| # taz.de -- Protest gegen Abtreibungsgesetze in Polen: Frauen starben am septis… | |
| > Nach dem Tod einer 33-jährigen Schwangeren haben tausende Frauen in Polen | |
| > protestiert. Abtreibungen sind im Land nahezu verboten. | |
| Bild: Tausende Menschen in ganz Polen sind gegen das rigide Abtreibungsrecht au… | |
| Warschau taz | „Hört auf, uns zu töten!“, skandieren tausende Polinnen vor | |
| dem Gesundheitsministerium in Warschau. „Keine einzige mehr!“ Eine | |
| weißhaarige Demonstrantin hält ein Plakat mit einer Todesanzeige hoch: | |
| „Dorota, 33 Jahre, Nowy Targ“ steht darauf. Viele halten Plakate mit den | |
| Bildern junger Frauen hoch. | |
| Iza, Anna, Agnieszka, Marta und Dorota starben in polnischen | |
| Krankenhäusern, weil Ärzte darauf warteten, dass ihr nicht | |
| überlebensfähiger Fötus im Mutterleib stirbt. Erst wenn kein Herztöne mehr | |
| zu hören waren, griffen sie ein. Doch in mindestens fünf publik gewordenen | |
| Fällen war es zu spät: Die Frauen starben – mit dem toten Fötus im Bauch �… | |
| an einem septischen Schock. | |
| Die Organisation „[1][Strajk Kobiet]“ – „Frauenstreik“ geht von einer | |
| höheren Dunkelziffer aus. „In all diesen Fällen hatten die Frauen das Recht | |
| auf einen legalen Abbruch ihrer Schwangerschaft“, erklärt Marta Lempart, | |
| die Gründerin der größten Frauenbewegung Polens. „Ja, legal!“, bekräfti… | |
| sie. „Denn die Schwangerschaft war ab einem bestimmten Moment | |
| lebensbedrohlich für die werdenden Mütter. In all diesen Fällen können die | |
| Ärzte völlig legal eine lebensrettende Abtreibung vornehmen.“ | |
| Lempart, Unternehmerin aus dem niederschlesischen Breslau, setzt sich seit | |
| vielen Jahren für die Rechte der Frauen in Polen ein. Es gelang ihr, mit | |
| den „[2][schwarzen Märschen]“, an denen landesweit Hunderttausende Polinnen | |
| teilnahmen, die Verschärfung des ohnehin rigiden Abtreibungsrechts in Polen | |
| durch weitere Gesetze zu verhindern. Doch dann schaltete die | |
| nationalpopulistische Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) das | |
| Verfassungsgericht ein, an dessen Spitze mit Julia Przyłębska eine | |
| Vertraute des PiS-Parteichefs Jaroslaw Kaczynski sitzt. | |
| ## PiS und Kirche unterstützen das rigide Abtreibungsrecht | |
| [3][Auf Wunsch der PiS, der katholischen Kirche Polens und radikaler | |
| Pro-Life-Organisationen strich das Gericht den Paragrafen aus dem | |
| bestehenden Gesetz], der einen legalen Schwangerschaftsabbruch bei schweren | |
| und unumkehrbaren Schädigungen des Fötus erlaubte. Seit Januar 2021 werden | |
| nun in Polen so viele schwerstkranke und nicht überlebensfähige Kinder | |
| geboren, dass die PiS-Regierung im ganzen Land Kinderhospize einrichten | |
| musste. Dort können die Eltern Abschied von ihren sterbenden Kindern | |
| nehmen, ohne mit den glücklichen Müttern und ihren gesunden Säuglingen in | |
| Kontakt zu kommen. | |
| „Die Ärzte haben keine Angst vor Strafe, wenn sie eine Abtreibung bei | |
| Gefahr für Leib und Leben der Mutter durchführen“, erklärt Lempart. „Das | |
| ist reine Heuchelei. Die meisten Gynäkologen haben vielmehr eine sogenannte | |
| Gewissensklausel unterschrieben und führen prinzipiell keinen | |
| Schwangerschaftsabbruch durch. Sie stellen ihre eigene psychische | |
| Komfortzone über Gesundheit und Leben ihrer Patientinnen.“ | |
| ## Demonstrationen im ganzen Land und auch im Ausland | |
| In ganz Polen demonstrierten nach Angaben der Veranstalter in über 60 Orten | |
| junge Frauen und oft auch Männer. Auch Exilpolinnen und -polen in | |
| Deutschland, Österreich, Großbritannien, Spanien und anderen Ländern | |
| schlossen sich dem Protest an. Denn wenn eine Schwangere stirbt, trauert | |
| die ganze Familie, egal wo sich die einzelnen Familienmitglieder gerade | |
| aufhalten. | |
| „Für uns alle ist es lebensgefährlich geworden, in Polen schwanger zu | |
| werden“, sagt die 19-jährige Abiturientin Anna aus Warschau. „Niemand kann | |
| sicher sein, ein Krankenhaus lebend zu verlassen, wenn es zu einer | |
| Komplikation kommt. Denn wenn man Pech hat, haben dort alle Ärzte ein | |
| ‚gutes katholisches Gewissen‘.“ Ihr Freund Marcin (21), ein | |
| Informatikstudent, pflichtet ihr bei: „Der Gesundheitsminister sollte alle | |
| Ärzte entlassen, die den Hippokratischen Eid nicht erfüllen wollen. Aber | |
| für uns ist es schon egal. Wir werden emigrieren. In Polen ist es nicht | |
| mehr auszuhalten.“ | |
| Eine ältere Dame mit grauem Kurzhaarschnitt legt Anna die Hand auf den Arm: | |
| „Ich habe mich noch nie so geschämt, eine Polin zu sein. Die PiS hat uns | |
| Polinnen die Würde genommen. So weit ist es gekommen.“ | |
| 15 Jun 2023 | |
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| ## AUTOREN | |
| Gabriele Lesser | |
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