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# taz.de -- Reaktionen auf Diabys Parlaments-Rückzug: „Wir brauchen Politike…
> Mit Karamba Diaby hört einer der wenigen Schwarzen Abgeordneten auf. Wie
> Kolleg*innen aus der Schwarzen Community reagieren.
Bild: Karamba Diaby am Kunstmuseum Moritzburg in Halle, 2021
Berlin taz | Politiker*innen, Vertreter*innen migrantischer Verbände
und Aktivist*innen aus der Schwarzen Community haben mit Bedauern auf
den angekündigten [1][Rückzug des SPD-Bundestagsabgeordneten Karamba Diaby]
reagiert. Diaby sei eine „historische Person“, sagt die
Grünen-Bundestagsabgeordnete Awet Tesfaiesus der taz. „Gerade jetzt, zu
Zeiten des erstarkenden Rechtsextremismus, brauchen wir Politiker wie ihn,
noch dazu in Sachsen-Anhalt“, sagt Karen Taylor, Sprecherin der
Bundeskonferenz der Migrant*innenorganisationen (BKMO).
Diaby hatte am Dienstag angekündigt, nicht erneut für den Bundestag
kandidieren zu wollen. Künftig wolle er „mehr Zeit für meine Familie,
Freundinnen und Freunde sowie unseren Kleingarten haben“, sich aber
weiterhin in der SPD engagieren.
Diaby hatte immer wieder rassistische Anfeindungen bis hin zu Morddrohungen
erlebt. Das sei nicht der Hauptgrund für seinen Rückzug, sagte Diaby der
taz – „aber es stimmt, so was kann man nicht wegwischen“. Sein Büro in
Halle war mehrfach Ziel von [2][Anschläge]n, er selbst und seine
Mitarbeitenden [3][wurden mit dem Tod bedroht]. Auch im Plenum des
Bundestags wurde er seitens der AfD rassistisch beleidigt.
Im aktuellen Bundestag sitzen mit Awet Tesfaiesus (Grüne) und Armand Zorn
(SPD) nur noch zwei weitere Schwarze Abgeordnete. Dazu kommt noch Harald
Weyel von der AfD. Er ist Sohn eines Schwarzen US-Soldaten und einer weißen
Deutschen, bezeichnet sich selbst nicht als Schwarz.
## Zurecht stolz
Für Tesfaiesus, die 2021 ins Parlament einzog, habe Diaby gezeigt, „dass
der Bundestag ein Ort für Schwarze Menschen sein kann“. „Dadurch entstand
eine neue Normalität“, so Tesfaiesus. „Auch für mich.“ Dass Diaby den
rassistischen Übergriffen, Bedrohungen und Beleidigungen trotzte, nennt
Tesfaiesus „bewundernswert“. Für die nächste Legislaturperiode wünscht s…
sich, „dass unser Bundestag vielfältiger wird“. Dabei gehe es ihr aber
nicht nur um Schwarze Personen, sondern um ein Parlament, dass der
Diversität der deutschen Gesellschaft insgesamt gerecht werde.
Auch Armand Zorn sagt, Diaby habe „als erster in Afrika geborener Schwarzer
Abgeordneter ein Stück weit deutsche Geschichte geschrieben.“ Zorn ist
selbst in Halle an der Saale aufgewachsen, Karamba Diaby sei ein alter
Familienfreund. Zorn betont, man dürfe jetzt nicht nur über die Drohungen
sprechen: Diaby sei zurecht stolz auf das, was er als
Bundestagsabgeordneter geleistet habe, zunächst als Bildungspolitiker,
später dann im Bereich Außen- und Entwicklungspolitik. „Aus dem Senegal
stammend konnte er mit seinem Wissen und seinen Kontakten viel dazu
beitragen, im Globalen Süden das Vertrauen in die Bundesrepublik zu
stärken“, sagt Zorn.
Als Schwarzer Mensch in Deutschland Politik zu machen sei jedoch noch immer
nicht selbstverständlich und gehe mit „zusätzlichen Hürden“ einher, so
Zorn. „Aber Karamba Diaby trägt genauso wie inzwischen Awet Tesfaiesus und
ich und wie die Kolleg*innen auf Landesebene tagtäglich dazu bei, dass
das Normalität wird.“
Argyri Paraschaki-Schauer, Vizevorsitzende des Bundeszuwanderungs- und
Integrationsrats (BZI), sagte der taz: „Diaby ist nicht nur ein Vorbild für
Schwarze Menschen, sondern für alle Personen mit Migrationsgeschichte in
Deutschland.“ Bisher gelinge es aber nur Ausnahmepersonen wie Diaby, in die
oberen Ebenen des politischen Systems zu gelangen. „Politische Teilhabe
bleibt eins der schwierigsten Felder, um Gleichberechtigung zu erlangen.“
Noch etwas macht Paraschaki-Schauer Sorge: Selbst im Bundestag sei es nicht
gelungen, Diaby vor rassistischen Angriffen zu schützen. „Wie sollen unsere
Mitglieder in den Kommunen dem rassistischen Hass trotzen, wo sie keine
Netzwerke und keine starken staatlichen Institutionen im Rücken haben?“
## Nicht nur ein Problem von Betroffenen
BKMO-Sprecherin Taylor hat selbst zwei Legislaturperioden lang in Diabys
Bundestagsbüro gearbeitet. „Für mich war es 2013 krass zu sehen, dass es
einen Schwarzen Abgeordneten im Bundestag gibt“, sagte sie. „Repräsentation
auf dieser Ebene war für mich und viele andere Schwarze Menschen in
Deutschland der Motivator politisch aktiv zu werden.“
In der Kommentierung der Ergebnisse des NSU-Untersuchungsausschusses des
Bundestags habe Diaby als einer der ersten klar Stellung gegen
Täter-Opfer-Umkehr und Racial Profiling Position bezogen und einen
rassismussensiblen Opferschutz eingefordert. „Es ist auch sein Verdienst,
das Thema Rassismus als Menschenrechtsthema und gesamtgesellschaftliches
Problem zu platzieren statt nur als Problem von Betroffenen“, so Taylor.
Zudem sei Diaby für viele Schwarze Organisationen der erste direkte Draht
in den Bundestag gewesen. Viele Organisationen seien 2013 strukturell noch
nicht sehr gut aufgestellt gewesen. „Karamba Diaby hat Schwarze Menschen
und ihre Organisationen als Akteurinnen ernst genommen“, sagt Taylor. „Er
hat institutionelles Wissen mit ihnen geteilt, was den Zugang zu
politischen Entscheidungsprozessen erleichtert hat.“
Gleichzeitig sehe sie, was es bedeute, als BPoC Politik zu machen. „Es
braucht sehr viel Resilienz, um sich von den vielen Anfeindungen nicht
beirren zu lassen“, sagt Taylor. „Noch dazu, wenn es mitunter selbst in den
eigenen Reihen schwierig ist, Unterstützer*innen für
rassismuskritische Themen zu finden, und weil man viel Energie darauf
verwendet, sich immer wieder zu erklären und zu rechtfertigen.“
## Eine Erfolgsgeschichte
Ähnlich sieht es Daniel Gyamerah, Vorsitzender der Empowerment-Organisation
Each One Teach One (EOTO) und Direktor des Zentrums für Data-driven
Empowerment, Leadership und Advocacy: „Karamba hat eine unglaublich
wichtige Rolle gehabt, um Türen zu öffnen und institutionelles Wissen zu
teilen, das vielen nicht zugänglich ist“, sagte er. „Wie funktionieren der
Bundestag und die Ministerien, wann und wo hat man die Möglichkeit, gehört
zu werden?“
Erfolgsgeschichten zu erzählen sei wichtig, „weil das viele auch motiviert
selbst aktiv zu werden“, so Gyamerah. Repräsentation allein reiche aber
nicht aus: „Diese neuen, vielfältigen und vor allem kritischen Perspektiven
müssen sich auch im Programm der Parteien widerspiegeln und dürfen nicht
als Feigenblatt dienen, während rechte Narrative übernommen werden“, sagt
Gyamerah. „Es ist an der SPD, sicherzustellen, dass bei der nächsten Wahl
viele Karambas auf den vorderen Listenplätzen landen, Politik gestalten und
neue Türen öffnen.“
Offizielle Zahlen zu Abgeordneten mit Migrationshintergrund gibt es nicht.
Laut einer [4][Auswertung des Mediendienst Integration] liegt ihr Anteil im
Bundestag bei rund zehn Prozent. In den Landtagen sind es teils deutlich
mehr, teils aber auch viel weniger: In Berlin, Hamburg und Bremen sind es
rund 20 Prozent, in den Ostbundesländern sind es dagegen jeweils nur rund
ein Prozent.
Wirklich repräsentativ sind die Parlamente damit nirgendwo: In der
deutschen Bevölkerung hatte 2023 etwa jede dritte Person einen
Migrationshintergrund. Kriterium für die Einordnung ist dabei, dass eine
Person entweder selbst nicht durch Geburt die deutsche Staatsbürgerschaft
besitzt, oder das auf mindestens ein Elternteil zutrifft.
4 Jul 2024
## LINKS
[1] /SPD-Bundestagsabgeordneter-aus-Halle/!6018090
[2] /Schwarzer-SPD-Politiker-aus-Halle/!5932411
[3] /Nach-Schuessen-aufs-Buero/!5659205
[4] https://mediendienst-integration.de/artikel/wie-viele-abgeordnete-haben-mig…
## AUTOREN
Frederik Eikmanns
Dinah Riese
## TAGS
Schwerpunkt Rassismus
Karamba Diaby
Schwarze Deutsche
Migranten
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