Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Rechtsextreme Prepper: Schießtraining beim Verbandsbruder
> Rechtsextreme Prepper trainierten auf einer Schießanlage in
> Sachsen-Anhalt – mutmaßlich illegal. Jetzt soll die Anlage wieder
> eröffnen.
Bild: Solarzellen und Reichskriegsflagge: Foto von der Schießanlage in Jüdenb…
Die Schießhalle Jüdenberg liegt ein Stück außerhalb des Ortes am Waldrand.
Von der Bundesstraße in ein Sträßchen abgebogen, über den Bach und schon
erscheinen eine Handvoll langgestreckte Gebäude, Zäune mit Stacheldraht,
Solarzellen auf den Dächern. In der DDR war das hier eine LPG.
Auf einem gelben Schild am Metalltor steht: „Lebensgefahr. Hier wird scharf
geschossen.“
Was nicht zu erkennen ist: Dass auf dem Schießstand Burschenschafter
mutmaßlich illegal mit Waffen trainierten, manche von ihnen offenbar
bereit, für einen Umsturz zu kämpfen wie die Freikorps der 1920er Jahre.
Das geht aus geleakten Chat-Unterhaltungen hervor, die der taz vorliegen.
Aber dafür hat sich bis vergangene Woche niemand interessiert, nicht der
Verfassungsschutz, nicht die Polizei, erst Recht nicht die Waffenbehörde.
## Aufmarsch des Hochadels
Als die Schießhalle im Jahr 1997 eröffnet wurde, gab es einen großen
Aufmarsch. Nicht nur Vertreter*innen von Schützenvereinen waren der
Einladung gefolgt, sondern auch der Hochadel. Prinz Franz Wilhelm von
Preußen kam aus Spanien angereist, Prinzessin Theophana von Sachsen war
dabei und die Eröffnungsrede hielt Eduard Erbprinz von Anhalt, Herzog zu
Sachsen. Sie feierten die Eröffnung einer modernen Schießanlage.
In einem ehemaligen Kälberstall wurden sechs 100-Meter- und sieben
50-Meter-Bahnen gebaut, elektronische Trefferanzeigen inklusive, zum
Schießen mit Groß- und Kleinkaliberwaffen. So berichtete es die
Lokalzeitung. Die Lage sei ideal, betonte Thomas S., zusammen mit seinem
Vater der Betreiber: „Niemand wird vom Lärm belästigt. Es kann rund um die
Uhr geschossen werden.“
Die Lokalzeitung berichtete hin und wieder über Veranstaltungen auf der
Anlage, etwa das traditionelle Dreikönigsschießen eines Schützenvereins.
Von 2001 bis 2009 hat auch die Bundeswehr in der Schießhalle trainiert.
Etwa 30 Tage im Jahr übten nach aktuellen Angaben rund 600 Soldat*innen in
den letzten Nutzungsjahren dort das Schießen. Sie gehörten verschiedenen
Einheiten der Region an, unter anderem dem Sanitätsregiment 32 in
Weißenfels, der Heeresunteroffiziersschule IV in Delitzsch sowie der
Leipziger Dienststelle des Bundeswehrgeheimdienstes MAD.
## Bereit für den „Rassenkrieg“
Und auch das Landeskommando Sachsen-Anhalt schoss hier, die regionale
Einheit der Bundeswehr, der die Männer der „Zuflucht“-Preppergruppe als
Reservisten zugeordnet waren. Ihre Vorbereitung [1][auf einen „Rassenkrieg“
hat die taz am vergangenen Wochenende aufgedeckt].
Die Mitglieder der Gruppe, eine Handvoll Männer und Frauen, tauschten sich
ab September 2015 darüber aus, dass sie sich wegen der steigenden Zahl
Geflüchteter in einem Dorf in Nordsachsen verschanzen und sich im Kampf
verteidigen wollten. Sie beraten, welche Schusswaffen sie sich anschaffen
wollen und was sie damit vorhaben, das geht aus ihren Facebook-Chats
hervor.
Einmal schreibt ein Sozialpädagoge, der auch mal mit „Heil Hitler:-)„
grüßt, über ein Gewehr mit Zielfernrohr: „Für uns Blindgänger erhöht das
Chancen bei nem versuchten Kopfschuss die Kniescheibe zu treffen:-)“. Die
Gruppe trainiert auch mehrfach schießen.
Etwa zur gleichen Zeit, als sich diese Gruppe formiert, ändert sich etwas
in Jüdenberg: Am 18. November 2015 wird der Schießhalle die
Betriebserlaubnis aberkannt. Dieses Datum nennt die zuständige
Waffenbehörde des Landkreises auf Anfrage. Warum das passierte, diese Frage
kann oder will die Behörde nicht beantworten. Die Genehmigung hatte Thomas
S.’ Vater, der bereits im Mai 2014 verstarb.
## Ein harmloser Schweinezüchter
Im Herbst 2015 beginnt also die Zeit, in der die Müchauer Mühle keine
Schießstätte mehr ist, sondern nur noch ein landwirtschaftlicher Betrieb –
zumindest offiziell. Thomas S. führt eine GmbH, die dort ihren Sitz hat.
Laut einer Liste züchtet er dort alte Schweinerassen nach Ökostandard.
Das ist die harmlose Fassade.
Unsere Recherchen ergeben, dass sich bei Thomas S. im Verborgenen
regelmäßig Mitglieder von Burschenschaften treffen, die klare Bezüge ins
rechtsextreme Milieu haben. Wo Thomas S. politisch steht, ist allerdings
bekannt: Das Rechercheportal LSA Rechtsaußen veröffentlichte jüngst ein
Foto der Schießanlage vom September 2018. Zu sehen: die kaiserliche
Reichskriegsflagge im Wind.
Über die völkische Verbindung hat auch ein späterer Mitarbeiter der
AfD-Fraktion im Landtag Sachsen-Anhalts nach Jüdenberg gefunden – und dort
mutmaßlich illegal geschossen: Michael S., ein Mitglied der Preppergruppe.
„Wir haben es gestern bei Vbr. S. richtig krachen lassen!“, schreibt
Michael S. im Gruppenchat am 22. 12. 2015. „Der hat eine herrliche
Schießbahn! Absolut professionell, da sollten wir demnächst mal in unserer
Runde hinfahren…“
## An Höckes Schule
„Vbr.“ steht für „Verbandsbruder“, also ein Burschenschaftler aus dems…
Korporationsverband. Und Thomas S. ist nicht irgendein Burschenschafter, er
ist der Vorsitzende des Altherrenvereins der Halle-Leobener Burschenschaft
Germania, die demselben rechtslastigen Dachverband Deutsche Burschenschaft
angehört wie die Germania Leipzig, aus der sich die Männer der
Preppergruppe kennen.
Zu jener Zeit finden auf S.’ Hofgut regelmäßig Burschenschaftstreffen
statt. Der taz liegt etwa die Einladung zu einer „Wintersonnenwendfeier“ am
21. Dezember 2016 vor, gemeinsam ausgerichtet von der [2][Halle-Leobener
Burschenschaft Germania] und der Leipziger Burschenschaft Germania. Auf dem
Programm: „Schießwettbewerb mit Kurz- und Langwaffen“. Und das zu einem
Zeitpunkt, als die Schießanlage keine Betriebserlaubnis mehr hatte.
Diese Treffen hatten offenbar eine lange Tradition. Laut LSA Rechtsaußen
hat schon Thomas S.’ Vater im Jahr 2000 in der Müchauer Mühle eine
Sonnenwendfeier für Burschenschafter veranstaltet. Der war Arzt und
erklärter Gegner des SED-Regimes, saß für mehrere Jahre im Gefängnis, bis
Mitte der 1970er die gesamte Familie freigekauft wurde und in die
Bundesrepublik zog.
Auch der Sohn studierte Medizin und führte in Hessen eine gynäkologische
Praxis, seine Kinder gingen auf die Schule, an der Björn Höcke Geschichte
unterrichtete. Vor einigen Jahren zog der heute 66-Jährige zurück nach
Sachsen-Anhalt, in den östlichsten Zipfel des Bundeslandes. Für die taz war
er nicht zu erreichen.
## Heimkehrer und Investor
Thomas S. hat deutliche Verbindungen in die rechtsextreme Szene, nicht nur
über die Burschenschaft. Er hat auch Kontakt zu Götz Kubitschek, dem
Vordenker der Neuen Rechten. Auf der Frankfurter Buchmesse 2018 saß er am
Stand von dessen Fake-Verlag Loci, mit dem Kubitschek Kritiker*innen ärgern
wollte.
In den geleakten Chats schrieb ein Burschenschafter im Herbst 2015 über
Kubitschek: „Götz baut übrigens bereits an paramilitärischen Verbänden.“
Dieser dementiert das und weitere Anhaltspunkte konnten dazu nicht gefunden
werden.
Thomas S.’ Vater war bereits direkt nach der Wende nach Sachsen-Anhalt
zurückgekehrt, er investierte in ein Sport- und Freizeitzentrum und eben
auch die Schießhalle Jüdenberg, von 3 Millionen D-Mark war die Rede in der
Lokalzeitung. Der Heimkehrer, der in seine Region investierte – ist deshalb
niemandem aufgefallen, mit welchen Leuten sich die Familie S. umgab?
Auch einem Träger von Einsatzstellen im Freiwilligen Ökologischen Jahr ist
das nicht aufgefallen. Drei Plätze bei der Müchauer Mühle stehen für
2019/2020 auf der Liste, „Unterkunft vorhanden“. Die Aufgaben reichen von
„Pflege der Beete und des Kräutergartens“ bis hin zu „hauswirtschaftlich…
Tätigkeiten“.
## CDU-Mitglied mit Hitlergruß
Der Geschäftsführer des Trägers sagt am Telefon, dass man nach einem
externen Hinweis bereits vergangenen Sommer die Zusammenarbeit gekündigt
und die Freiwilligen abgezogen habe.
Die Bundeswehr hat nach eigenen Angaben keine Erkenntnisse, dass es „in
Zusammenhang mit dieser Schießstätte Vorkommnisse gab, die dem Bereich
Rechtsextremismus oder anderen staatsschutzrelevanten Bereichen zuzuordnen
sind“. Auch das Innenministerium Sachsen-Anhalt teilt auf taz-Anfrage mit,
es seien keine Ermittlungsverfahren mit Bezug zur Schießanlage bekannt.
Inzwischen ist aber etwa Bewegung in die Sache gekommen. Die Reservisten
wurden aufgefordert, Stellung zu den Recherchen zu beziehen. Ein
Waffenbruder von S. muss sich nun vor der CDU rechtfertigen, in der er
Mitglied ist: Er hatte in einer Nachricht mit „Sieg Heil“ gegrüßt.
Zuvor war er aufgefallen, [3][weil er im Verein Uniter Mitglied war]. In
Sachsen prüft laut Mitteldeutscher Zeitung das Landeskriminalamt
Ermittlungsansätze, der Staatsschutz und die Soko Rex sind eingeschaltet.
## Kurz vor der Genehmigung
Recherchen der taz ergeben derweil: Die Schießstätte in Jüdenberg soll nach
einer Renovierung nun wieder eröffnen. Die nötigen Begehungen haben die
zuständigen Beamten bereits durchgeführt.
Im Gesetz sind für die Betreiber von Schießanlagen relativ hohe Hürden
festgehalten. Gibt es Zweifel an der „Zuverlässigkeit“ des Betreibers, darf
dieser keine Schießstätte betreiben.
Zuständig ist dafür die Waffenbehörde, was nach großer Verwaltung klingt,
meist aber bedeutet: wenige Mitarbeitende, die Anträge für Waffenscheine
prüfen, Erlaubnisse zum Munitionskauf ausstellen, die sachgemäße Lagerung
von Schusswaffen kontrollieren. Und eben auch den Betrieb von Schießanlagen
genehmigen.
Einer Bewilligung des Antrags stehe nichts mehr im Wege, sagte ein Sprecher
des Landkreises Wittenberg vergangene Woche, bevor die taz-Recherche
erschienen ist.
## Zur Kenntnis
Auf erneute Nachfrage stellte er nun klar, dass gar nicht Thomas S. den
jetzigen Antrag auf Wiedereröffnung gestellt habe, sondern ein
Schützenverein. Ob Thomas S. im Verein eine Funktion hat, konnte er nicht
sagen. Nach taz-Recherchen will der Verein eine 50-Meter-Bahn der Anlage
zum Schießen nutzen.
Spielen die nun bekannt gewordenen Verbindungen bei der Erteilung der
Erlaubnis eine Rolle? „Die Veröffentlichung haben wir zur Kenntnis
genommen“, sagt der Sprecher des Landkreises.
10 Jun 2020
## LINKS
[1] /taz-Recherche-zu-rechtsextremen-Preppern/!5688563
[2] https://burschenschaft-halle.de/
[3] /Uniter-Mitgliedschaft-von-Robert-Moeritz/!5651040
## AUTOREN
Christina Schmidt
Sebastian Erb
## TAGS
Rechtsextremismus
Waffen
Rechtsradikalismus
Burschenschaft
Prepper
Prepper
Rechtsextremismus
Prepper
Rechtsextremismus
Lesestück Recherche und Reportage
Reservisten
## ARTIKEL ZUM THEMA
taz-Recherche zu rechtsextreme Preppern: Rechte Reserve im Bundestag
Ein Mitglied der „Zuflucht“-Preppergruppe arbeitet für die AfD im
Bundestag. Der Mann hat sich auch in der Partei engagiert.
Reservisten-Präsident zu Rechtsradikalen: „Es darf uns keiner durchhuschen“
Rechtsradikale im Reservistenverband – ein Problem, das Patrick Sensburg
angehen will. Seine 115.000 Mitglieder sollen überprüft werden.
Rechtsextreme Reservisten: Zuflucht im Bundestag
Ein Burschenschafter mit Verbindung zu rechtsextremer Preppergruppe
arbeitet für die AfD-Fraktion. Ein Mitglied wollte dort einen Job.
taz-Recherche über Rechtsextreme: Bestürzung über Prepper-Gruppe
Im Landtag in Sachsen-Anhalt verurteilt Innenminister Holger Stahlknecht
(CDU) eine rechtsextreme Gruppierung von Reservisten.
taz-Recherche zu rechtsextremen Preppern: Zuflucht rechts außen
Sie halfen der Bundeswehr in der Coronakrise. Und fantasierten vom
„Rassenkrieg“.
taz-Recherche zu rechtsextremen Preppern: Vorbereitung auf den „Rassenkrieg“
Geleakte Chatprotokolle zeigen: Bundeswehr-Reservisten bildeten eine
rechtsextreme Preppergruppe. Einer von ihnen diente in einem
Corona-Krisenstab.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.