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# taz.de -- Proteste in Jordanien: Ölpreis heizt Proteste an
> In Jordanien haben in den letzten zwei Wochen hunderte Menschen gegen
> höhere Ölpreise protestiert. Bei einer Razzia starben mehrere Polizisten.
Bild: Beerdigung eines Polizisten, der am 15. Dezember bei Ausschreitungen in M…
Bremen taz | Es begann mit Sit-ins und Streiks im südlichen Teil des
Landes. Die Proteste, die mehr als zwei Wochen lang Jordanien erschüttert
haben, nahmen ihren Lauf in der Stadt Maan und der südlichen Region rund um
den Hafen von Aqaba. Meistens waren es Lastkraftwagenfahrer, die die Arbeit
niederlegten, um gegen die jüngsten Erhöhungen der Spritpreise zu
protestieren.
Dann verbreiteten sich jedoch die [1][Demonstrationen wie ein Lauffeuer]
quer durch das Land: Menschen gingen etwa in den nördlich gelegenen Städten
Irbid und Jerash, in der Hauptstadt Amman und den benachbarten Städten
Zarqa und Madaba auf die Straße.
Sie blockierten Hauptverkehrswege, solidarisierten sich mit den Fahrern,
kritisierten zusätzlich zum Sprit auch die gestiegenen Heizölpreise und
Lebenskosten. Sie skandierten Slogans gegen die Regierung und marschierten
durch die Viertel. Ladenbesitzer schlossen ihre Geschäfte, Bus- und
Taxifahrer streikten ebenfalls. Manchmal blieben die Proteste friedlich,
manchmal gab es Ausschreitungen.
[2][Videos in sozialen Netzwerken zeigen Menschen], die zwischen brennenden
Autoreifen und umgekippten Mülltonnen mit Steinen werfen, sowie
Streitkräfte in Militäranzügen, die Tränengas in die Luft schießen.
## Kein Comeback von Extremisten
Am vergangenen Donnerstag ist ein Polizist „bei Unruhen“ in der [3][Nähe
von Maan ums Leben gekommen], wie die jordanische Sicherheitsbehörde
mitteilte. Bei einer Razzia wenige Tage später wurden dann drei weitere
Beamte erschossen.
Ein Verdächtiger, der nach Angaben der Sicherheitsdienste den ersten
Polizisten getötet haben soll, wurde ebenfalls erschossen. Er habe eine
radikal-extremistische religiöse Ideologie vertreten. Neun weitere
Menschen, die meisten Familienmitglieder, befinden sich seit der Razzia in
Haft. Die Polizei hat zudem mehrere Waffen beschlagnahmt.
Noch laufen die Ermittlungen. Allerdings betonen mehrere Experten, die
Tötungen und die Proteste seien getrennt zu betrachten. „Die sind nicht
unbedingt miteinander verbunden“, sagt etwa Edmund Ratka, Leiter des
jordanischen Auslandsbüros der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung. „Das ist
auch nicht Teil der jordanischen Protesttradition.“ Wahrscheinlicher sei,
dass terroristische Zellen die Unruhen ausgenutzt hätten, um gegen die
Polizei vorzugehen oder die Lage eskalieren zu lassen.
Jordanien ist ein muslimisches Land auf der Arabischen Halbinsel, das an
Saudi-Arabien im Süden und [4][an Syrien im Norden grenzt]. In den
vergangenen Jahrzehnten gab es einige extremistische Anschläge, das Land
gilt aber als eines der sichersten in der Region. „Es gibt momentan keine
Signale eines tatsächlichen Terrorrisikos“, bestätigt der jordanische
Politik- und Terrorismusexperte Amer al-Sabaileh, obwohl es in der Region –
etwa im Südsyrien – Hinweise auf ein Comeback extremistischer Gruppen gebe.
Die Polizei hat angekündigt, gegen gewalttätige Demonstranten hart
vorzugehen. Sie nahm mehr als 40 Menschen fest. Das [5][Videoportal Tiktok
war im Land zeitweise nicht mehr erreichbar], aus einigen Städten kamen
Meldungen von gedrosselten Internetverbindungen.
Menschenrechtler*innen zeigten sich teilweise besorgt über mögliche
Einschränkungen. „Die zivilen Freiheiten hatten schon vor den Protesten
abgenommen“, erklärt Oraib al-Rantawi, Direktor des Thinktanks Al-Quds
Center for Political Studies. „Ich denke, dass sich die Lage nach den
Protesten verschlimmern könnte.“ Sicherheitsbehörden und
Regierungsvertreter haben ihrerseits erklärt, die Meinungsfreiheit der
Demonstranten zu respektieren.
In den letzten Jahren gab es [6][immer wieder kleinere Proteste in
Jordanien]. Oft ging es dabei um fehlende Reformen, Korruption oder Armut.
Der aktuelle Anlass, die steigenden Heizölkosten, reihen sich da ein: Das
trifft besonders arme Familien im Winter. Die Treibstoffkosten haben sich
im Vergleich zum Vorjahr nahezu verdoppelt. Unter anderem liegt das an den
hohen Steuern. Für die Bürger hat die Regierung Hilfsmaßnahmen angekündigt,
gleichzeitig aber signalisiert, sie habe gerade [7][wenig Spielraum für
Maßnahmen], um die Preise zu senken.
Es ist also kein Zufall, dass die Proteste in den ärmeren Regionen und
Stadtteilen am stärksten waren. Welche Folgen sie haben, bleibt noch
abzuwarten. „Es ist aber nicht davon auszugehen, dass die Proteste einen
großen Regimewandel herbeiführen werden“, schätzt es Nahostexperte Ratka
ein. „Es ist keine revolutionäre Stimmung im Land zu beobachten.“
23 Dec 2022
## LINKS
[1] https://twitter.com/ThomasVLinge/status/1603542197231648769?ref_src=twsrc%5…
[2] https://twitter.com/Police_Jo/status/1603806191431319552?t=RfWxbPJ3OFmo5YoW…
[3] https://twitter.com/sebusher/status/1603657910084669441?t=9yQamjWB9ByG1OOeR…
[4] /Krieg-im-Irak-und-Syrien/!5014159
[5] https://petra.gov.jo/Include/InnerPage.jsp?ID=47026&lang=en&name=en…
[6] /Umstrittene-Energiekooperation-in-Nahost/!5814644
[7] https://petra.gov.jo/Include/InnerPage.jsp?ID=47018&lang=en&name=en…
## AUTOREN
Serena Bilanceri
## TAGS
Polizei
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