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# taz.de -- Räumung des Dannenröder Forsts: Bis Danni!
> Die letzten Bäume im Dannenröder Forst werden in diesen Tagen gerodet.
> Aus dem Streit um die A49 können besonders die Grünen was lernen.
Bild: Schnee, der auf Bagger fällt: Polizeigroßeinsatz im Danni Anfang Dezemb…
Eine weiße Kristallschicht hat sich über die Gräser und Äcker gelegt, die
Temperaturen erreichen in Dannenrod, Mittelhessen, kaum noch Plusgrade. Der
Waldboden ist hart gefroren und an den gerodeten Baumstämmen bilden sich
Eiszapfen. Es ist die vierte Woche [1][der Räumung des Dannenröder Waldes]
und die Tage der Besetzung sind gezählt.
Wo 13 Baumhausdörfer mit je rund zehn gut befestigten Häusern in einer
Reihe in den Wald gebaut worden waren, frisst sich nun eine breite Schneise
von zwei Seiten in den Forst. Nur an einer Stelle berührt sie sich noch
nicht: Da, wo die letzten beiden Barrios stehen, die Besetzer*innen nennen
sie „Oben“ und „Unterwex“. In der kommenden Woche werden auch sie unter…
Schotterschicht des letzten Teilabschnitts der Autobahn A49 begraben
werden.
[2][Dass sie den Wald nicht mehr retten können], mussten die Besetzer*innen
sich im Laufe der vergangenen Tage eingestehen. Trotzdem geben sie noch
nicht auf. „Wenn der Wald geräumt ist, steht hier immer noch keine
Autobahn“, so ihr Credo. Über soziale Netzwerke mobilisieren die
Aktivist*innen sogar noch für eine Aktionswoche, die am Samstag beginnen
soll. Ende Gelände hat Busse gechartert, die am Freitag aus verschiedenen
Städten nach Hessen fahren.
Der Aktionstag soll dieses Mal größer werden als zwei Wochen zuvor. Der
letzte Kampf, obgleich er schon verloren ist, könnte mehr Leute
mobilisieren als in den vergangenen Wochen, so die Hoffnung. „Bis
Weihnachten etwa können wir die Mobilisierung noch hoch halten“, schätzt
Lola, eine Sprecherin der Besetzer*innen. „Danach brauchen viele auch mal
eine Pause.“
## Comeback der Klimabewegung
Eine Pause – vor was? Ab der kommenden Woche gibt es hier keine Bäume mehr
zu retten. Alle Appelle an die Grünen, alle Androhungen von
Wahlniederlagen, sind im Wald verhallt. Der letzte Tropfen Hoffnung, die
Pandemie könne die Räumung noch stoppen, weil der Polizeigroßeinsatz nicht
zu verantworten sei, ist versiegt.
„Natürlich wird es weitergehen, die Wut auf das, was hier passiert ist,
muss ja irgendwo hin“, sagt Charly Linde, eine andere Sprecherin der
Besetzer*innen. [3][Die Klimabewegung sei durch die Coronakrise geschwächt
worden], aber der Danni sei ihr Comeback gewesen.
Linde steht auf der Rodungsschneise mitten im Wald, neben ihr stapeln sich
gefällte Bäume. Im Hintergrund schiebt ein Bagger Holzreste über den Boden.
„Wenn ich auf das hier gucke, schwanke ich zwischen Verzweiflung und
Hoffnung“, sagt sie. „Verzweiflung, wenn ich die Zerstörung sehe. Hoffnung,
wenn ich mir angucke, was wir hier alles aufgebaut haben.“
Um den Widerstand im Danni, der im Oktober 2019 mit einer Handvoll Menschen
begann, hat sich ein Netzwerk an Unterstützer*innen aus den umliegenden
Kleinstädten gespannt. Ältere Menschen fahren unermüdlich Aktivist*innen
zwischen Bahnhof und Wald hin und her, backen veganen Kuchen, bringen
Kleiderspenden, musizieren im Wald und stellen sich manchmal selbst vor die
Polizeiketten. Auch auf den Baumhäusern sind sich Aktivist*innen aus
verschiedenen Ländern und politischen Kontexten nahegekommen.
## Nach der Kohle kommt das Auto
„Wir sehen uns im nächsten Wald“, sagen sie sich angesichts des nahenden
Endes. Der Weg zurück ins bürgerliche Leben, mit all seinen Zwängen und
seiner Vereinzelung, wird einen Kulturschock mit sich bringen. Manche
werden auch nicht zurückgehen. In Kiel versuchen Umweltaktivist*innen den
Ausbau der A21 zu verhindern, dort wird man sich sicher über Unterstützung
freuen.
„Das Gute ist“, sagt Charly Linde, „wenn die Bäume hier weg sind, sieht …
die Frage, die eigentlich dahintersteht.“ Schließlich gehe es den
Aktivist*innen weder ausschließlich um die alternative Lebensweise, noch
ausschließlich um das konkrete Stück Wald. Sondern um etwas viel Größeres:
die Verkehrswende. Ein sperriges, trockenes Thema, das nach
Planergänzungsverfahren, EU-Rahmenrichtlinie und Bundesverkehrswegeplan
müffelt, ist im Wald greifbar und attraktiv geworden.
Im Hintergrund bereiten Klimaaktivist*innen bereits Proteste gegen die
nächste Internationale Autoausstellung im September 2021 vor. „Nach
jahrelangen Protesten gegen Kohle ist das Auto dran“, sagt Linde.
Dieser Kampf könnte allerdings härter werden, schließlich haben die meisten
Deutschen keinen Kohlebunker, aber einen Tiefgaragenstellplatz. Trotzdem
wird sich etwas bewegen müssen: Seit das Bewusstsein für die
Klimakatastrophe im Mainstream angekommen ist, ist es extrem unangenehm für
eine regierende Partei, Wälder für Autobahnen roden zu lassen – vor allem
für die Grünen.
## Abrechnung bei den Wahlen
Hessens Verkehrsminister Tarek Al-Wazir bezeichnet den Weiterbau der A49
zwar als „falsche Entscheidung“. Doch sie sei demokratisch zustande
gekommen und höchstrichterlich bestätigt worden. „Ob es mir passt oder
nicht“, so der Grüne gegenüber der taz „die Rechtslage ist eindeutig, und
ich muss mich an sie halten. Ich bin nicht Donald Trump, ich halte mich an
Gesetze und akzeptiere Gerichtsentscheidungen.“
Doch es wird nicht der letzte Konflikt um einen Autobahnneubau gewesen
sein. [4][Der aktuelle Bundesverkehrswegeplan], das wichtigste Instrument
der Verkehrsinfrastrukturplanung des Bundes, gilt noch bis 2030 und sieht
noch Hunderte neue Autobahnen vor. Sollten die Grünen ab Herbst 2021 auch
auf Bundesebene etwas zu melden haben, können sie zeigen, wie ernst es
ihnen mit der Verkehrswende ist.
Und noch eins hat der Streit über den Forst gezeigt: Wenn man nicht
mitregiert, ist etwa ein Moratorium für den Autobahnausbau leicht
gefordert, wie Annalena Baerbock und Anton Hofreiter zeigten. Aber wo es
eine Koalition zu erhalten gilt, verschwindet der Klimaschutz schnell
hinter anderen Interessen.
Ob die Enttäuschung von der Ökopartei, die junge und alte
Klimaschützer*innen in Hessen erleben mussten, sich im Wahlergebnis
manifestiert, wird man im Herbst 2021 sehen.
3 Dec 2020
## LINKS
[1] /Widerstand-gegen-Autobahnbau/!5720081
[2] /Raeumungen-im-Dannenroeder-Forst/!5734371
[3] /FFF-AktivistInnen-auf-Parlamentskurs/!5704216
[4] https://www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Artikel/G/BVWP/bundesverkehrswegeplan-2030
## AUTOREN
Katharina Schipkowski
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