# taz.de -- Regierungskrise in Italien: Rom rückt nach rechts | |
> Für Italiens rechtspopulistische Parteien stehen die Chancen bei | |
> Neuwahlen gut. Europa muss sich auf schwierige Zeiten gefasst machen. | |
Bild: Matteo Salvini (l) und Giorgia Meloni (Mitte) wetteifern in Rassismus und… | |
[1][Gestrauchelt war Italiens Ministerpräsident Mario Draghi] in der | |
letzten Woche über seinen Konflikt mit den ihn bisher stützenden Fünf | |
Sternen – gestürzt aber ist er vor allem dank der italienischen Rechten, | |
dank [2][Matteo Salvinis Lega] und Silvio Berlusconis Forza Italia, die | |
ebenfalls zu seiner Koalition der nationalen Einheit gehörten. Draghi gab | |
am Donnerstag seinen Rücktritt bekannt. | |
Beide versuchten, dem Premierminister fürs Weitermachen Konditionen zu | |
diktieren, beginnend bei der Zusammensetzung des Kabinetts, die einen | |
kräftigen Rechtsruck bedeutet hätten. Und beide handelten im Wissen, dass | |
der Rechtsblock bei einem Scheitern dieses Versuchs eine valide | |
Auffanglösung parat hat: Neuwahlen, bei denen ihr Lager klar favorisiert | |
ist. | |
Zu diesen Neuwahlen wird es voraussichtlich am 2. Oktober kommen. Dass | |
jetzt gegenüber dem regulären Wahltermin im März 2023 sechs Monate früher | |
gewählt wird, ist für sich genommen kein Drama. Ein Drama allerdings, für | |
Italien und für Europa, ist der zu erwartende Wahlausgang: ein Sieg, | |
womöglich gar ein Kantersieg der klar populistisch dominierten Rechten. | |
Zwei Kräfte geben in ihr den Ton an. Vorne liegt mittlerweile die | |
postfaschistische und stramm nationalistische Kraft Fratelli d’Italia (FdI | |
– Brüder Italiens) unter [3][Giorgia Meloni]. Sie stand immer in Opposition | |
zu Draghi, und sie kommt in den Umfragen auf 22-24%. Salvinis Lega dagegen | |
ist auf nur noch 15% abgestiegen – auch weil viele seiner Wähler*innen | |
die Unterstützung für den Technokraten Draghi nicht goutierten. | |
Salvini und Meloni wetteifern in ihrer Fremdenfeindlichkeit genauso wie in | |
ihrem EU-Bashing, sie rühmen sich ihrer Freundschaften zu Viktor Orbán, | |
Marine Le Pen und Jarosław Kaczinsky. Und sie schicken sich an, nicht | |
irgendein EU-Land zu übernehmen, sondern die drittgrößte Volkswirtschaft – | |
zugleich aber auch die Volkswirtschaft mit den größten Problemen in der EU | |
und der Eurozone. | |
Italiens Staatsverschuldung liegt bei 150%, und jetzt – bei wieder | |
anziehenden Zinsen – wird diese Verschuldung erneut Thema auf den | |
„Märkten“, die noch kritischer hinschauen werden, wie das Land seiner | |
Schwierigkeiten Herr werden will, ob es in der Lage und überhaupt bereit | |
ist, seine Reformagenda umzusetzen. Natürlich war Draghi nicht die Lösung | |
des Problems – doch er galt als Bürge für eine Politik, die auf Stabilität | |
auch in instabilen Zeiten zielte. | |
Gleiches lässt sich für Meloni, lässt sich für Salvini nie und nimmer | |
behaupten: Einmal an die Regierung gelangt, hätten sie das Zeug dazu, große | |
Sprengkraft für die EU, für den Euro zu entfalten. Stramm | |
rechtspopulistische Regierungen kannten wir bisher nur aus Osteuropa, aus | |
Polen oder Ungarn. Wir sollten uns mit dem Gedanken vertraut machen, dass | |
eine solche Regierung jetzt auch in Italien droht. | |
21 Jul 2022 | |
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## AUTOREN | |
Michael Braun | |
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