# taz.de -- Renate Künast gegen Facebook: Auf die Captions kommt es an | |
> Renate Künast verlangt von Facebook die automatische Löschung eines | |
> Falschzitats. Der Konzern verweist auf Probleme mit Bildunterschriften. | |
Bild: Plagt sich seit Jahren mit fiesen Falschzitaten herum: die Grünen-Bundes… | |
Berlin taz | Die Grünen-Politikerin Renate Künast will in einem | |
Pilotprozess durchsetzen, dass rechtswidrige Memes (Bild-Text-Collagen) von | |
[1][Social-Media-Plattformen] automatisch gelöscht werden müssen. | |
Eigentlich stehen ihre Chancen gut, wenn da nicht die wechselnden | |
Bildunterschriften (Captions) wären. An diesem Dienstag verhandelte der | |
Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe. | |
Seit 2015 kursiert im Netz ein erfundenes Falschzitat, das Künast in den | |
Mund gelegt wird. „Integration fängt damit an, dass Sie als Deutscher mal | |
Türkisch lernen“. Dazu Künasts Name, Partei und ihr Foto. Acht mal hat sie | |
das fiese Falschzitat Facebook gemeldet. Achtmal wurde es gelöscht. Doch | |
das Meme wird immer wieder neu hochgeladen. | |
„Das gefährdet meine Glaubwürdigkeit als Politikerin und führt zu massiven | |
Anfeindungen“, sagte Künast in Karlsruhe. „Wenn Leute das fünf Mal lesen, | |
glauben sie es.“ Künast verlangt deshalb präventiven Schutz von Facebook. | |
„Es kann doch nicht sein, dass ich Mitarbeiter beschäftigen muss, um solche | |
Lügen zu finden, während Facebook mit dem Hass Milliarden verdient“. Ihr | |
Ziel: Facebook soll selbst suchen und ein erneutes Hochladen des | |
identischen oder sinngleichen Memes verhindern. Dabei wird sie von der NGO | |
Hate-Aid unterstützt. | |
Juristisch stützte sich Künast bisher auf ihr allgemeines | |
Persönlichkeitsrecht. Und sie bekam in zwei Instanzen, beim Landgericht und | |
beim Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt, Recht. Ihr Anwalt Chan-jo Jun | |
sprach von einem „Durchbruch“. | |
## Facebook ging in Revision | |
[2][Facebooks Mutterkonzern Meta] ging aber in Revision zum BGH. Die | |
Plattform ist nur bereit, automatisch zu filtern, solange keine Captions | |
(Bildunterschriften) verwendet werden. Diese verändern zum einen den | |
Hashwert eines Bildes, sodass ein Meme eventuell gar nicht mehr erkannt | |
wird. Außerdem könnten Captions auch den Inhalt ändern. „Wenn da steht: | |
‚Dieses Falschzitat wird Frau Künast untergeschoben‘, ist das eine | |
zulässige Meinungsäußerung“, sagte Facebook-Anwalt Christian Rohnke. | |
Künasts zweiter Anwalt Matthias Pilz hält dies für ein Ablenkungsmanöver. | |
„Der Löwenanteil dieser Memes hat zwar Captions – die aber nur noch mehr | |
Hass gegen Künast verbreiten.“ Eine automatisierte Löschung sei deshalb | |
trotz Captions möglich. Und in Zweifelsfällen müsse eben ein menschlicher | |
Facebook-Mitarbeiter entscheiden. | |
Rechtlich beruft sich Facebook auf das Provider-Privileg. Danach müssen | |
Plattformen nicht alles prüfen, was von Nutzern hochgeladen wird. Nur auf | |
konkreten Hinweis müssen sie rechtswidrige Inhalte entfernen („notice and | |
take down“). So war es in der EU-E-Commerce-Richtlinie geregelt und seit | |
2022 auch im neuen Digital Services Act (DSA). | |
Allerdings hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) schon 2019 im Fall der | |
österreichischen Grünen-Politikerin Eva Glawischnig entschieden, dass eine | |
Pflicht, bestimmte identische und sinngleiche Beleidigungen auszufiltern, | |
nicht gegen das Provider-Privileg verstößt – solange dies automatisiert | |
möglich ist. Scheitert der Anspruch Künasts also an den Bildunterschriften? | |
## Gericht verkompliziert Lage | |
Der BGH verkomplizierte die Lage zusätzlich, indem er kurz vor der | |
Verhandlung mitteilte, dass hier wohl gar kein deutsches Recht mehr | |
anwendbar ist. Künast solle nicht auf ihr Persönlichkeitsrecht verweisen, | |
sondern auf Artikel 17 der EU-Datenschutz-Grundverordnung. Danach könne | |
sie einen Anspruch gegen Facebook auf Unterlassung einer rechtswidrigen | |
Datenverarbeitung haben. Künasts Anwälte waren überrascht, aber | |
einverstanden. | |
Wie geht es nun weiter? Entweder der BGH entscheidet bereits in einigen | |
Wochen. Oder er setzt das Verfahren aus und wartet einige Monate lang auf | |
den Ausgang eines rumänischen Verfahrens am EuGH mit ähnlicher | |
Fragestellung. Oder der BGH legt dem EuGH eigene Fragen vor. Dann wäre mit | |
einem BGH-Urteil erst in zwei Jahren zu rechnen. | |
Nur am Rande ging es in Karlsruhe um eine zweite Frage. Künast verlangt von | |
Facebook auch 10.000 Euro Schmerzensgeld, weil beanstandete Memes zu spät | |
gelöscht wurden. Das Landgericht Frankfurt hatte ihr das zugebilligt, das | |
OLG Frankfurt hatte jedoch abgelehnt. [3][Facebook] hielt die Summe für zu | |
hoch. | |
18 Feb 2025 | |
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## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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