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# taz.de -- DFB-Auszeichnung für Fans und Vereine: Gepriesen und gefährdet
> Bei der Vergabe des Julius-Hirsch-Preises fällt auf, unter welch
> schwierigen Bedingungen zivilgesellschaftlich Engagierte gerade arbeiten.
Bild: Klare Botschaft gegen Nazis in der Kurve: Eine Fangruppierung des Karlsru…
Es ist ein besonderer Ort, an dem in diesem Jahr der Julius-Hirsch-Preis
des Deutschen Fußball-Bundes verliehen wurde. Im Gemeindezentrum der
Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern fand die Zeremonie
für den Preis statt, für den sich Projekte bewerben können, die „sich mit
den Mitteln des Fußballs für Demokratie und Menschenwürde sowie gegen
Antisemitismus, Rassismus und jede Form der Diskriminierung“, wie es in der
Ausschreibung heißt, einsetzen.
[1][Hausherrin Charlotte Knobloch], die Präsidentin der Israelitischen
Kultusgemeinde in München, erinnerte in ihrem Grußwort die Gäste daran, wie
der frühere DFB-Präsident Theo Zwanziger vor 20 Jahren mit der Idee für den
Preis auf sie zugekommen sei. Es ist also noch gar nicht so lange her, dass
der DFB aus seiner Mitgliedermacht und der Popularität des Fußballs auch
gesellschaftliche Verantwortung ableitet.
Charlotte Knobloch ist von Anfang Mitglied der Jury. Zu der Jury gehört
auch Julia Hirsch, die Urenkelin von Julius Hirsch. An dessen Schicksal
wird mit der Preisverleihung erinnert. Der Nationalspieler aus Karlsruhe,
der zwei Mal den deutschen Meistertitel gewonnen, später für sein
Heimatland im Ersten Weltkrieg gekämpft hat, wurde 1943 in Auschwitz
ermordet, weil er Jude war. An sein Leben zu erinnern, ist Teil der Arbeit
von „Blau-Weiß statt Braun“, eines Vereins aus der Fanszene des Karlsruher
SC, der sich vor 25 Jahren gegründet hat. Ihr geliebter Klub war damals
aus den Bundesliga abgestiegen und eine Nazi-Kameradschaft machte sich
daran, die Kurve zu dominieren.
Mit Erinnerungsarbeit und Demokratieaufklärung wollte ein Haufen Engagierte
dagegen anarbeiten. Heute gestaltet „Blau-Weiß statt Braun“ in
Zusammenarbeit mit dem Fanprojekt und dem Klub unter anderem
Veranstaltungen zum Erinnerungstag im Deutschen Fußball, der rund um den
Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslager Auschwitz am 27. Januar
unter dem Motto „Nie wieder!“ stattfindet. Er ist zu einem anerkannten
Werkzeug in der Demokratiearbeit mit Fans geworden.
## Konflikt in Karlsruhe
Natürlich war die Freude der Ausgezeichneten groß, doch der
Vereinsvorsitzende Stefan Stoll nutzte den Abend der Preisverleihung, um
noch einen Wunsch an den DFB zu richten. Der Verband möge sich doch bitte
für ein Zeugnisverweigerungsrecht für Mitarbeitende von Fanprojekten
einsetzen.
Der Applaus im Saal machte deutlich, dass viele der geladenen Gäste, von
denen etliche aus der Fanarbeit kamen, genau wissen, worauf Stoll
anspielte. Es geht um einen Fall, in dessen Folge [2][die
Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren] wegen des Verdachts der
Strafvereitelung gegen Mitarbeitende des Fanprojekts Karlsruhe eingeleitet
hat. Das Fanprojekt hatte nach einer Pyroshow von Ultragruppierungen, bei
dem es zu Verletzungen Unbeteiligter gekommen war, ein Gespräch zwischen
Zündlern und Opfern organisiert.
Als die ermittelnde Polizei davon erfuhr, sollten die Mitarbeitenden des
Fanprojekts als Zeugen aussagen. Deren Arbeit aber lebt vom Vertrauen, das
ihnen die Fans entgegenbringen. Sie verweigerten jede Aussage und wurden
selbst Ziel von Ermittlungen.
Nicht nur Stefan Stoll, auch die beiden anderen Preisträger verbinden mit
der Auszeichnung die Hoffnung auf mehr Öffentlichkeit für ihre Anliegen.
Jörg Michael, der 2. Vorsitzende des FC Hertha Bonn, der für sein
integratives Wirken ausgezeichnet wurde, meinte am Sonntagabend, er würde
sich freuen, wenn sich mehr Vereine für die Arbeit seines Klubs
interessieren würden. Bislang jedenfalls habe es noch nicht allzu viele
Rückmeldungen auf den Leitfaden für das Fußballtraining mit Geflüchteten
gegeben, das der Klub ausgearbeitet und auf seinen Kanälen im Netz
verbreitet hat.
Und die Initiative für mehr gesellschaftliche Verantwortung im Breitensport
Fußball aus Leipzig, Träger des Hauptpreises, wies darauf hin, dass ihre
Arbeit massiv gefährdet ist. Die vier hauptamtlichen Mitarbeiter des
Projekts, das Workshops zu den Themen Vielfalt, Gleichberechtigung oder
Teilhabe für interessierte Vereine durchführt, werden bislang aus
Fördermitteln des Programms „Weltoffenes Sachsen“ finanziert. Zum
Jahresende läuft die Förderung aus. Neue Projektzusagen wird es – wenn
überhaupt – vor einer Regierungsneubildung im Land nicht geben.
Es ist ein Problem, mit dem viele [3][zivilgesellschaftliche Projekte] in
Sachsen zu kämpfen haben. Die 7.000 Euro Preisgeld vom DFB können die
Förderung nicht ersetzen. Ob es Spenden richten können? Ein Mitarbeiter der
Initiative trommelte jedenfalls nach dem Ende des offiziellen Teils der
Preisverleihung wacker bei den versammelten Gästen für seine Initiative.
14 Oct 2024
## LINKS
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[2] /Prozess-um-Pyrotechnik-mit-Verletzten/!5935381
[3] /Nach-den-Wahlen-in-Thueringen-und-Sachsen/!6031063
## AUTOREN
Andreas Rüttenauer
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Deutscher Fußballbund (DFB)
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