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# taz.de -- Rechtsextremer Kampfsport: Trainieren für den Umsturz
> Rechtsextremer Kampfsport breitet sich immer selbstbewusster aus. Die
> Bundesregierung befürchtet Angriffe auf Linke und die Polizei.
Bild: April 2019: Razzia, auch gegen rechtsextreme Kampfsportler, in und um Cot…
BERLIN taz | Es war Ende März, da trafen sich rechtsextreme Kampfsportler
im Ruhrgebiet. Man habe ein Selbstverteidigungsseminar abgehalten, zum
ersten Mal, verkündigten die Veranstalter, der „Kampf der Nibelungen“, im
Anschluss. „Es war wirklich eine klasse Veranstaltung.“ Demnächst würden
weitere folgen, auch in anderen Bundesländern.
Mal wieder also scheint es gut gelaufen zu sein für die Neonazi-Kämpfer.
Schon zuletzt feierte die rechtsextreme Kampfsportszene Erfolge: Zu
Turnieren von „Kampf der Nibelungen“ oder „Tiwaz“ kommen inzwischen
hunderte Neonazis. Zuletzt, [1][im sächsischen Ostritz, feuerten rund 700
Rechtsextreme] Gleichgesinnte an, die sich im Ring prügelten. Und die
Behörden konnten nur zuschauen.
Aus ihrer Haltung machen die Kampfsportler keinen Hehl: Man verstehe sich
„nicht als Teil eines faulenden politischen Systems“, erklären die
„Nibelungen“-Organisatoren. Es gehe darum, dem „System der Versager, der
Heuchler und der Schwächlinge den Rücken zu kehren“.
Die Bundesregierung blickt inzwischen mit Sorge auf die Szene. Insbesondere
in den vergangenen zwei Jahren habe sich der Trend zu Kampfsport „zunehmend
verstärkt“, heißt es in einer aktuellen Antwort auf eine Grünen-Anfrage,
die der taz vorliegt. Verfolgt werde eine „explizite Strategie, Kampfsport
politisch zu nutzen“ – unter den Aspekten der Wehrhaftigkeit und des
angeblichen Schutzes von Familie und Heimat. Damit sei es gelungen, eine
„weitere ‚rechte‘ Erlebniswelt“ zu schaffen, vergleichbar mit großen
Rechtsrockkonzerten, warnt die Regierung.
## „Auseinandersetzungen mit dem politischen Gegner“
Die rechtsextreme Szene verschafft sich damit neuen Zulauf. Ein „nicht
unerheblicher Teil der Teilnehmer“ 2018 sei bisher nicht als
rechtsextremistisch bekannt gewesen, konstatiert das zuständige
Bundesinnenministerium. Vor allem junge, rechtsaffine Männer unter 25
Jahren würden angezogen. Auch das NRW-Innenministerium spricht von einer
„Attraktivität der Szene für hypermaskuline Zielgruppen“, insbesondere
Rocker und Hooligans. Die Veranstaltungen würden „immer offener beworben
und professioneller durchgeführt“.
Das Bundesinnenministerium konstatiert hier bereits Folgen. Die
Kampfsport-Besucher stünden zumindest „anlassbezogen als
Mobilisierungspotential für rechtsextremistische Demonstrationen zur
Verfügung“. Auch sei zu befürchten, dass „die Professionalisierung von
Rechtsextremisten im Kampfsport für Auseinandersetzungen auf der Straße mit
dem politischen Gegner oder der Polizei genutzt wird“.
Auch das „Selbstverteidigungsseminar“ in Nordrhein-Westfalen ordnet das
Ministerium entsprechend ein. Dass dieses schon im Vorfeld offen
angekündigt wurde, [2][zeuge vom „zunehmenden Selbstbewusstsein“ der
Kampfsport-Organisatoren] – auch weil diese bisher „kaum Einschränkungen
bei der Durchführung ihrer Veranstaltungen erfahren haben“.
Tatsächlich finden die Behörden keinen Weg gegen die rechten
Kampfsportevents. Bisher, so schreibt es auch die Bundesregierung, hätten
die Veranstalter stets „sämtliche Auflagen“ eingehalten. Auch das
Innenministerium NRW räumt ein, dass die Organisatoren inzwischen „viel
Kompetenz erlangt“ hätten und den Behörden so „kaum Angriffspunkte lassen,
die Veranstaltungen zu unterbinden“.
Polizei und Verfassungsschutz schauen inzwischen aber genauer hin: Allein
26 Mal beschäftigte sich das gemeinsame Extremismus- und
Terrorismusabwehrzentrum in den vergangenen zwei Jahren mit der
rechtsextremen Kampfsportszene. Zudem führte die Polizei gerade erst eine
[3][Großrazzia durch, mit Fokus auf das brandenburgische Cottbus]: 29
Rechtsextremen und Hooligans wird hier vorgeworfen, eine kriminelle
Vereinigung gebildet und rund 50 Straftaten begangen zu haben, darunter
Körperverletzungen oder Verstöße gegen das Waffengesetz. Die Ermittler
fanden bei den Durchsuchungen Messer, Schlagstöcke oder Elektroschocker.
Unter den Beschuldigten mit dabei: rechtsextreme Kampfsportler.
## Trainieren für den Umsturz
Die Grünen-Innenexpertin Monika Lazar spricht von einer „brandgefährlichen
Entwicklung“. Es gehe hier bei Weitem nicht nur um rechte Erlebniswelten.
„Hier wird für Angriffe auf den politischen Gegner und letztlich für den
politischen Umsturz trainiert.“ Die Behörden hätten hier teils noch
„deutliche Erkenntnisdefizite“.
Die Kampfsportler sind dagegen längst gut organisiert. Schon 2013 wurde das
erste „Nibelungen“-Turnier ausgetragen, anfangs noch konspirativ.
Inzwischen werden die Wettkämpfe öffentlich beworben. Für 2019 suchen die
Veranstalter noch eine Halle, nach eigener Auskunft für nun 1.000 Besucher.
Die zuletzt schon „professionelle Durchführung“ habe „die
rechtsextremistische Szene nachhaltig beeindruckt“, gesteht die
Bundesregierung ein.
Die Organisatoren sind dabei langjährige Neonazis. Die
„Nibelungen“-Wettkämpfe werden von dem Dortmunder Alexander Deptolla
veranstaltet, aktiv auch bei der rechtsextremen Kleinpartei „Die Rechte“.
Zuletzt kam der umtriebige, deutschrussische Hooligan und Kampfsportler
Denis Kapustin dazu. Seit Beginn sind laut Bundesregierung auch die straff
organisierten, rechtsextremen Hammerskins in die Veranstaltungen
eingebunden.
Die nächsten Wettkämpfe sind längst in Planung: Ende Juni wollen
„Nibelungen“-Kämpfer erneut in Ostritz auftreten, im Rahmen des „Schild &
Schwert“-Festivals, veranstaltet von NPD-Mann Thorsten Heise. Dann würden
laut Ankündigung auch in „Teamfights“ mehrere Kämpfer gegeneinander
antreten. Und auch das ebenfalls rechtsextreme „Tiwaz“-Label plant ein
weiteres Turnier: am 6. Juni in „Mitteldeutschland“.
Die Organisatoren sind dabei bis ins Ausland vernetzt. So zeigte sich
„Nibelungen“-Veranstalter Deptolla Anfang April mit einem Kämpfer bei einem
Turnier in Athen. Rechtsextreme aus Tschechien, Russland oder Frankreich
traten wiederum zuletzt bei Kämpfen in Deutschland auf. Und der
Deutschrusse Kapustin ist ohnehin europaweit aktiv.
## Geld für militante Netzwerke?
Grünen-Politikerin Lazar spricht von einem „europaweiten Netzwerk“ der
Kampfsportler, das bis nach Russland reiche. Die Bundesregierung müsse
aufklären, „inwieweit auch russische Behörden in diesem Sumpf aktiv sind“.
Auch müssten die Sicherheitsbehörden den Finanzströmen der Turniere und
ihrer angeschlossenen Modelabels nachgehen. „Werden damit auch militante
Netzwerke im Untergrund finanziert?“, fragt Lazar.
Wohin die Reise gehen könnte, deutete sich zuletzt schon in einem Video der
„Nibelungen“-Crew an: Dort hantierte ein vermummter Kämpfer auch mit
Messern und Äxten.
In Nordrhein-Westfalen will man die Szene im Blick behalten. Die
rechtsextremen Kampfsportler würden „intensiv beobachtet“, insbesondere die
Akteure um den „Kampf der Nibelungen“, versichert der dortige
Verfassungsschutz der taz. Das NRW-Innenministerium erklärte zudem zuletzt,
dass grundsätzlich auch bei rechtsextremen Kampfsportevents Verbote geprüft
würden. Wo ein Verbot nicht möglich sei, sichere die Polizei die
Veranstaltung ab – und schreite „bei Rechtsverstößen konsequent ein“.
17 Apr 2019
## LINKS
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## AUTOREN
Konrad Litschko
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