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# taz.de -- Programm des Berliner Arsenal: Hyderabad, 1984
> Eine Geschichte eskalierender Gewalt: Im Rahmen von „Archive außer sich“
> streamt das Arsenal 3 Deepa Dhanrajs Dokumentarfilm „Kya hua is shahar
> ko?“
Bild: 1984 verschärfen sich die Spannungen zwischen Hindus und Muslimen
Eine Fahrt durch menschenleere Straßen, vorbei an Polizisten. Hyderabad,
Hauptstadt des Bundesstaates Telangana im Süden der Mitte Indiens gelegen,
ist 1984 eine Stadt im Ausnahmezustand. Deepa Dhanraj erzählt in ihrem
Dokumentarfilm „Kya hua is shahar ko?“ („Was geschah mit dieser Stadt?“)
eine Geschichte eskalierender Gewalt.
Seit der Teilung Indiens am Ende der britischen Kolonialzeit hat es in der
Stadt immer wieder Spannungen zwischen Hindus und Muslimen gegeben,
letztlich aber überwog die Trennung zwischen armer Altstadt und den
wohlhabenderen neueren Teilen der Stadt. Bis Ende der 1970er Jahre
politische Anführer von Hindus und Muslimen begannen, religiöse Feste zu
etablieren, von denen aus Gewalttaten gegen die jeweils anderen begangen
wurden.
Doch die Gewalt, die die Stadt im Sommer 1984 erschütterte hatte andere
Ausmaße. An ihrem Ende standen 41 Tote, 230 Menschen wurden verletzt. Das
Berliner Arsenal präsentiert Dhanrajs Film aktuell in seinem
Streamingangebot Arsenal 3.
Zum Zeitpunkt seiner Entstehung dokumentierte „Kya hua is shahar ko?“ das
Hochschaukeln der Gewalt zwischen zwei Fundamentalismen, dem von Salahuddin
Owaisi und dem Gesamtindischen Rat der Vereinigung der Muslime und dem von
Aelay „Tiger“ Narendra von der Hindunationalistischen Indische Volkspartei
BJP. Diese wurde 1980, mitten in den Jahre des Aufruhrs, die der Film
zeigt, gegründet. Seit sieben Jahren stellt die BJP den indischen
Premierminister Narendra Modi. Von heute aus gesehen ist Dhanrajs Film also
auch ein Film über den Aufstieg des Hindunationalismus.
Deepa Dhanraj gelingt inmitten der aufgeheizten Stimmung ein sehr
analytischer Film. Nach den ersten Bildern der Ausgangssperre und einer
ersten Schilderung der Ausschreitungen durch eine betroffene Familie, gibt
sie einen sehr knapp gehaltenen Abriss der Geschichte der Stadt und der
umgebenden Region. Dann werden beide Gruppen von Akteuren vorgestellt: in
Aufnahmen der Prozessionen und in Interviews mit ihren politischen
Anführern. Für den Film mit einer Anwohner-Initiative zusammen, die die
religiösen Spannungen zu mäßigen versuchte.
Kernstück des Films sind Aufnahmen vom Ausbruch der Gewalt während einer
Prozession zu Ehren der Gottheit Ganesha im September. Der Film montiert
diese Aufnahmen mit Gesprächen mit Betroffenen der Gewalt. Nach dem
Ausbruch herrschen Trauer und große Ratlosigkeit, was die Stadt da gerade
erlebt. Menschen stehen vor dem Nichts, schildern geschockt die Übergriffe
auf Verwandte und Freunde.
Die Verbindung zwischen dem Arsenal und „Kya hua is shahar ko?“ reicht über
30 Jahre zurück. 1987 lief der Film im Forum der Berlinale, wie üblich,
verblieb eine Kopie des Films im Archiv des Arsenals. Vor zehn Jahren
entdeckten die Kuratorinnen Nicole Wolf und Dorothee Wenner im Rahmen einer
Recherche die Kopie im Archiv wieder. Einige Jahre später wurde der Film
restauriert und digitalisiert.
Deepa Dhanrajs Film ist mehr als nur ein interessantes Zeitdokument. Er
bietet vielmehr einen Einblick in die komplexe politische Situation, aus
der heraus der Hindunationalismus der Gegenwart entstand. Eine Lektion in
Gegenwart.
12 Feb 2021
## AUTOREN
Fabian Tietke
## TAGS
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