# taz.de -- Rechtsextremisten unter Fußballfans: Zahl-Tag in Chemnitz | |
> Tausende Fans des Chemnitzer FC recken am Sonntag Kartons mit der Zahl 11 | |
> in die Höhe – als Signal der Solidarität mit Rechtsextremen. | |
Bild: Die 11 im Stadion: Fans zeigen ihre Unterstützung für einen Spieler mit… | |
BERLIN/CHEMNITZ taz | Manchmal sind Zahlen ausdrucksstärker als Worte. Am | |
Sonntagabend reckten unzählige Menschen auf der Südtribüne im Stadion des | |
Chemnitzer FC vor der DFB-Pokal-Partie gegen den Hamburger SV weiße Kartons | |
mit der Ziffer 11 in die Höhe. Eine Zahl, die bis vor acht Tagen der | |
Fußballspieler Daniel Frahn auf seinem Trikot getragen hat. Bis zu dem | |
Zeitpunkt, als sich der Chemnitzer Kapitän und Publikumsliebling gemeinsam | |
mit Anführern der rechtsextremistischen Fanszene eine Partie seiner | |
Mitspieler in Halle vom Gästeblock aus ansah. Wegen einer Verletzung konnte | |
er selbst nicht mitspielen. Weil ihn die Vereinsführung, die über | |
Informationen verfügte, dass er mit den Neonazis auch angereist war, | |
fristlos entließ, solidarisierte sich nun ein großer Teil der CFC-Fans mit | |
Frahn. | |
Ein Bollwerk gegen den Rechtsextremismus will man beim Chemnitzer FC sein. | |
Dazu hat man sich nach den Ereignissen im Sommer 2018, als die ostdeutsche | |
Stadt wegen Hetzjagden auf Ausländer zum bundesweiten Gesprächsthema wurde, | |
im Gesellschaftervertrag des Vereins verpflichtet. Das Wissen, dass die | |
Fangruppierung „Kaotic Chemnitz“ damals den rechten Aufmarsch in der Stadt | |
initiiert hatte, der den Verfolgungsjagden vorausging, mag das | |
Verantwortungsgefühl im Verein gestärkt haben. | |
Diese Ziffernwand auf der Südtribüne am Sonntag sah indes eher wie ein | |
Bollwerk des Rechtsextremismus aus. Zumal das Zahlengebilde bei der | |
Verlesung der Mannschaftsaufstellung bei jedem einzelnen Namen mit | |
Sprechchören „Daniel Frahn Fußballgott“ akustisch eindrücklich untermalt | |
wurde. Ganz so einfach ist es allerdings nicht. Man muss beim Chemnitzer FC | |
genauer hinschauen, auch wenn das Bild dadurch keineswegs schöner wird. | |
Denn Daniel Frahn ist auch deshalb zum gefeierten Märtyrer in Chemnitz | |
geworden, weil die Vereinsführung so verhasst ist. Geführt wird der Klub | |
nämlich seit April 2018 vom Düsseldorfer Insolvenzverwalter Klaus Siemon. | |
Ein Westdeutscher, der für die Sanierung des klammen Vereins das | |
Alleinbestimmungsrecht geltend macht und auf die ansonsten verankerten | |
Mitbestimmungsrechte von Vereinsmitgliedern pfeift. Er führt die | |
ausgegliederte Profiabteilung, die Chemnitzer FC Fußball GmbH, sein | |
Gegenspieler ist der gewählte Präsident Andreas Georgi, der mit anderen im | |
Notvorstand sitzt. Georgi selbst hat sich schon explizit für den Kampf | |
gegen Rechtsextremismus im Verein bekannt, zum Fall Frahn allerdings hat er | |
sich bislang nicht geäußert – auch nicht auf schriftliche Nachfrage der taz | |
am Montag. | |
## Fließende Übergänge: Fans, Ultras und NS-Boys | |
Gefährliche Allianzen bilden sich da derzeit in Chemnitz, die durchaus eine | |
gewisse Tradition haben. Dem Aufruf zum Fanmarsch vor dem Pokalspiel am | |
Sonntag, einem Protestzug gegen die Vereinspolitik von Siemon, hatte die | |
Gruppierung „Ultras Chemnitz 99“ gepostet. Eine Vereinigung, aus der 2004 | |
die rechtsextreme Jugendorganisation „NS-Boys“ entstand, von der man sich | |
zwei Jahre später zwar distanzierte, aber weitere zwei Jahre doch eine | |
Linkverbindung im Internet stehen ließ. Teilnehmer dieses Marsches haben | |
nicht nur unseren Redakteur bedroht, sondern auch nach Beobachtung des | |
Bündnis Chemnitz Nazifrei den Hitlergruß gezeigt. | |
Viele treibt weder dies noch die Nähe von Frahn zur rechtsextremen | |
Fanszene um. Am Montag wurde ein offener Brief publik, den ehemalige | |
Spieler und Trainer des Chemnitzer FC an Siemon verfasst haben. Sie | |
schrieben von einer „Eskalation der letzten Tage“, die ihnen Sorge bereite. | |
Gemeint war nicht das Verhalten von Frahn, sondern die Sorge um den | |
„Fortbestand des Vereins“. | |
Insolvenzverwalter Klaus Siemon hat vor einigen Tagen die sogenannte | |
Masseunzulänglichkeit für den Verein beim Amtsgericht Chemnitz angezeigt. | |
Die vorhandenen Mittel, hieß es, würden nicht mehr ausreichen, um sämtliche | |
Kosten und Verbindlichkeiten des Vereins zu decken. Der Deutsche | |
Fußball-Bund ließ wissen, mit der Auflösung der Rechtsfähigkeit des | |
Muttervereins verliere auch die Profiabteilung ihre Zulassung für die | |
kommende Spielzeit. | |
## Ehrung für den rechten Hollogan | |
In dieser zugespitzten Lage scheint die Opposition gegen Siemon auch | |
anschlussfähig für Rechtsextremisten zu sein. Denn Frahn stand nicht | |
lediglich ein Mal neben den falschen Leuten, wie es seine Fürsprecher | |
gerade glauben machen wollen. Im März, als die Fans des Chemnitzer FC schon | |
einmal ein finsteres Bild eines rechtsextremistischen Bollwerks kreierten, | |
gehörte der 32-Jährige zu den Protagonisten. Damals gedachten die Fans mit | |
Unterstützung von Klubmitarbeitern des verstorbenen und bundesweit | |
bekannten Rechtsextremisten und Hooligan Thomas Haller. Und Frahn | |
präsentierte beim Torjubel zu Ehren von Haller ein T-Shirt mit der | |
Aufschrift „Support your local hool“. Angeblich ohne zu wissen, dass dieser | |
Stoff in der rechtsextremistischen Szene populär sei. | |
Frahn selbst hat, wie Geschäftsführer Thomas Sobotzik durchblicken ließ, | |
beim Abschlussgespräch auf der Geschäftsstelle seine Nähe zu seinen rechten | |
Freunden gar nicht erst abgestritten, sondern zur Privatsache erklärt. Und | |
viele seiner Fans folgen ihm in dieser Ansicht. Diese Treue zu Frahn liegt | |
natürlich auch darin begründet, dass ohne die 24 Tore des Stürmers | |
vergangene Saison der Aufstieg in die Dritte Liga wohl kaum gelungen wäre. | |
Sobotzik, der als Gehilfe von Siemon wahrgenommen wird, sieht sich nun | |
massiven Anfeindungen ausgesetzt. Er staunte letzte Woche, wie viele | |
Menschen plötzlich seine Telefonnummer hatten und ihm via WhatsApp | |
Drohungen zukommen ließen. Als Frahn in Halle im Gästeblock stand, wurde | |
Klaus Siemon von den CFC-Anhängern auf einem Plakat im Fadenkreuz gezeigt. | |
Es scheint kaum noch Eskalationsgrenzen in Chemnitz zu geben. | |
Zu den Solidaritätsbekundungen mit Frahn im Chemnitzer Stadion sowie den | |
massiven Drohungen gegenüber dem taz-Redakteur erklärte Steffen Wunderlich, | |
der Pressesprecher des Vereins, am Montag: „Der konkrete Fall und der | |
Spieltag beweisen aber, dass wir weiterhin viel Arbeit vor uns haben. Der | |
Chemnitzer FC ruht sich nicht aus und wird den Kampf gegen Gewalt, | |
Intoleranz und insbesondere gegen politisch motivierte Taten weiter | |
forciert angehen.“ | |
Solange sich die Opposition im Verein zum Insolvenzverwalter Siemon sich | |
nicht ebenso konsequent von Rechtsextremisten distanziert, könnte das eine | |
Sisyphus-Arbeit werden. Nächsten Montag, am 19. August, wäre Gelegenheit | |
dazu. Dann findet nämlich eine Mitgliederversammlung des Chemnitzer FC | |
statt, die der Insolvenzverwalter Klaus Siemon verhindern wollte. Es wäre | |
ein guter Zeitpunkt, um sich wenigstens im Kampf gegen Rechtsextremismus | |
vereint zu zeigen und auf solch finstere Koalitionspartner zu verzichten. | |
Wie dringlich dieses klare Bekenntnis ist, zeigen nicht erst die Vorfälle | |
von diesem Sonntag. | |
12 Aug 2019 | |
## AUTOREN | |
Johannes Kopp | |
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