# taz.de -- Russlands Einfluss in Österreich: Putins willige Wiener Handlanger | |
> Russland hat in Österreich großen Einfluss. Ehemalige Politiker lassen | |
> sich dort gegen gute Bezahlung für Putins Interessen einspannen. | |
Bild: Wladimir Putin tanzte mit der damaligen Außenministerin Karin Kneissl (F… | |
WIEN taz | „Unverantwortlich, zynisch und beschämend“ findet die SPÖ die | |
Weigerung von Österreichs Ex-Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP), sich | |
aus dem russischen Ölkonzern Lukoil zurückzuziehen. | |
Schüssel, der Anfang des Jahrhunderts eine rechtskonservative Regierung mit | |
der FPÖ anführte, sitzt nicht nur im Aufsichtsrat des deutschen | |
Energiekonzerns RWE, sondern bessert seine üppige Politikerrente auch mit | |
einem wohldotierten Aufsichtsratsmandat des russischen Ölriesen auf. Die | |
Rede ist von 100.000 Euro jährlich. | |
Der Aufforderung der Sozialdemokraten, durch einen Rückzug gegen den | |
[1][russischen Angriffskrieg zu protestieren], will Schüssel nicht | |
nachkommen. Lukoil, so ließ er über seine Sprecherin ausrichten, sei kein | |
Staatskonzern, sondern eine an Londons Börse notierte Aktiengesellschaft. | |
Sie sei auch nicht mit Sanktionen belegt. | |
Anders reagierte einer seiner Nachfolger, der ehemalige SPÖ-Kanzler | |
Christian Kern. Der legte nach Beginn der militärischen Aggression Moskaus | |
gegen die Ukraine sein Aufsichtsratsmandat bei der Russischen Staatsbahn | |
RZD nieder: „Seit heute Nacht ist die RZD tatsächlich Teil einer | |
Kriegslogistik geworden. Ich bedauere das zutiefst.“ | |
## Hofknicks vor Putin | |
Weniger Skrupel hat da Ex-Außenministerin Karin Kneissl, die im Sold des | |
Moskauer Ölkonzerns Rosneft steht. Der ist zwar formal auch eine | |
Aktiengesellschaft, personell und strategisch aber eng mit Wladimir Putin | |
verbunden. | |
Die einst von der FPÖ in die Regierung von Sebastian Kurz geholte | |
Nahostexpertin Kneissl hat auch beim russischen Propagandasender RT | |
angeheuert. Bei dem zeigte sie noch direkt vor dem Überfall auf die Ukraine | |
großes Verständnis für Putins Position. Russland ist zweitgrößte | |
Auslandsinvestor in Österreich | |
Kneissl ist international vor allem durch ihre Hochzeit im Sommer 2018 in | |
Erinnerung. Bei der bedankte sie sich für ein Tänzchen mit dem eigens | |
angereisten Kreml-Chef mit einem Hofknicks. | |
Bewunderung für den russischen Autokraten hat in Österreich Tradition. Der | |
ehemalige Präsident der Wirtschaftskammer, Christoph Leitl (ÖVP), | |
betrachtet Putin als seinen persönlichen Freund und erkannte in ihm noch | |
vergangene Woche einen „schenialen (sic!) politischen“ Schachspieler. | |
## FPÖ und Putin-Parte sind Freunde | |
„Jeder Zug ist überlegt und er nützt gnadenlos jede Schwäche der anderen | |
aus,“ so Leitl. Wenn man nicht auf ihn höre, „dann wird er grantig und dann | |
wird er, auch wie wir jetzt sehen, aggressiv.“ | |
Die rechte FPÖ hatte 2016 in Moskau sogar einen Freundschafts- und | |
Kooperationsvertrag mit der Putin-Partei Einiges Russland geschlossen. | |
Beobachter der FPÖ, die sie zum Referendum entsandte, das zur Annexion der | |
Krim führte, äußerten sich voll des Lobes. | |
Abseits der persönlichen Verflechtungen vieler Politiker ist Österreich | |
auch wirtschaftlich eng mit der Russischen Föderation verbunden. 80 Prozent | |
der Gasimporte kommen von dort, was die zögerliche Haltung der | |
Bundesregierung gegenüber bestimmten Sanktionen erklärt. | |
Jeder zweite Wiener Haushalt heizt mit Gas. Ein Gasbevorratungsgesetz, das | |
zur Einlagerung eines Jahresbedarfs verpflichten soll, wird gerade erst | |
diskutiert und bestenfalls 2023 nützlich sein. | |
## Zweitgrößter Auslandsinvestor | |
Rund 600 Unternehmen unterschiedlicher Größe haben in Russland investiert. | |
Über die Raiffeisen Bank ist Österreich auch auf Russlands Finanzsektor | |
höchst präsent. Dort stehen rund 1,5 Milliarden Euro an Krediten aus. | |
Umgekehrt hat Russland mit der Sberbank in Wien eine Niederlassung, die für | |
ganz Mitteleuropa zuständig ist – und jetzt durch die Sanktionen bereits | |
ins Wanken gerät. Die Bankenaufsicht der Europäischen Zentralbank hält sie | |
für nicht mehr existenzfähig, wie sie in der Nacht auf Montag mitteilte: | |
„Bei der Sberbank Europe AG und ihren Tochtergesellschaften kam es zu | |
erheblichen Abflüssen von Einlagen infolge der Auswirkungen der | |
geopolitischen Spannungen auf ihre Reputation“. | |
Russland ist mit 21,4 Milliarden Euro Direktinvestitionen nach Deutschland | |
größter ausländischer Investor in Österreich. Die Sberbank bildet mit den | |
Energiekonzernen Lukoil und Gazprom das führende Trio. | |
Der Oligarch Oleg Deripaska hält über seine zypriotische Rasperia Trading | |
Limited 25,9 Prozent am Baukonzern Strabag, einem der größten in | |
Österreich. Deripaska, einer der wichtigsten Wirtschaftsberater Putins, | |
beschäftigt in seinem Unternehmen Russian Machines auch den | |
österreichischen Milliardär Siegfried Wolf, der letztes Jahr das insolvente | |
MAN-Werk in Steyr kaufte. | |
2 Mar 2022 | |
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## AUTOREN | |
Ralf Leonhard | |
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