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# taz.de -- Proteste an der DFFB: Verfahren wie im Vatikan
> In Berlin wird der Posten des Direktors der Deutschen Film- und
> Fernsehakademie neu besetzt. Studenten und Dozenten fühlen sich
> übergangen.
Bild: Ralph Schwingel (3. v. re.), der neue Direktor, bei einer Kinopremiere in…
BERLIN taz | Habemus directorem? Noch vor wenigen Wochen warnten auf der
Berlinale Studierende der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin (dffb)
eindringlich vor einem Alleingang des Berliner Senats bei der Neubesetzung
der seit Herbst vakanten Direktion.
Bei Protestaktionen und einer Podiumsdiskussion forderten sie ein
transparentes und demokratisches Berufungsverfahren. „Wir haben eigentlich
noch nie gedacht, dass das Rote Rathaus irgendwie der Vatikan ist.“ So
beschrieb dffb-Absolvent Max Linz bei dem Podium seine Hoffnung auf eine
Einbeziehung der Studenten. Als Regisseur von dem Film „Ich will mich nicht
künstlich aufregen“ hat er sich jüngst mit den oft willkürlich wirkenden
Entscheidungen der deutschen Film- und Kunstpolitik beschäftigt.
Zwar stieg kein weißer Rauch über dem Berliner Senat auf, als der Name des
ehemaligen Produzenten Ralph Schwingel bekannt wurde, aber das Prozedere
scheint mit der Papstwahl vergleichbar gewesen zu sein. In geheimer Klausur
wurden die beiden Kandidat_innen aus der letzten Bewerbungsrunde, die
Dozentin und Kamerafrau Sophie Maintigneux und der österreichische
Fernsehregisseur Julian Pölsler, ausgebootet und ein neuer Kandidat wurde
mit einer rückdatierten Bewerbung in das Verfahren eingesetzt. Davon
berichten die beiden Studierenden- und Dozentenvertreter Katinka Narjes und
Markus Nechleba, die ursprünglich an der Direktorensuche in der dafür
eingesetzten Findungskommission beteiligt waren.
Über den Wunschkandidaten Schwingel wurden sie erst letzte Woche durch
Senatskanzleichef Björn Böhning (SPD) in Kenntnis gesetzt. Böhning ist auch
Vorsitzender des Kuratoriums der als gemeinnützigen GmbH organisierten
Filmhochschule. Dieses vom Senat eingesetzte sechsköpfige Gremium – zu dem
Vertreterinnen von ZDF, RBB und dem Medienboard Berlin-Brandenburg gehören
– ist für die Bestellung der Direktion zuständig.
## Klingt wie ein Kompromiss
Dessen Zustimmung soll heute erfolgen. Böhning ließ auf Anfrage wissen,
dass „zu Einzelheiten des laufenden, nicht öffentlichen Verfahrens oder zu
einzelnen Bewerbern aus gesellschaftsrechtlichen Gründen und aus Gründen
des Datenschutzes keine Stellung genommen werden kann“.
Nachdem monatelang um eine Entscheidung gerungen wurde, mag das Ergebnis in
manchen Ohren wie ein Kompromiss klingen: Der 1955 geborene Schwingel hat
die Filme von Fatih Akin bis zu dessen internationalem Durchbruch mit
„Gegen die Wand“ produziert. Er gilt daher als Arthouse-affin, obwohl er
gleichermaßen an mediokren Komödien wie „FC Venus“ oder „Kebab Connecti…
beteiligt war. In einer Rede vor der Deutschen Filmakademie tat er seine
Bewunderung für Til Schweiger kund, von dem er lernen wolle.
Das könnte Böhning gefallen, der erst im Februar eine filmische
Industriepolitik forderte. Schwingel hat auch Lehrerfahrung, etwa an der
Filmhochschule in Potsdam als Vertretungsprofessor für „Kreative
Produktion“. 2005 war er bei der kontroversen Neubesetzung der Leitung des
Filmstudiengangs der Hamburg Media School der Fernsehproduzentin Katharina
Trebitsch (Bella Block) unterlegen.
Dem Berliner Senat sollte derweil die turbulente Besetzung von Jan Schütte
2010 gegen den Willen von Studierenden und Lehrkräften in Erinnerung sein.
Damals wie heute ist die Favoritin der Akademie Maintigneux.
Dozentenvertreter Nechleba erklärt: „Wir können nicht nachvollziehen, mit
welchen Argumenten Sophie Maintigneux nicht berufen wurde.“ Die
entscheidende Sitzung, die Ende 2014 über die Berufung entscheiden sollte,
fand hinter verschlossenen Türen statt.
## Zweifel an Kompetenz des Gremiums
Wenn heute das Kuratorium erneut tagt, sind Nechleba und Narjes zwar
eingeladen, aber anders als in der Findungskommission nur mit Rede-, nicht
mit Stimmrecht. Vonseiten der Senatskanzlei heißt es: „Studierenden- und
Dozentenvertreter waren und werden in allen Phasen der Bewerbung und der
Vorstellung beteiligt. Diese umfassende Beteiligung hat den Prozess
deutlich verlängert, aber die Entscheidungsfindung positiv beeinflusst.“
Verständlich, dass Nechleba und Narjes nun befürchten, durch ihre
Anwesenheit den Prozess zu legitimieren. Ohnehin zweifelt Nechleba an der
Kompetenz der aktuellen Besetzung des Gremiums, den Direktor zu bestimmen,
weil niemand dabei sei, der die dffb gut kenne. Obgleich das stimmen mag,
könnten zwei von ihnen, Medienboard-Chefin Kirsten Niehuus und
RBB-Programmdirektorin Claudia Nothelle, eigene Interessen einbringen: Ihre
Institutionen sind finanziell und inhaltlich über das gemeinsame Programm
für Abschlussfilme verbunden. Und das, obwohl der Gesellschaftsvertrag der
dffb vorschreibt, dass Kuratoriums-Mitglieder keine Geschäftsbeziehungen
zur Akademie haben dürfen.
7 Mar 2015
## AUTOREN
Frédéric Jaeger
## TAGS
Filmpreis
Protest
Filmemacher
Monika Grütters
Kino
Gleichstellung
Regisseur
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