| # taz.de -- Prozess um „NSU 2.0“-Drohserie: Hohe Haftstrafe gefordert | |
| > Die Staatsanwaltschaft macht den mutmaßlichen „NSU 2.0“-Drahtzieher für | |
| > 83 Drohschreiben verantwortlich. Das Urteil soll im November fallen. | |
| Bild: Mutmaßlicher Verfasser der „NSU 2.0“-Schreiben vor Gericht in Frankf… | |
| Frankfurt am Main taz | Sieben Jahre und sechs Monate Haft forderte die | |
| [1][Staatsanwaltschaft für den Angeklagten Alexander M. vor dem Frankfurter | |
| Landgericht.] Unter anderem wegen Beleidigung, Volksverhetzung, versuchter | |
| Nötigung, der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen | |
| und eines tätlichen Angriffs auf Polizeibeamte. | |
| Es gebe keine vernünftigen Zweifel daran, dass der arbeitslose 54-jährige | |
| Berliner, der seit Mai in Untersuchungshaft sitzt, alleiniger Urheber der | |
| „schrecklichen und unsäglichen“ Mails unter dem Absender NSU 2.0 sei. Mit | |
| [2][Morddrohungen, rassistischen und sexistischen Beleidigungen] habe er | |
| vom August 2018 bis zu seiner Verhaftung RechtsanwältInnen, PublizistInnen, | |
| Linken-PolitikerInnen und andere öffentliche Personen und Institutionen | |
| bedroht, so Staatsanwalt Sinan Akdogan in seinem Plädoyer. | |
| Mit der Nutzung privater Daten, die er sich über unberechtigte Abrufe bei | |
| der Polizei beschafft hatte, sei er auch für den entstandenen | |
| Vertrauensverlust in Staat und Polizei verantwortlich. Nach dem Auffliegen | |
| rechter Chatgruppen in der hessischen Polizei hatte sich der Verdacht | |
| zeitweise gegen Polizeibeamte gerichtet. | |
| ## „Er hat sich sicher gefühlt“ | |
| Sämtliche Drohmails gegen die Frankfurter [3][Rechtsanwältin Seda | |
| Başay-Yıldız,] mit der die Drohserie am 2. August 2018 begann, rechnet die | |
| Staatsanwaltschaft allein dem Angeklagten zu. Die Nebenklage macht dagegen | |
| für das erste [4][Schreiben den Polizeibeamten Johannes S.] verantwortlich, | |
| der im August 2018 im 1. Frankfurter Polizeirevier im Dienst war, als | |
| personenbezogene Daten der Rechtsanwältin abgerufen worden waren. | |
| Für dessen Täterschaft gebe es keinerlei Anhaltspunkte, argumentierte | |
| Staatsanwältin Patrizia Neubert. Trotz der auf seinem Computer | |
| installierten Löschtools und Verschleierungssoftware hätten Sachverständige | |
| und Computerexperten dagegen ausschließlich auf seinen Festplatten | |
| Fragmente der Drohmails gefunden, die unter NSU 2.0 versandt wurden. M.s | |
| Erklärung, er habe die Texte aus einem Forum im Darknet heruntergeladen, | |
| wertet die Staatsanwaltschaft als Schutzbehauptung. | |
| Vor der NSU-2.0-Serie hatte M. schon mehrfach Morddrohungen gegen | |
| PublizistInnen und PolitikerInnen verschickt. Zuletzt traf es im Jahr 2017 | |
| einen Anwalt mit Migrationshintergrund aus Würzburg, der wie Başay-Yıldız | |
| einen Mandaten mit Migrationshintergrund vertrat. Das eingeleitete | |
| Strafverfahren gegen M. war ohne Schuldspruch am 23. 7. 2018 beendet | |
| worden. Wenige Tage danach begannen die Morddrohungen gegen Başay-Yıldız. | |
| „Er hat sich sicher gefühlt“, so Neubert. Für die Serie habe er unter NSU | |
| 2.0 russische Server und Tor-Browser im Darknet genutzt, um seine Spuren zu | |
| verwischen. | |
| ## Urteil wird Anfang November erwartet | |
| Ausführlich erinnerte Staatsanwalt Akdogan an das Leid der Betroffenen und | |
| ihrer Familien. Angst und Schrecken habe der Angeklagte verbreitet. Die | |
| Drohungen hätten auch die geschockt, zu deren Berufsrisiko Bedrohungen | |
| gehören: brutale Sprache, Verweise auf den Holocaust und NS-Methoden. | |
| Nahezu alle Adressaten sorgten sich um die eigene Sicherheit, um die ihrer | |
| Kinder und anderer Angehöriger. Zehntausende Euro mussten sie in die | |
| Sicherung von Privatwohnungen und Büros investieren. Sie erlebten | |
| berufliche Beeinträchtigungen, etwa wenn sie Auftritte durch Security | |
| absichern mussten. Bei einigen der Betroffenen war die Not so groß, dass | |
| sie therapeutische Unterstützung benötigten. | |
| Ob RechtsanwältIn, taz-Kolumnistin, Linken-Politikerin, | |
| Gerichtspräsidentin, Fernsehmoderatorin oder LKA-Sachbearbeiter, alle | |
| AdressatInnen der Drohbriefe hätten unter den „massiven Folgen“ gelitten. | |
| Zudem habe der Verdacht, dass Polizeibeamte in die Affäre verwickelt sein | |
| könnten, zusätzlich zur Verunsicherung beigetragen. Am 27. Oktober spricht | |
| die Verteidigung, Anfang November wird das Urteil erwartet. | |
| 24 Oct 2022 | |
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| ## AUTOREN | |
| Christoph Schmidt-Lunau | |
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