# taz.de -- Präsidentschaftswahl in der DR Kongo: Darf die Opposition gewinnen? | |
> Eine Woche nach der Wahl zeichnet sich eine Niederlage für das | |
> Regierungslager ab. Die Wahlkommission zögert die Ergebnisse hinaus. | |
Bild: Wieso dauert das so lange? Mitarbeiter der Wahlkommission werten in Kinsh… | |
Am 30. Dezember 2018 haben die Bürger der Demokratischen Republik Kongo | |
[1][einen neuen Präsidenten gewählt] – aber welchen, erfahren sie nicht. | |
Eigentlich wollte die Wahlkommission CENI an diesem Sonntag das vorläufige | |
Endergebnis vorlegen. Der Termin werde verschoben, weil die Zusammenführung | |
der Einzelergebnisse so lange dauert, erklärte Wahlkommissionschef | |
Corneille Nangaa am Samstag: „Wir haben noch nicht alles“, sagte er. Einen | |
neuen Termin nannte er auch bei einer Pressekonferenz am Sonntag nicht. | |
Die Verzögerung wurde erwartet – aber nicht aus technischen Gründen, | |
sondern aus politischen. In allen rund 70.000 Wahllokalen des riesigen | |
Landes wurden die Stimmen bereits in der Wahlnacht ausgezählt; [2][man | |
müsste sie nur zusammenrechnen]. Aber weil dabei ein Sieg des wichtigsten | |
Oppositionskandidaten Martin Fayulu herauskäme, so mutmaßt jedenfalls das | |
Fayulu-Wahlbündnis Lamuka, würden jetzt in den Stimmauswertungszenten „die | |
vor den Wahlbüros ausgehängten Ergebnisse modifiziert“. | |
Schon zwei Tage nach der Wahl hatte Kongos Regierung [3][das Internet | |
abstellen lassen], damit abfotografierte Ergebnisprotokolle nicht | |
verbreitet werden. Seitdem verfügt nur die Wahlkommission selbst sowie die | |
mächtige katholische Kirche, die mit 40.000 Wahlbeobachtern als einzige | |
flächendeckend präsent war, über aussagekräftige Zahlen. Laut Gesetz darf | |
nur die Wahlkommission Ergebnisse veröffentlichen. | |
Am Donnerstag sagte der Leiter der katholischen Bischofskonferenz (CENCO), | |
Abbé Donatien Nshole, bei der Präsentation seines vorläufigen Berichts, | |
laut den vorliegenden Daten hätten die Kongolesen einen Kandidaten zum | |
Präsidenten gewählt. Er forderte die Wahlkommission auf, „Wahlergebnisse | |
mit Respekt für Wahrheit und Gerechtigkeit zu publizieren“. | |
## Die Kirche reagierte umgehend und scharf | |
Das war deutlich. Eine solche Aufforderung an die regierungstreue CENI wäre | |
kaum nötig, wenn der regierungstreue Kandidat Emmanuel Shadary gewonnen | |
hätte. Und mit den Worten, das Ergebnis entspreche „weder der Wahrheit noch | |
der Gerechtigkeit“, hatte die katholische Kirche den Sieg Joseph Kabilas | |
bei den letzten Wahlen 2011 zurückgewiesen. | |
Das Regierungslager verstand sofort. Nsholes Erklärung sei „geeignet, die | |
Bevölkerung aufzuwiegeln, indem ein Aufstand vorbereitet wird, für den | |
allein die CENCO verantwortlich sein wird“, warnte die Wahlkommission am | |
Freitag. Das Shadary-Wahlbündnis FCC (Gemeinsame Front für den Kongo) | |
schimpfte, die Bischöfe verhielten sich „unverantwortlich und anarchisch, | |
besonders Herr Abbé Nshole“. | |
Die Kirche reagierte umgehend und scharf: Gerade weil allein die | |
Wahlkommission das Wahlergebnis zu verkünden habe, sei „das Schlimmste, was | |
das kongolesische Volk in den Aufstand treiben könnte, die Veröffentlichung | |
von Ergebnissen, die der Wahrheit der Wahlurnen nicht entsprechen. Wenn es | |
einen Volksaufstand geben sollte, trüge die CENI dafür die Verantwortung.“ | |
Doch es war zu spät. Am Wochenende feierten vereinzelt Oppositionsanhänger | |
nachts auf den Straßen. Berichte gingen um, wonach auf Grundlage von 62 | |
Prozent der Wahllokale Fayulu mit über 50 Prozent uneinholbar vor | |
Regierungskandidat Shadary und dem anderen Oppositionskandidaten Felix | |
Tshisekedi mit je rund 20 Prozent liege. Der Londoner Informationsbrief | |
Africa Confidential schrieb, die genauen Zahlen lägen ausländischen | |
Diplomaten in Kinshasa vor. Der ehemalige US-Sonderbeauftragte Tom | |
Perriello erklärte Fayulu öffentlich zum gewählten Präsidenten. | |
## Das Regime könnte den Notstand verhängen | |
Wie das Kabila-Regime auf eine so deutliche Niederlage reagieren würde, war | |
am Wochenende unklar. Der einfachste Weg wäre, nachzubessern. Die vielen | |
Zehntausend Wahlmaschinen, die am Wahltag zur Stimmabgabe dienten – man | |
tippt auf dem Bildschirm seine Wahl an und die Maschine spuckt einen | |
entsprechenden Stimmzettel aus, den man in die Urne wirft – sind alle noch | |
da und theoretisch kann man mit ihnen noch mehr Stimmzettel drucken. | |
Auffallen würde das kaum: Zu den 179 Stimmauswertungszentren, wo die | |
Einzelergebnisse zusammenlaufen, haben unabhängige Beobachter keinen | |
Zugang. | |
CENI-Chef Nangaas Aussage, man habe „noch nicht alles“, würde dazu passen, | |
ebenso dass laut Regierung die Wahlbeteiligung in entlegenen ländlichen | |
Regionen viel höher war als in städtischen Oppositionshochburgen. Nach | |
einem Radiobericht hat die Wahlleiterin der Urwaldregion Shabunda im | |
Ostkongo 60 Wahlmaschinen bei sich zu Hause stehen – laut eigener | |
Begründung, weil sie nicht wusste, wohin damit. | |
Eine andere Option kursiert seit vor der Wahl: Sollte sich ein klarer Sieg | |
der Opposition abzeichnen, könnte das Regime den Notstand verhängen und die | |
Verkündung der Ergebnisse absagen. Die Gegenstrategie gibt es auch schon: | |
eine Vereidigung Fayulus als Präsident in Beni, eine Oppositionshochburg, | |
wo die Wahlen wegen Ebola nicht stattfanden. Mit Friedensnobelpreisträger | |
Denis Mukwege an seiner Seite, wie es sich ein Kommentator auf Twitter | |
ausmalt. | |
6 Jan 2019 | |
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## AUTOREN | |
Dominic Johnson | |
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