| # taz.de -- Leitzinserhöhung um 0,5 Prozentpunkte: Die heikle Mission der EZB | |
| > Die außergewöhnlich hohe Inflation sorgt die Währungshüter. Sie heben die | |
| > Zinsen im Euroraum um 0,5 Prozentpunkte an. | |
| Bild: EZB-Chefin Christine Lagarde am Donnerstag in Frankfurt | |
| Berlin taz | Politikwechsel nach elf Jahren: Die Europäische Zentralbank | |
| erhöht nächste Woche die Zinsen, erklärte EZB-Präsidentin Christine Lagarde | |
| am Donnerstag. Mit der Anhebung um 0,5 Prozentpunkte reagiert die | |
| Notenbank, die die gemeinsame Währung Euro herausgibt, auf die [1][hohe | |
| Inflation im Euroraum]. Diese betrug im Juni 8,6 Prozent. | |
| Ursprünglich hatte das Leitungsgremium nur eine Erhöhung um 0,25 | |
| Prozentpunkte angepeilt. Man sei jedoch „zu der Einschätzung gelangt, dass | |
| ein größerer erster Schritt angemessen ist“, hieß es. Schließlich liegt d… | |
| Inflationsrate weit über den 2 Prozent jährlich, die für akzeptabel | |
| gehalten werden. Der Sprung von 0,5 Prozentpunkten gilt nun jeweils für die | |
| drei Zinssätze der Zentralbank. Der Tarif, zu dem sich Geschäftsbanken | |
| mittelfristig Geld leihen können, steigt von 0 auf 0,5 Prozent. Weitere | |
| Anhebungen könnten bald folgen, kündigte Lagarde gleich mit an. | |
| Außerdem beschloss der EZB-Rat ein neues Programm, um die Folgen der | |
| Zinserhöhung für stark verschuldete Euro-Mitglieder wie Italien zu dämpfen. | |
| Im Notfall könnten damit Staatsanleihen gekauft werden. Dies würde | |
| verhindern, [2][dass die Verschuldungskosten für manche Länder zu sehr | |
| steigen]. | |
| Private Sparer:innen dürfen nun hoffen, dass auch sie bald nominale | |
| Zinsen zum Beispiel für Guthaben auf ihren Spar- und Festgeldkonten | |
| erhalten. Im Zuge dessen werden auch Lebensversicherungen und andere | |
| private Rentenverträge wohl wieder etwas mehr Rendite abwerfen. Das muss | |
| aber nicht bedeuten, dass der bisherige Wertverlust von Guthaben zum | |
| Stillstand kommt. Wenn die Inflation höher ist als der nominale Zins, kann | |
| die reale Verzinsung trotzdem negativ ausfallen, allerdings nicht mehr so | |
| stark wie vorher. | |
| ## Kredite werden teurer | |
| Mit der Zinserhöhung werden auch die Kreditzinsen wachsen, die | |
| Bürger:innen zahlen müssen, wenn sie sich Geld bei Banken leihen. Das | |
| heißt: Baukredite werden teurer, Einfamilienhäuser und Eigentumswohnungen | |
| unter dem Strich möglicherweise ebenso. | |
| Außenwirtschaftlich betrachtet dürfte die Zinserhöhung den Kurs des Euro | |
| gegenüber anderen Währungen, vor allem dem US-Dollar, unterstützen. Importe | |
| nach Deutschland könnten deshalb relativ etwas billiger werden. | |
| Andererseits steigen die Preise hiesiger Exportgüter für ausländische | |
| Käufer:innen, was die Geschäfte der einheimischen Firmen leicht | |
| beeinträchtigen mag. | |
| [3][Wobei die Mission der EZB augenblicklich heikel ist]. Einerseits muss | |
| sie etwas gegen den Preisauftrieb unternehmen. Ihre Aufgabe besteht | |
| schließlich im Wesentlichen darin, die Geldwertstabilität des Euro zu | |
| sichern, mithin die Kaufkraft der Bürger:innen. Andererseits schwächt sich | |
| gerade die Wirtschaftsdynamik ab, die Wachstumsraten gehen zurück. Ursachen | |
| dafür sind Probleme im globalen Handel nach Corona, der Krieg Russlands | |
| gegen die Ukraine, die Sanktionen des Westens und der mögliche Gasboykott | |
| durch Moskau. | |
| ## Erhöhung birgt Gefahren | |
| Eine Rezession, also Schrumpfung der Wirtschaftsleistung, im kommenden Jahr | |
| ist denkbar. In einer solchen Situationen verbieten sich Zinserhöhungen | |
| eigentlich. Sie bremsen die Ökonomie zusätzlich, weil dadurch auch Kredite | |
| für Unternehmen und deren Investitionen teurer werden. Die beiden Ansätze | |
| lassen sich schwer vereinbaren. | |
| Ökonom:innen begrüßten die EZB-Entscheidung überwiegend. Kritik wurde | |
| unter anderem daran geübt, dass sich die Notenbank zu viel Zeit gelassen | |
| habe. „Das ist viel zu wenig und kommt viel zu spät“, bemängelte etwa der | |
| CSU-Europapolitiker Markus Ferber. „Die EZB muss in den kommenden Wochen | |
| einen Zahn zulegen.“ | |
| 21 Jul 2022 | |
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| Hannes Koch | |
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