Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Pressefreiheit in Serbien: Alles nur Scheinwahrheiten
> Serbiens Präsident Aleksandar Vučić hat die Medien im Land unter seine
> Kontrolle gebracht. Die Opposition warnt nun vor einer „Autokratie“.
Bild: Er ist einer, der sich von den Medien gerne inszenieren lässt: Aleksanda…
BELGRAD taz | Offene Diktaturen sind in Europa eigentlich Geschichte. Doch
in Serbien fürchtet die politische Opposition derzeit, dass ihr Land mehr
und mehr zur „Autokratie“ verkommen könnte. Medien würden verstärkt
gleichgeschaltet werden, die Pressefreiheit immer stärker eingeschränkt,
heißt es vonseiten der Opposition.
Das Regime kontrolliere alle TV-Sender mit nationaler Reichweite, die
gesamte Boulevardpresse und fast alle lokalen Medien. Immer häufiger werden
Medien als Plattform instrumentalisiert, um Staatspräsident Aleksandar
Vučić als allmächtigen Herrscher zu glorifizieren oder mit Andersdenkenden
abzurechnen.
Aus Protest haben nun die serbischen Oppositionsparteien, die sich seit
Beginn des Jahres in dem Bündnis „Allianz für Serbien“ organisieren,
deshalb angekündigt, die im Frühjahr stattfindenden Parlaments- und
Kommunalwahlen zu boykottieren. „Wir fordern, dass sich
Informationsprogramme von Sendern mit nationaler Frequenz, vor allem des
Staatsfernsehens, für Andersdenkende öffnen“, sagt Oppositionspolitiker
Borko Stefananović.
Schon [1][bei den Massenprotesten], die zu Beginn des Jahres in vielen
serbischen Städten monatelang stattfanden, war das eine zentrale Forderung.
Umgesetzt wurde sie von Vučić allerdings bis heute nicht.
## Druck und Drohungen
In ihrer Kritik beruft sich die Opposition auch auf [2][internationale
Organisationen]. Im Bericht für das Jahr 2019 stufte die amerikanische
Nichtregierungsorganisation Freedom House Serbien als Land mit
„beschränkten Medienfreiheiten“ ein und kritisierte außerdem,
JournalistInnen würden eingeschüchtert. Diese würden häufig von
PolitikerInnen als „Verräter“ oder als „vom Ausland bezahlte Volksfeinde…
bezeichnet.
Das serbische Regime nutze außerdem „antiliberale Maßnahmen“, um auf diese
Weise Medien zu dominieren. Weiter heißt es: Regimenahe Persönlichkeiten
würden in Serbien durch staatliche Beihilfe Medien übernehmen,
Mediengesetze würde man nur selektiv anwenden. Und dies ist nur ein
Bruchteil der Vorwürfe.
Wie verhält sich die Europäische Union? Sie nimmt die Mahnungen serbischer
und internationaler Medienorganisationen kaum zur Kenntnis. „Natürlich
wissen Vertreter der EU das alles“, sagt die Journalistin Tamara Skrozza,
Mitglied des unabhängigen Presserats. Doch sie drücken vor der in Serbien
herrschenden Medienfinsternis beide Augen zu, mit der fragwürdigen
Begründung, dass Präsident Vučić seit den neunziger Jahren „Stabilität�…
die von Kriegen belastete Region gebracht hätte, sagt Skrozza.
## Wie eine „Stabilokratie“
Doch dies sei eine sehr kurzsichtige Haltung der EU, erklärt Jovana
Gligorijević, Journalistin bei der regimekritischen Wochenmagazins Vreme.
Den Politikkurs der EU, Stabilität vor Demokratie zu setzen, bezeichnet sie
als „Stabilokratie“.
Serbien sei mittlerweile keine parlamentarische Demokratie, sondern ein
Parteistaat, in dem Präsident Vučić in seiner dominanten Serbischen
Fortschrittspartei (SNS) über alles bestimmt, sagt Gligorijević. Die
Grundlage seiner Macht seien dabei eben gleichgeschaltete Medien, die
Scheinwahrheiten und Feindbilder projizierten und mit Andersdenkenden
abrechneten.
Das System ist einfach, doch wirksam. Wenn oppositionelle Politiker von
Staatspräsident Vučićs Ministern oder sogenannten „Fachleuten“ als
„Kriminelle, Diebe und Verräter“ bezeichnet werden, die nur dazu an die
Macht kommen wollen, um Serbien ausplündern zu können, werden diese
Formulierungen exakt so vom Medienflaggschiff des Regimes, TV Pink, oder
der Boulevardzeitung Informer übernommen.
Gesetzwidrige Rufmordkampagnen wie diese oder gefälschte Berichte, die
allesamt gegen journalistische und ethische Standards verstoßen, werden in
Serbien rechtlich nicht sanktioniert. Und selbst wenn die wenigen
serbischen seriösen Medien derartige Lügen oder Korruptionsvorfälle
aufdecken, wird das von kontrollierten Medien selbstverständlich übertönt.
17 Sep 2019
## LINKS
[1] /Protest-in-Serbien-gegen-Praesident-Vuic/!5578484
[2] /Rangliste-der-Pressefreiheit-2019/!5589259
## AUTOREN
Andrej Ivanji
## TAGS
Serbien
Aleksandar Vucic
Schwerpunkt Pressefreiheit
Medienpolitik
Serbien
Serbien
Serbien
Pressefreiheit in Europa
Serbien
Serbien
## ARTIKEL ZUM THEMA
Parlamentswahl in Serbien: Vučić räumt ab
Die Partei des serbischen Präsidenten erhält über 60 Prozent der Stimmen.
Eine „echte“ Opposition ist nicht mehr im Parlament vertreten.
Parlamentswahl in Serbien: Vučić auf allen Kanälen
Am Sonntag gehen die Serb*innen an die Urnen. Parteien interessieren
niemanden. Alles dreht sich nur um den allmächtigen Staatspräsidenten.
Proteste in Serbien: Mit Lärm gegen Vučić
Seit Tagen demonstrieren immer mehr Serben aus dem coronabedingten
Hausarrest gegen den Präsidenten. Der herrscht mittlerweile allein.
Tag der Pressefreiheit: Medien in Europa sind frei, außer …
Am 3. Mai schaut man gern in ferne Länder. Aber auch in Europa häufen sich
Angriffe auf den Journalismus.
20 Jahre Nato-Angriff auf Serbien: Örtlich gebombt
Vor 20 Jahren trieb die rot-grüne Regierung Deutschland in den Kosovokrieg.
Ein Präzedenzfall, der die Welt veränderte.
Protest in Serbien gegen Präsident Vučić: Demonstranten besetzen Sender
Tausende haben am Sonntag in Belgrad erneut gegen das Regime demonstriert.
Einige drangen in den staatlichen Rundfunk ein.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.