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# taz.de -- Preisgekrönter Chemnitzer Fußballklub: Links, aber für alle
> Athletic Sonnenberg versteht sich als sozialer Antidiskriminierungsverein
> in Chemnitz. Vom DFB erhält der Klub den Julius-Hirsch-Preis.
Bild: Die klare Haltung von Athletic Sonnenberg hat dem Amateurklub eine aktive…
Chemnitz taz | „Avanti Athletic!“ Schon aus der Ferne hört man die
lautstarken Rufe, die aus dem Stadion des Chemnitzer Polizeisportvereins
dringen. Hier darf [1][Athletic Sonnenberg] einstweilen seine Heimspiele
austragen. Neben der Auswechselbank von Athletic hat sich eine stattliche
Fangruppe postiert, die mit Bannern, Schals und Fahnen bestens ausgerüstet
ist.
Eine ungewöhnliche Unterstützung für einen so jungen Verein, der nach
seiner Gründung im Jahr 2020 in den ersten zwei Jahren zwar bereits zwei
Aufstiege geschafft hat, aber eben immer noch in der drittniedrigsten
Amateurliga spielt. „Am Anfang waren nur Freunde und Familie da“, erzählt
Mustafa Mohamadi, ein Mitbegründer des Vereins. „Irgendwann ist aus dem
Nichts diese Fangruppe gekommen. Sie haben sich selbstständig gebildet und
organisiert.“ Athletic hat mittlerweile sogar einen Fanbeauftragten.
Zufall ist diese Zuneigung natürlich nicht. Der Verein bietet etwas, was es
in der Stadt in dieser Form davor nicht gab. Bei Athletic Sonnenberg wird
Haltung gezeigt. Und diese liegt quer zu der Vorstellung, die viele von der
Stadt und dem Fußball hier haben.
Im Jahr 2019 wurden nach dem Tod eines Chemnitzers auf einem Stadtfest bei
einer von rechtsradikalen Fans des Chemnitzer FC initiierten Demonstration
[2][Ausländer durch die Stadt gejagt]. In Sichtweite der Heimspielstätte
von Athletic Sonnenberg steht die Arena des Regionalligisten Chemnitzer FC,
wo gleichfalls 2019 einem verstorbenen stadtbekannten Nazi [3][mit einer
Trauerzeremonie gehuldigt wurde].
## Preis für das Engagement
Unabhängig von Hautfarbe, Religion, politischen Ansichten oder sexuellen
Orientierungen sei bei Athletic Sonnenberg jeder willkommen, sagt Cornelius
Huster, Vorstandsvorsitzender des Vereins. Athletic verstehe sich als
sozialer Antidiskriminierungsverein. Eine besondere Würdigung erfährt der
Klub für seine Arbeit am 13. November in Berlin. Der DFB verleiht dem Klub
für sein zivilgesellschaftliches Engagement gemeinsam mit dem Chemnitzer
Verein ASA-FF den Julius-Hirsch-Preis.
Viele der Fans hier im Stadion des Polizeisportvereins, sagt Huster, seien
aus Sonnenberg und froh, dass es nun einen Verein mit klaren Werten gibt,
den sie supporten könnten. „Einige sind früher noch zum CFC gegangen. Jetzt
sehen sie wieder einen Grund, zu Fußballspielen zu gehen.“
Ausländer und Nazis, Armut und Kriminalität, das sind die Antworten, die
man bekommt, wenn man fragt, weshalb Sonnenberg als Problembezirk gilt.
Athletic will in Sonnenberg nicht als weitere Blase, als „Bubble-Verein“
wahrgenommen werden. „Wir wissen“, sagt Huster, „dass bei uns auch Kinder
spielen, deren Eltern vielleicht eher die Tendenz haben, AfD zu wählen,
wenn sie überhaupt wählen. Und die möchten wir nicht ausschließen.“ Man
wolle versuchen, Menschen wegen ihrer Vorurteile nicht sofort abzulehnen,
sondern diese aufzuarbeiten.
Einfach ist es allerdings nicht, sich in dem polarisierten Umfeld vor
Stigmatisierungen zu schützen. Athletic Sonnenberg ist für die einen ein
stabiler linker Verein, für die anderen ein Scheiß-Zecken-Klub. „Es ist
schon so, dass wir manchmal gegen Mannschaften spielen, bei denen der Ton
uns gegenüber deutlich härter wird“, erzählt Vorstandsmitglied Jonas
Georgi. So wurde er beim Spiel eine Woche zuvor von der gegnerischen Seite
als „Gaylord mit einer Schwuchtelbinde“ beleidigt. Auch die Fans wurden
schon angegangen und bespuckt.
## Zeichen setzen gegen Nazis
Gegen den heutigen Gastverein hat es in der vergangenen Saison ebenfalls
Probleme gegeben. Allerdings geht es nun gegen die BSC Rapid Chemnitz 2,
die Saison davor hätte man sich noch mit dem dritten Team des Vereins
auseinandersetzen müssen. Das für den Vatertag angesetzte Spiel wurde
allerdings abgesagt. Im Vorfeld der Partie hatte der Fanklub von Athletic
Sonnenberg via Instagram um breite Unterstützung bei der eigenen
Anhängerschaft geworben: „Das Spiel gegen Rapid ist uns besonders wichtig,
da hier Rechte auf dem Feld sowie in den Fanrängen stehen.“ Denn: „Fußball
für alle heißt Nazis raus.“
Auf Seiten vom BSC Rapid Chemnitz 3 war man erbost über diesen Post. Im
digitalen Raum deutete sich an, dass es zu einer realen Eskalation am
Spieltag kommen könnte. Bei Athletic bestand die Sorge, Verbindungen zum
rechtsextremen Anhang des Chemnitzer FC könnten aktiviert werden. Dem
Kreisverband Fußball Chemnitz wurde die Geschichte offenbar ebenfalls zu
heiß. Die Partie wurde zunächst verschoben und dann abgesagt.
Beim Aufeinandertreffen mit der zweiten Mannschaft des BSC Rapid Chemnitz
bleibt es auf den Rängen friedlich und auf dem Rasen sind die Unterschiede
eh zu groß für Reibereien. Athletic Sonnenberg geht bereits mit einem
beruhigenden 2:0-Vorsprung in die Halbzeitpause. Aus den Boxen dröhnen
Technobeats. Das Publikum ist auffällig jung. Neben dem Würstchenverkäufer
gibt es einen Mechandise-Stand. Shirts und Sticker werden verkauft sowie
Pullis mit der Aufschrift „Be Avanti, Be Social“.
Indem er die Bedeutung von sozialem Handeln herausstellt, will der Klub
Brücken schlagen. „Wir haben damit angefangen, mit Kitas zusammenzuarbeiten
und Sportfeste zu organisieren“, zählt Cornelius Huster. „Wir haben dadurch
gemerkt, dass es viele Kids gibt mit Potenzial, und die versuchen wir
abzuholen.“
Viele auf dem Sonnenberg leben in Armut. Huster sagt: „Die Eltern haben
sich um tausend andere Sachen zu kümmern. Wir wollten schon immer in diesem
Stadtteil was bewegen, haben auch bei Kulturveranstaltungen mit unserem
eigenen Stand teilgenommen und versucht, die Leute aus dem Viertel zu uns
zu ziehen.“
Beim Abpfiff gegen den BSC Rapid Chemnitz steht es 3:0 für Athletic. Deren
Spieler klatschen sich ab und gehen zusammen zu ihren Fans, um zu feiern.
10 Nov 2023
## LINKS
[1] https://athleticsonnenberg.de/
[2] /Debatte-um-Gewalt-in-Chemnitz/!5621376
[3] /Nach-Trauerfeier-um-Neonazi/!5576521
## AUTOREN
Oğulcan Korkmaz
## TAGS
Fußball
Amateurfußball
Chemnitz
Antidiskriminierung
Deutscher Fußballbund (DFB)
Schwerpunkt AfD
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Schwerpunkt Rechter Terror
Rechtsextremismus
Hooligans
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