| # taz.de -- Russlands Kriegswirtschaft: Putin ruiniert sein Land | |
| > Die ökonomische Lage in Russland ist schlecht – und wird noch schlechter. | |
| > Selbst ein Sieg in der Ukraine würde der russischen Wirtschaft nichts | |
| > nützen. | |
| Bild: Wladimir Putin gibt lieber Geld für Waffen als für Eier aus | |
| Russland ist das größte Land der Erde, hat aber fast keine Einwohner, | |
| relativ gesehen. Etwa 144 Millionen Menschen verteilen sich auf 17 | |
| Millionen Quadratkilometer Fläche. Macht 8,5 Russen pro Quadratkilometer. | |
| Nur zum Vergleich: In Deutschland müssen sich 236,6 Einwohner einen | |
| Quadratkilometer teilen. | |
| Da sollte man doch denken, dass es im leeren Russland genug Auslauf für | |
| Hühner gäbe. Stattdessen [1][brach in diesem Winter eine „Eierkrise“ aus, | |
| die zur Staatsaffäre wurde], weil sich im Fernsehen eine wütende Rentnerin | |
| bei Präsident Putin beschwerte. Denn Eier waren um 61 Prozent teurer | |
| geworden oder gleich ganz aus den Supermarktregalen verschwunden. | |
| Diese sonderbare Eierkrise erklärt viel über die russische Wirtschaft – und | |
| wie sie sich in Kriegszeiten verändert. Es geht um Importe, Arbeitskräfte | |
| und den Rubelkurs. Die Eierkrise begann damit, dass Russland seine Bruteier | |
| nicht selbst erzeugt, sondern bisher aus den Niederlanden eingeführt hat. | |
| Diese Bruteier unterliegen zwar nicht den westlichen Sanktionen, kamen aber | |
| trotzdem nicht mehr an, weil der Bankenverkehr zwischen Russland und dem | |
| Westen weitgehend unterbrochen ist. | |
| Die Niederländer wollten Geld sehen, das die russischen Hühnerzüchter nicht | |
| mehr überweisen konnten. Zudem überleben Hühner in Großmästereien nur, wenn | |
| sie geimpft werden und Antibiotika schlucken. Auch diese Arzneimittel kamen | |
| bisher aus dem Westen. Zwar ist es möglich, die Lieferketten neu zu | |
| organisieren. Aber das kostet Zeit und Geld. | |
| Generell werden alle Importe teurer, denn der Rubel verliert international | |
| an Wert. Im Jahr 2021, also vor dem Krieg gegen die Ukraine, mussten die | |
| Russen im Durchschnitt 73 Rubel für einen Dollar zahlen. Momentan sind es | |
| etwa 92 Rubel, was einem Wertverlust von 26 Prozent entspricht. | |
| Noch schwieriger: Die Arbeitskräfte werden rar. Die privaten Betriebe, auch | |
| die Hühnerfarmen, verlieren ihre Mitarbeiter an den Staat. Putin hat zwar | |
| bisher auf eine generelle Mobilmachung verzichtet, aber etwa 330.000 Männer | |
| dürften zusätzlich eingezogen worden sein, um die reguläre Armee zu | |
| verstärken. Viele werden nicht zurückkehren. Bis Ende März seien 436.750 | |
| russische Soldaten im Krieg getötet oder verwundet worden, meldet die | |
| Ukraine. Die USA gehen von etwa 300.000 russischen Opfern aus. | |
| Ein Krieg benötigt aber nicht nur Soldaten. Es müssen auch Waffen und | |
| Uniformen hergestellt, Krankenhäuser ausgebaut und Ausrüstung an die Front | |
| geschafft werden. Das bindet ebenfalls Arbeitskräfte, die normalen | |
| Unternehmen nun nicht mehr zur Verfügung stehen. Denn der russische Staat | |
| bietet höhere Löhne – und Sicherheit. Wer in einem kriegswichtigen Betrieb | |
| arbeitet, kann davon ausgehen, dass er nicht zur Front eingezogen wird. | |
| So banal es ist: Krieg zerstört, statt Werte zu schaffen. Wenn Putin nun | |
| Millionen Menschen direkt oder indirekt einsetzt, um die Ukraine zu | |
| überfallen, dann ist der ökonomische Schaden auch in Russland groß. | |
| Offiziell soll die russische Wirtschaft im vergangenen Jahr um 3,5 Prozent | |
| gewachsen sein, aber reicher wurde das Land nicht. Diese BIP-Zahl wurde vor | |
| allem durch den Sold der Soldaten und die Waffenproduktion aufgebläht. | |
| ## Auf Verschleiß gefahren | |
| Da Arbeitskräfte in Russland immer knapper werden, legen die Löhne und | |
| damit die Nachfrage zu, ohne dass mehr zivile Güter produziert würden. | |
| [2][Also steigen die Preise.] Offiziell betrug die Inflation im vergangenen | |
| Jahr 7,4 Prozent, weswegen die Zentralbank die Zinsen auf 16 Prozent | |
| hochsetzte. Ergebnis: Niemand nimmt noch Kredite auf, höchstens der Staat. | |
| Es wird nicht mehr investiert, sondern auf Verschleiß gefahren. | |
| Die Kriegskosten treffen zudem auf eine Wirtschaft, die sowieso rückständig | |
| ist und fast nur Bodenschätze exportiert. Vor allem Gas kann Russland aber | |
| nur noch mühsam verkaufen, floss es doch früher über Pipelines nach Europa, | |
| die nun weitgehend unterbrochen sind. Vor dem Ukraine-Krieg importierte die | |
| EU jährlich mehr als 150 Milliarden Kubikmeter Gas aus Russland, 2023 waren | |
| es weniger als 43 Milliarden. Neue Kunden sind für Russland aber schwer zu | |
| beschaffen, weil es Jahre dauert, um Pipelines zu bauen. | |
| Besser sieht es beim Öl aus. Rein mengenmäßig exportiert Russland jetzt | |
| sogar mehr Öl als vor dem Krieg. Europa importiert zwar fast nichts mehr, | |
| aber dafür kaufen die Inder eifrig ein. Fragt sich nur, zu welchem Preis? | |
| Die Inder dürften saftige Rabatte verlangen, weil die Russen dringend | |
| Abnehmer benötigen. | |
| ## Weniger Exporte | |
| Exportstatistiken veröffentlicht Russland nicht mehr, seitdem es die | |
| Ukraine überfallen hat. Aber selbst Russland gibt zu, dass seine Ausfuhren | |
| 2023 insgesamt um 28,3 Prozent gefallen sind und nur noch 425 Milliarden | |
| Dollar erzielten. | |
| Die wirtschaftliche Lage ist also ungut. Allerdings divergieren die | |
| Einschätzungen, wie lange Putin die Probleme kaschieren kann. Die Ökonomin | |
| Alexandra Prokopenko arbeitete früher bei der russischen Zentralbank und | |
| ist nun bei der Carnegie-Stiftung in Berlin angestellt. [3][Sie | |
| prognostizierte jüngst im Spiegel]: „Für die Entwicklungen auf dem | |
| Schlachtfeld ist der Zeithorizont von 12 bis 18 Monaten entscheidend, und | |
| da sehe ich keine erheblichen wirtschaftlichen Probleme.“ Pessimistischer | |
| ist der russische Volkswirt Igor Lipsiz, der ebenfalls im Exil lebt. Er | |
| sagte der FAZ: Schon Ende des Jahres könne es „zu leeren Regalen in | |
| Supermärkten kommen“. | |
| Wie auch immer: Russlands Aussichten sind düster, weil Putin keine | |
| ökonomische Exit-Strategie hat. Für die Wirtschaft ist es egal, ob er siegt | |
| oder verliert. Selbst wenn Russland den Ukrainekrieg gewinnen sollte, was | |
| hoffentlich nicht passiert, bräuchte Putin viele Soldaten, um das | |
| Nachbarland dauerhaft zu besetzen. Zugleich müsste Russland weiter | |
| aufrüsten, weil die Nato nun ebenfalls in ihre Verteidigung investiert. Die | |
| russische Kriegswirtschaft wird nie enden – doch dafür ist das Land zu arm. | |
| 6 Apr 2024 | |
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| [2] https://www.handelsblatt.com/politik/international/inflation-warum-steigend… | |
| [3] https://www.spiegel.de/wirtschaft/ukrainekrieg-ehemalige-moskauer-zentralba… | |
| ## AUTOREN | |
| Ulrike Herrmann | |
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