# taz.de -- Rolle der Grünen bei Waldrodung: Rechtsstaat vs. Recht haben | |
> Haben die hessischen Grünen genug getan, um den Dannenröder Wald zu | |
> retten? Ein Pro und Contra. | |
Bild: Rodungsschneise für die A 49 | |
Der Kampf um den Dannenröder Wald ist verloren, die Rodung ist fast | |
abgeschlossen. Hätten die hessischen Grünen mehr tun können – mehr tun | |
müssen, um den Wald zu retten? Ein Pro und Contra. | |
## Ja | |
Der Kampf um [1][den Dannenröder Wald] hat gezeigt, was man von den Grünen | |
erwarten kann, wenn sie regieren: nichts. Sie haben den Konflikt in Hessen | |
ausgesessen, sich versteckt hinter Verwaltungsvorschriften und | |
Entscheidungen, die getroffen wurden, als sie noch nichts zu melden hatten. | |
Dass sie auch als kleinere Koalitionspartnerin durchaus | |
Gestaltungsspielraum haben, verleugnen sie. | |
Dabei hätte es Ansatzpunkte gegeben. Das Bundesverwaltungsgericht | |
erklärte den Beschluss für den Ausbau der A 49 für fehlerhaft – auch wenn | |
es den Beschluss selbst dadurch nicht infrage gestellt hat. Hier hätte der | |
hessische Verkehrsminister Tarek Al-Wazir (Grüne) dennoch einhaken können. | |
Stattdessen beauftragte er die für den A-49-Ausbau zuständige Autobahnfirma | |
Deges mit der Vergabe eines Gutachtens. Der BUND holte ein Gutachten mit | |
gegenteiligem Ergebnis ein. Um zu einem fundierten Ergebnis zu kommen, | |
hätte das Verkehrsministerium ein Planerneuerungsverfahren anstoßen können. | |
Eine andere Möglichkeit wäre gewesen, die Rodung wegen der Coronapandemie | |
zu stoppen. Der Landkreis Marburg-Biedenkopf wies zwischenzeitlich einen | |
der höchsten Inzidenzwerte Deutschlands auf. Wer da einen wochenlangen | |
Polizeigroßeinsatz verantwortet, muss das wollen. Zwar liegt das hessische | |
Innenministerium in der Hand der CDU. Aber die Grünen haben nicht mal | |
versucht, die Regierungspartnerin zum Abbruch zu bewegen. Weil ihnen der | |
Erhalt der Koalition wichtiger war. | |
Niemand hat behauptet, dass Klimaschutz umsonst zu haben sei. Den Preis, | |
diese Koalition aufzugeben, hätten die Grünen zahlen müssen. Die Autobahn | |
hätten sie mit einem Koalitionsbruch nicht verhindert, aber sie hätten sich | |
einen Rest Glaubwürdigkeit bewahrt. Stattdessen hat die Partei deutlich | |
gemacht: Eine schwarz-grüne Koalition ist wertlos, was den Klimaschutz | |
angeht. Wenn die Grünen zu geizig sind, einen Preis fürs Klima zu zahlen, | |
sind sie ebenfalls wertlos. | |
Katharina Schipkowski | |
## Nein | |
Die Rodung im Dannenröder Wald für eine Autobahn ist zwar ein Verlust für | |
die Natur in Hessen und ein falsches Signal für die Klimapolitik, aber kein | |
Weltuntergang für die Grünen. | |
Auf den ersten Blick sieht die Ökopartei natürlich schlecht aus, weil | |
ausgerechnet eine von ihr getragene Landesregierung die traurigen Bilder | |
von abgeholzten Bäumen und harten Polizeieinsätzen gegen Protestcamps | |
produzierte. Am Ende schneite es auch noch. Der heiß umkämpfte [2][„Danni�… | |
so sieht man jetzt noch deutlicher, ist Schnee von gestern]. Aber dass es | |
zu dieser Rodung kam, haben nicht die Grünen veranlasst. Hier sollten die | |
Verantwortlichkeiten nicht verwischt werden. Die politische | |
Grundsatzentscheidung trafen nicht [3][Tarek Al-Wazir] und seine | |
Parteifreunde in Hessen, sondern frühere Regierungen in Land und Bund, an | |
denen die Grünen nicht beteiligt waren. | |
Es wäre falsch, den Grünen vorzuwerfen, dass sie eine Entscheidung | |
umgesetzt haben, die von demokratisch legitimierten Gremien getroffen und | |
von Gerichten bestätigt wurde. Privatleute können natürlich | |
weiterprotestieren, aber Regierungsparteien müssen sich an gültige | |
Beschlüsse halten. Sonst stellen sie Demokratie und Rechtsstaat in Frage. | |
Und das kann niemand wollen. Denn auch eine Öko-links-Regierung in Berlin | |
muss verlangen können, dass rechte Landesregierungen Entscheidungen | |
umsetzen, die ihnen nicht gefallen. | |
Ob es wirklich noch eine reelle Chance gegeben hätte, den Rodungsbeschluss | |
juristisch zu kippen, ist nicht bewiesen. Klar ist nur, dass die große | |
Koalitionspartnerin CDU dies garantiert nicht mitgetragen hätte. Die Grünen | |
hätten dafür die Regierung platzen lassen müssen. Das aber wäre nicht nur | |
unverhältnismäßig gewesen – der Wald wäre trotzdem gerodet worden. | |
Mit dem Kopf durch die Wand kommen die Grünen auch im Bund nicht an die | |
Regierung. Sondern nur, wenn sie sich an Gesetze halten und zu Kompromissen | |
bereit sind. | |
Lukas Wallraff | |
4 Dec 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Strassenbau-in-Deutschland/!5729178 | |
[2] /Raeumung-des-Dannenroeder-Forsts/!5734763 | |
[3] /Rodung-des-Dannenroeder-Forstes/!5736588 | |
## AUTOREN | |
Katharina Schipkowski | |
Lukas Wallraff | |
## TAGS | |
Dannenröder Forst | |
Tarek Al-Wazir | |
Grüne Hessen | |
Schwerpunkt Klimawandel | |
Grüne Hessen | |
Schwerpunkt Klimawandel | |
Grüne Berlin | |
Grüne Hessen | |
Verkehrswende | |
Schwerpunkt Fridays For Future | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Die Grünen und der „Danni“: Sieg – bis auf Weiteres | |
Die Schlacht um den Dannenröder Forst ist geschlagen, das schwarz-grüne | |
Projekt geht gestärkt daraus hervor – Narben aber bleiben. | |
Räumung im Dannenröder Forst: Die letzten Meter im „Danni“ | |
Die Aktivist:innen bereiten sich auf die Räumung der letzten besetzten | |
Bäume im Dannenröder Forst vor. Am Sonntag kommt es noch mal zu Protesten. | |
Podcast „Die Querulant_/:*innen“: Boomer und Millenials | |
Die Querulantinnen sprechen mit Leonie Bremer und Renate Künast über den | |
Zwist der Generationen und über das Klima. | |
Räumung des Dannenröder Forsts: Bis Danni! | |
Die letzten Bäume im Dannenröder Forst werden in diesen Tagen gerodet. Aus | |
dem Streit um die A49 können besonders die Grünen was lernen. | |
Straßenbau in Deutschland: 850 Kilometer mehr Asphalt | |
Der Bundesverkehrswegeplan ist umstritten: Er vernichte die Umwelt, | |
kritisieren Experten. Die nächste Bundesregierung kann ihn überarbeiten. | |
Rodung des Dannenröder Forstes: „Ich bin nicht Donald Trump“ | |
Hessens Vize-Ministerpräsident Tarek Al-Wazir verteidigt seine Linie beim | |
Bau der Autobahn 49. Die Rechtslage sei eindeutig. |