# taz.de -- Proteste gegen Energiekrise-Maßnahmen: Ein erster linker Schritt | |
> Linke Antwort auf rechte Proteste in der Energiekrise: Rund 100 Menschen | |
> demonstrieren in Hamburg unter dem Motto „Hamburg gegen Abzocke“. | |
Bild: Soll Auftakt sein für einen linken „heißen Herbst“: Demonstration a… | |
Rund 100 Menschen versammeln sich am Montagabend bei leichtem Nieselregen | |
am Hamburger Hauptbahnhof. Auf Schildern steht „HVV umsonst“ und „Mieten | |
runter, Löhne rauf“. Aus dem Lautsprecher tönt linker Rap. „Bundesweit | |
organisiert sich eine Bewegung und auch wir wollen daran anschließen: | |
Heraus zum heißen Herbst“, erklärt ein Redner. Seit Anfang September gehen | |
in deutschen Städten Tausende gegen die Teuerungen auf die Straße – Rechte | |
wie Linke. Es geht um Inflation, höhere Preise für Lebensmittel, Gas und | |
Strom. Themen, die seit Wochen die innenpolitische Debatte bestimmen. | |
Während Bund und Länder über Maßnahmen zur Energiekrise beraten, fehlt es | |
den Menschen weiterhin an Perspektiven. [1][Nach dem Vorschlag der | |
Gaskommission] würde eine dauerhafte Entlastung des Gaspreises für | |
Verbraucher*innen erst nach dem Winter kommen. Die Energiepreise lagen | |
dabei schon im September 43,9 Prozent über dem Preis des Vorjahresmonats. | |
Und auch Nahrungsmittel waren im vergangenen Monat 18,7 Prozent teurer als | |
im September vor einem Jahr, wie [2][vorläufige Zahlen des Statistischen | |
Bundesamts] zeigen. | |
Auch in Hamburg gibt es bereits seit Wochen Demonstrationen. Unter dem | |
Motto „Wir haben keinen Bock auf Armut“ mobilisiert ein Orgateam um Tom N. | |
zu rechtsoffenen Demonstrationen. Unter den Teilnehmer*innen finden sich | |
zahlreiche bekannte Gesichter der Coronaproteste sowie Anhänger*innen | |
der NPD und der AfD. | |
In Reden wird von Deutschland als Diktatur gesprochen, Atomenergie | |
befürwortet und die Begriffe Nazi und Reichsbürger*in offenbar als | |
Kompliment begriffen. Hier findet sich fast alles wieder, was die | |
Coronaproteste in den vergangenen zwei Jahren zu Tage gefördert haben: Man | |
sieht Plakate zum „Great Reset“ und zur „Roten Linie“ und Sticker gegen | |
„Impfzwang“. | |
Ein ganz anderes Bild bietet die Demo der linken Initiative „[3][Hamburg | |
gegen Abzocke]“ am Montagabend: Hier will man keine Rechten oder | |
Querdenker*innen. Stattdessen wollen Aktivist*innen eine linke Kritik | |
auf die Straße zu tragen. „Die Rechten haben zwar Antworten parat, aber das | |
sind nicht die Antworten, die unserer Klasse und der einfachen Bevölkerung | |
nutzen“, sagt Josef von „Hamburg gegen Abzocke“. Hinter der Ini stecken | |
Einzelpersonen aus Hamburg, die teilweise in linken Gruppen aktiv sind. | |
## Forderung nach Umverteilung | |
Olaf von der [4][Initiative] [5][„#IchBinArmutsbetroffen“] erzählt am | |
offenen Mikrofon, dass er einfach genug Geld haben möchte, um | |
gesellschaftlich teilhaben zu können. Er ist extra aus Kiel für die Demo | |
angereist. „Es wird Zeit, dass die Profiteure der Krise, die sich schon | |
während der Coronakrise die Taschen vollgemacht haben – dass die jetzt mal | |
zur Kasse gebeten werden“, sagt er. | |
Ein Bürgergeld gleiche die Inflation nicht aus. „Während wir die | |
Leidtragenden sind, fahren die Krisengewinner, wie zum Beispiel Amazon, die | |
Rüstungsindustrie und die Energiekonzerne, riesige Profite ein“, kritisiert | |
auch eine Rednerin vom „Kollektiv Soziale Kämpfe“. | |
„Jeden kleinen Schritt, der wirklich der Bevölkerung hilft, begrüßen wir�… | |
sagt Josef der taz. Aber Reformen reichen den meisten Aktivist*innen | |
nicht aus. Stattdessen wollen sie eine sozialgerechte Welt ohne | |
Kapitalismus. Junge Redner*innen berichten von ihren Armutserfahrungen | |
und kritisieren die Regierungsparteien. Sie positionieren sich gegen | |
fossile Abhängigkeit, Aufrüstung und Atomenergie. | |
Themen, die auch [6][das linke Bündnis „Solidarisch aus der Krise“] in | |
Hamburg Ende Oktober auf einer großen Demo ansprechen will. Im Aufruf, den | |
über 50 Gruppierungen unterzeichnet haben, betonen die Aktivist*innen, dass | |
der Reichtum dieser Gesellschaft umverteilt werden müsse. „Die bisherigen | |
Antworten der Bundesregierung auf die Inflation und die Energiekrise sind | |
zu schwach, sozial zu unausgewogen und nicht dauerhaft wirksam“, sagt Lars | |
Stubbe, Gewerkschaftssekretär bei Ver.di und Sprecher des Bündnisses, der | |
taz. | |
Bündnisdemo und Montagskundgebungen sind für Josef kein Widerspruch. „Uns | |
war es wichtig, einen ersten Schritt zu machen“, sagt er. Wie viele andere | |
ist er der Meinung, dass es eine Antwort von links brauche: „Wir sehen, | |
dass die Not bei den Menschen größer wird. Ich merke es auch bei mir | |
selbst: Es ist weniger Geld da.“ | |
11 Oct 2022 | |
## LINKS | |
[1] https://www.spiegel.de/wirtschaft/service/gaspreisbremse-so-sollen-die-buer… | |
[2] https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2022/09/PD22_413_611.h… | |
[3] https://mobile.twitter.com/hh_gegenabzocke | |
[4] https://twitter.com/search?q=%23IchBinArmutsbetroffen&src=typed_query&a… | |
[5] https://twitter.com/search?q=%23IchBinArmutsbetroffen&src=typed_query&a… | |
[6] https://solidarischausderkrise.noblogs.org/ | |
## AUTOREN | |
Jannis Große | |
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