# taz.de -- Proteste in Argentinien: Marschieren für die Bildung | |
> In Buenos Aires protestieren Hunderttausende gegen den Sparkurs an | |
> Universitäten. Sie fordern, deren Finanzierung der Inflation | |
> anzugleichen. | |
Bild: Protest gegen die Sparpolitik an Universitäten am Mittwoch in Buenos Air… | |
Buenos Aires taz | In Argentiniens Hauptstadt Buenos Aires sind am Mittwoch | |
Hunderttausende auf den Platz vor dem Kongressgebäude marschiert. [1][Sie | |
demonstrierten für das öffentliche und kostenlose Bildungssystem]. Dazu | |
aufgerufen hatte der Hochschulrat der öffentlichen Universitäten. Beteiligt | |
hatten sich auch die Gewerkschaften und nahezu alle politischen Parteien. | |
Es war der zweite massive Protest gegen die Sparpolitik im Bereich Bildung | |
des libertären Präsidenten Javier Milei. | |
Unter dem Motto „Anständige Gehälter für Lehrkräfte und Angestellte“ | |
startete der größte Demonstrationszug vom Houssay-Platz. Mit dabei ist auch | |
Wirtschaftsstudent Marcos Friever. „Natürlich protestieren wir für den | |
Erhalt der öffentlichen Universitäten“, sagt der 28-Jährige. Aber wenn | |
immer mehr Dozenten gingen, weil die Gehälter nicht reichten, dann habe das | |
Konsequenzen für alle. „Milei hat die Löhne eingefroren und die Inflation | |
tut ihr Übriges“, meint Friever. Seit November hätten die Menschen etwa 25 | |
Prozent an Kaufkraft verloren. | |
„An meinen Fachbereich sind schon 20 Beschäftigte gegangen“, sagt Nati | |
Alvaro, die im sechsten Semester Medizin studiert. „Die fehlen nicht nur | |
als Lehrkräfte, sondern auch als Ärzte an den Unikliniken.“ Vor einer Woche | |
hätten sie vor dem Klinikum der Universität Buenos Aires gegen die | |
Sparpolitik der Regierung protestiert. „Einige der prominentesten Ärzte des | |
Landes waren mit dabei“, sagt Alvaro. | |
Mileis Credo ist die schwarze Null im Staatshaushalt, wenn möglich soll | |
sogar noch ein Überschuss erzielt werden. Da dies nicht durch zusätzliche | |
Einnahmen erreicht werden kann, werden die Ausgaben rigoros gekürzt. Dass | |
diese Politik die Wirtschaft in die Rezession treibt, ist gewollt, denn sie | |
soll die Inflation senken. Weniger Nachfrage und Konsum sollen die Anbieter | |
zwingen, die Preise nur moderat anzuheben, so die Logik. | |
## Einstellige Inflationsrate | |
Doch während [2][die monatliche Inflationsrate inzwischen tatsächlich nur | |
noch einstellig ist], ist die Armutsquote auf den höchsten Stand der | |
vergangenen 20 Jahre geklettert. Nach Angaben des Statistikamts Indec leben | |
heute 53 Prozent der Argentinier*innen in Armut. Im vergangenen Jahr | |
lag die Zahl noch bei knapp 42 Prozent. | |
Auf dem Platz vor dem Kongressgebäude steht die Bühne mit dem Rücken zum | |
Präsidentenpalast. Der ist am anderen Ende der Avenida de Mayo zu sehen, | |
die den Regierungssitz und das Parlament verbindet. Mitte September hatten | |
die Parlamentarier*innen gegen den Willen der Regierung und mit | |
großer Mehrheit ein Gesetz zur Finanzierung der Universitäten | |
verabschiedet. Dieses gewährt Lehrkräften und sonstigen Beschäftigten | |
einen, wenn auch sehr geringen, Inflationsausgleich. | |
Kaum war die Entscheidung gefallen, kündigte der Präsident sein Veto an. | |
„Schwer zu glauben, dass Milei noch einen Rückzieher macht“, sagt ein | |
Demonstrant und hält sein Pappschild mit der Aufschrift ‚No al Veto‘ hoch. | |
Die Hoffnung liegt auf dem Kongress, der ein Veto des Präsidenten mit einer | |
Dreiviertelmehrheit der Delegiertenstimmen aufheben kann. „Wenn sie nicht | |
wieder einknicken“, meint er. | |
Vor wenigen Wochen hatte Milei sein Veto gegen ein Gesetz eingelegt, das | |
den Rentner*innen einen kleinen Inflationsausgleich gewährt hätte. Bei | |
der Abstimmung im Kongress über das Veto waren einige | |
Mandatsträger*innen übergelaufen und hatten die erforderliche | |
Dreiviertelmehrheit verhindert. „Diesmal wird das nicht passieren“ ruft | |
eine Frau. „Das öffentliche Bildungssystem ist ein Teil unserer nationalen | |
Identität“, sagt sie. | |
Ihr italienischer Großvater sei als armer Jugendlicher eingewandert. Weil | |
die öffentlichen Unis gratis seien, sei er der erste in ihrer Familie | |
gewesen, der habe studieren können, erzählt sie jetzt. „Erst hat er Jura | |
studiert und dann als Rechtsanwalt gearbeitet“, sagt sie. | |
Wie in ihrer ist in vielen Familien der soziale Aufstieg mit dem | |
öffentlichen Bildungssystem verbunden. „Deshalb sind heute wieder | |
Hunderttausende auf der Straße und deshalb wird Mileis Veto im Kongress | |
diesmal scheitern“, ist sie sich sicher. | |
3 Oct 2024 | |
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## AUTOREN | |
Jürgen Vogt | |
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