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# taz.de -- Prozess um entführten Vietnamesen: Unrechtsberatung aus Vietnam
> Überraschend hat der in Berlin verurteilte Vietnamese Revision eingelegt.
> Zuvor hatte sich die vietnamesische Regierung eingeschaltet.
Bild: Vom Berliner Kammergericht wurde der Entführungshelfer verurteilt
BERLIN taz | Eigentlich war alles so geregelt, dass alle Prozessbeteiligten
zufrieden sein können. Sie hatten einen sogenannten Deal vereinbart:
Geständnis gegen Strafmilderung, die Verhandlung wurde auf diese Weise nach
einem guten Dutzend Verhandlungstagen abgekürzt. [1][Vergangene Woche
verurteilte das Berliner Kammergericht Long N. H. dann zu drei Jahren und
zehn Monaten Haft] – das Gericht hatte es als erwiesen angesehen, dass er
vor einem Jahr daran beteiligt war, den Vietnamesen Trinh Xuan Thanh in
Berlin zu entführen.
Dass der Angeklagte nun gegen das Urteil vorgeht, ist deshalb ein
überraschender Schritt. Am Dienstag hat N. H. Revision eingelegt und dafür
zwei neue Anwälte beauftragt. Entsprechende taz-Informationen wurden von
einem Gerichtssprecher bestätigt.
Für die Verurteilung des Angeklagten wäre sein Geständnis nicht nötig
gewesen. Zu belastend waren laut Gericht die Beweise, die Ermittler gegen
ihn vorgetragen hatten. Für interessierte Kreise in Vietnam scheint das
Geständnis aber ein Problem zu sein. Denn damit hat zum ersten Mal eine
Person zugegeben, dass Trinh Xuan Thanh vom vietnamesischen Geheimdienst
entführt wurde. Die vietnamesische Regierung hält bis heute an der
Behauptung fest, der ehemalige Chef eines Staatskonzerns, der in
Deutschland Asyl beantragt hatte, sei freiwillig nach Vietnam
zurückgekehrt.
## Die Interessen der Entführer
Um dieses Legende aufrecht zu erhalten, scheint die vietnamesische
Regierung einiges zu versuchen. Unmittelbar nach dem Geständnis habe die
vietnamesische Regierung bei der Deutschen Vertretung um ein Gespräch
gebeten, heißt es aus botschaftsnahen Kreisen in Hanoi. Es sollte demnach
um den Verlauf des Prozesses gehen. Das Auswärtige Amt hat eine taz-Anfrage
von Dienstag bislang nicht beantwortet.
Bereits im Plädoyer hatte einer der drei Verteidiger, Alexander Sättele,
angemerkt, dass versucht worden war, auf seine Verteidigung Einfluss zu
nehmen. Auf taz-Nachfrage sagt er, er habe zahlreiche Zuschriften erhalten.
In seinem Plädoyer klang das so: „Einige der an uns herangetragenen
Einwände betreffen allerdings offenkundig verfahrensfremde Interessen oder
gar die Interessen von solchen Dritten, die mutmaßlich an den hier in Rede
stehenden Vorgängen beteiligt waren.“ Sprich: Die Interessen des
vietnamesischen Geheimdienstes, die Interessen der Entführer, von denen
mehrere nach wie vor per internationalem Haftbefehl gesucht werden.
Der Wahlverteidiger Sättele und sein Kollege wurden überrascht von der
Entscheidung des Angeklagten, sich von neuen Anwälten vertreten zu lassen.
Sie hatten zu dem Geständnis und dem Deal geraten. Nachdem sie am Dienstag
von der bereits eingelegten Revision erfahren hatten, gaben sie ihr Mandat
ab.
Es wird einmal mehr deutlich: Dieser Fall ist ein ganz besonderer –
politisch aufgeladen.
Das war auch während der Gerichtsverhandlung in Berlin immer wieder
deutlich geworden. Der ursprünglich einzige Verteidiger Stephan Bonell
versuchte, angebliches Fehlverhalten des Entführten Trinh Xuan Thanh und
seiner Familie zu beleuchten. Der war vor seiner Flucht aus Vietnam Teil
der Staatsführung und ist inzwischen zu zwei Mal lebenslanger Haft
verurteilt worden. Die vietnamesische Regierung stilisiert ihn als Mitglied
einer korrupten Elite, gegen die sie vorgehen will. Auch Bonell versucht im
Gericht immer wieder, das Entführungsopfer als einen korrupten Verbrecher
darzustellen. Bis zuletzt hatte er versucht, mit Anträgen den Prozess zu
verlängern. Die Nebenklagevertreterin hatte deshalb gefragt: Für wen
arbeiten Sie eigentlich?
## Mangelnde Aufklärung in der Slowakei
Bonell war dagegen, dass der Angeklagte gesteht und gab am vorletzten
Prozesstag sein Mandat überraschend ab. Trotzdem ist er nun wieder mit dem
Angeklagten im Gespräch und bereit, das Mandat wieder zu übernehmen. „Ohne
das Geständnis würde er in Vietnam nicht als Verräter dastehen“, sagt
Bonell der taz.
Unterdessen kocht der Vorwurf hoch, dass die slowakische Regierung an der
Entführung beteiligt gewesen war. Am Dienstag äußerte sich der der
slowakische Präsident Andrej Kiska erneut dazu und sprach von einer
„internationalen Blamage“. Er äußerte die Befürchtung, der Fall könne
ernste Folgen für die deutsch-slowakischen Beziehungen haben.
[2][Wie die taz berichtet hatte], sind sich die Ermittler inzwischen
sicher, dass das Entführungsopfer mit einem slowakischen Regierungsflugzeug
aus der EU geschafft wurde, von Bratislava nach Moskau. Das sei „mit hoher
Wahrscheinlichkeit“ so, heißt es in einem Sachstandsbericht der Ermittler
des Berliner LKA von Mitte Juni, der der taz vorliegt. Trinh Xuan Thanh
habe dafür wohl einen Pass mit einem falschen Namen bekommen.
[3][Die slowakische Regierung weist bisher jedes Mitwissen von sich.] Trotz
der vielen ungeklärten Fragen und Vorwürfe wurde in der Slowakei auch bis
heute kein eigenes Strafverfahren eröffnet, teilte der dortige
Polizeipräsident am Dienstag der Presse mit. Nach einem Treffen mit ihm
erwiderte Präsident Kiska, es könne nicht sein, dass die Slowakei von der
ganzen Sache nur aus Deutschland erfahre. Er erwarte, dass der Fall von
„unserer Polizei richtig untersucht wird“.
Die deutschen Ermittler rekonstruieren den Vorgang bislang so: Um das
slowakische Regierungsflugzeug ausgeliehen zu bekommen, hatten die
Vietnamesen ein Kurztreffen mit dem damaligen slowakischen Innenminister
Robert Kalinak arrangiert. Eine wichtige Rolle spielte dabei der damalige
slowakische Regierungsberater Le Hong Quang, der später Leiter der
Botschaft in Hanoi wurde. [4][Nachdem die taz im Mai über
Korruptionsvorwürfe gegen ihn berichtet hatte], wurde er von diesem Amt
abberufen.
Mehr über den Fall Trinh Xuan Thanh und in welch engem Kontakt deutsche
Behörden im Vorfeld der Kidnapping-Aktion mit Entführern standen, lesen Sie
in der Reportage [5][„Liebesgrüße aus Hanoi“].
1 Aug 2018
## LINKS
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[5] /Entfuehrter-Vietnamese-Trinh-Xuan-Thanh/!5518571
## AUTOREN
Sebastian Erb
Marina Mai
Christina Schmidt
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