ging Esken
scharf an. Diese sei „wahrhaftig die populistischste Opposition aller
Zeiten“. Merz und seine Partei hetzten „im Chor mit der AfD“ und arbeitet…
nicht nur gegen die Regierung, sondern auch „gegen den Zusammenhalt und
gegen das Land“.
## Bockwurst und Malle sind zweitrangig
Dem politischen „Vandalismus“ stellte sie die „Verantwortung“ der SPD
entgegen. Es sei gefährlich, dass sich CDU und CSU der populistischen
Muster der AfD bediene, denn das befördere Zweifel und Verunsicherung.
Insbesondere in der migrantischen Community kippe die Stimmung, warnte sie,
das dürfe man nicht zulassen. „Rassismus und Ausgrenzung sind ein Schlag
ins Gesicht der Menschen, die unser Land mit aufgebaut haben“, erklärte
sie. Am Ende hatte sie zwar einen Frosch im Hals. Trotzdem beendete sie
ihre Rede noch mit dem Wort „Zuversicht, Krächz, krächz“.
Klingbeil versuchte ebenfalls, den Genossen Mut zuzusprechen: Die SPD sei
immer wieder aufgestanden. „Wir haben immer an uns geglaubt, auch wenn
andere uns abgeschrieben haben.“ Klar, das [2][Urteil des
Bundesverfassungsgerichts] habe alle vor eine schwere Aufgabe gestellt.
Trotzdem müsse der Kompass klar sein: Weiter investieren, kein Wackeln bei
der Unterstützung der Ukraine und [3][kein Abbau des Sozialstaates].
Eine Trias, die durch das gegenwärtige Milliardenloch im Haushalt gefährdet
ist. Noch haben Olaf Scholz, FDP-Finanzminister Christian Lindner und der
Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) in tagelangen Dreierrunden keinen
Kompromiss gefunden. Am Sonntag wird weiter verhandelt.
Klingbeil erinnerte seine Genossen aber auch noch mal daran, für wen die
SPD Politik mache: Nämlich für jene, die jeden Morgen aufständen und zur
Arbeit gingen, für die Leisen, die Fleißigen, die Vernünftigen – also die
herzensguten Menschen oder, laut Klingbeil, die Mehrheit im Lande. „Diese
Menschen setzen auf uns.“ Es dürfe in der Politik nicht darum gehen, „ob
jemand Auto fährt, Bratwurst isst oder mit dem Flieger einmal im Jahr nach
Malle fliegt.“ Auch nicht darum, ob man gendere. Sondern um bezahlbare
Miete, um gute Löhne, um anständige Pflege und die beste Bildung. Das
quittierte der Saal mit lautem Beifall.
## Scholz soll das Ruder in die Hand nehmen
Der SPD-Vorsitzende sieht eine Grundsatzdiskussion über den Sozialstaat
heranrollen und neue Auseinandersetzungen mit den Neoliberalen: „Die
Marktradikalen, die den Staat für ein aufgeblähtes Monster halten, der die
Menschen bevormundet, werden lauter.“ Konkret gab er [4][CDU-Chef Friedrich
Merz] eine mit: „Friedrich von gestern wird niemals die Zukunft unseres
Landes sein.“ Doch angesprochen fühlen, dürften sich wohl auch die
Liberalen.
Klingbeil versprach, die SPD werde für einen Staat kämpfen der investiere
und schütze. Und gegen eine AfD, die Deutschland ins Verderben führe. „Die
AfD darf niemals Macht über unser Land bekommen“, rief er und forderte die
Genossen auf, dafür zu kämpfen. Die Rede Klingbeils war die eines
Bundestrainers, der seiner verunsicherten Mannschaft wieder Mut und
Zuversicht einimpfte. Jedenfalls erhoben sich die Sozialdemokraten danach
und spendeten stehend Applaus.
Einen ließen sowohl Klingbeil als auch Esken fast außen vor: Olaf Scholz.
Der Kanzler wurde zu Beginn des Parteitags mit warmem Applaus empfangen.
Scholz wird geschont, obwohl die schlechten Umfragewerte auch ihm
angelastet werden. „Wenn etwas schief läuft, dann ist Olaf Scholz schuld“,
lacht Elvan Korkmaz-Emre am Rande des Parteitags im Gespräch mit der taz.
Sie ist eine von mehreren stellvertretenden Vorsitzenden in
Nordrhein-Westfalen. Die SPD müsse in der Koalition das Ruder stärker in
die Hand nehmen, findet sie. „Jemand muss den Hut aufhaben“: da müsse Olaf
Scholz mehr Initiative zeigen. Scholz wird am Samstag reden, seine Rede
wird mit Spannung erwartet.
Am Freitag debattierte der Parteitag auch über den Leitantrag, der das
Fundament für das Wahlprogramm für die Bundestagswahl 2025 bilden wird. Die
Sozialdemokraten wollen bis 2030 den klimaneutralen Umbau von Wirtschaft
und Gesellschaft wuppen, mit einer Millionen neuer Jobs und massiven
staatlichen Investitionen. Dazu will die SPD unter anderem an die
Schuldenbremse ran, Reiche stärker in die Verantwortung nehmen und
Multimillionen-Erben stärker besteuern.
Umstritten war zunächst, ob die Schuldenbremse nur modernisiert oder
abgeschafft werden soll. Die Jusos forderten in einem eigenen Antrag sie zu
streichen.
Am späten Nachmittag präsentierte SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert dann
den Kompromissvorschlag, auf den sich Jusos und Parteivorstand geeinigt
hatten: Starre Begrenzungen der Kreditaufnahme, wie sie derzeit in
Verfassungen stehen, werden abgelehnt. „Sie verhindern Investitionen und
beeinträchtigen die Handlungsfähigkeit des Staates.“ Der Leitantrag wurde
einstimmig angenommen.
Denn im Ziel sind sich alle Redner:innen in den Berliner Messehallen
einig – sie wollen einen handlungsfähigen Staat, der investiert und
materielle Sicherheit gibt. Einen klassischen Sozialstaat also.
8 Dec 2023
## LINKS
[1] /Parteitag-der-SPD-und-Haushaltskrise/!5978647
[2] /Karlsruher-Urteil-zu-Klimafonds/!5969800
[3] /Merz-Forderungen-zu-Sozialabbau/!5977228
[4] /Soziale-Kaelte-der-CDU/!5973956
## AUTOREN
Anna Lehmann
Daniel Bax
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