# taz.de -- Präsidentschaftswahl in Bolivien: Morales verfehlt absolute Mehrhe… | |
> Nach ersten Ergebnissen muss der Amtsinhaber in die Stichwahl gegen | |
> Konkurrent Carlos Mesa. Beobachter fürchten Schlamperei bei | |
> Stimmauszählung | |
Bild: Hoffte noch auf die Stimmen der Landbevölkerung: Präsident Morales in L… | |
LA PAZ taz | Zuversichtlich gab sich Evo Morales bei seinem Auftritt gegen | |
21.30 Uhr (Ortszeit) im Palacio Quemado, dem Regierungssitz in La Paz. Bis | |
zur Auszählung der letzten Stimme wolle er warten, sagte er, denn er glaube | |
nach wie vor an den Sieg im ersten Wahlgang. Zu diesem Zeitpunkt lag der | |
amtierende Präsident laut dem letzten vom obersten Wahlgericht (TSE) | |
veröffentlichten Zwischenstand mit 45,7 Prozent der Stimmen vor seinem | |
engsten Verfolger Carlos Mesa mit 37,8 Prozent. | |
Zu wenig, um wie geplant [1][im ersten Wahlgang] mit den nötigen 10 | |
Prozentpunkten Vorsprung die Wahl für sich zu entscheiden. 83,79 Prozent | |
der Stimmen waren zu diesem Zeitpunkt ausgezählt. | |
Während sich die Kandidaten der anderen Parteien da schon mit der für den | |
15. Dezember terminierten Stichwahl, der ersten in der Geschichte | |
Boliviens, beschäftigen, hoffte der 59-jährige Morales noch auf die Stimmen | |
vom Land. Dort ist Morales' Bewegung zum Sozialismus (MAS) zwar stark. Aber | |
alle Hochrechnungen von Vía Ciencia, der einzigen autorisierten Agentur, | |
gingen in die andere Richtung: 43,8 Prozent gegenüber 39,3 Prozent lautet | |
die Vorhersage für das Endergebnis. | |
Überraschend war das Abschneiden des erzkonservativen Kandidaten Oscar | |
Ortiz, der für „Bolivia hat Nein gesagt“ angetreten war. Statt wie in den | |
Umfragen bei bis zu 10 Prozent der Stimmen zu landen, kam er nur auf 4,3 | |
Prozent. Das trug er mit Fassung und sicherte dem gemäßigt konservativen | |
Carlos Mesa im zweiten Wahlgang seine volle Unterstützung zu. | |
## Bürgerliche scheinen sich zu vereinen | |
Auch der Drittplatzierte, Chi Hyun Chung, ein evangelikaler Laienprediger | |
von Christdemokraten, signalisierte Unterstützung für Mesa. Er landete nach | |
den Hochrechnungen bei 8,7 Prozent der Stimmen. Zunächst wollte der | |
Christdemokrat aber mit Mesa verhandeln. Damit könnte das eintreten, was im | |
Vorfeld der Wahlen bereits prognostiziert wurde: Das bürgerliche Lager | |
vereint sich, um den seit knapp vierzehn Jahren regierenden Evo Morales | |
abzulösen. | |
Für Aufregung sorgt jedoch erst einmal, dass die Auszählung der Stimmen | |
durch das Computersystem um 19.40 Uhr eingestellt wurde. Warum, ist bisher | |
vollkommen unklar, weshalb die Wahlbeobachter der Organisation | |
Amerikanischer Staaten (OAS) das oberste Wahlgericht (TSE) auf eine | |
Erklärung drängte. Es sei nötig, dass es eine kontinuierliche Zählung gäbe, | |
so die Aufforderung der OAS. | |
Doch die Homepage, auf der die Zahlen kontinuierlich veröffentlicht werden | |
sollte, war seit 20 Uhr lokaler Zeit tot. Das weckt Befürchtungen, die | |
Carlos Mesa kurz vor Mitternacht in Worte kleidete: „Wir können es nicht | |
akzeptieren, dass versucht wird, ein Ergebnis zu manipulieren.“ | |
Ehemalige Politiker wie Rafael Puente, einst Vize-Innenminister in Morales' | |
erstem Kabinett, hatten aufgrund von kurzfristigen personellen | |
Umbesetzungen im computergestützten Daten-Übermittlungssystem (TREP) vor | |
Wahlbetrug gewarnt. Das weckt Erinnerungen an mehrstündige Computerpannen | |
in Honduras, wo im Jahr 2017 anschließend der Oppositionskandidat die Wahl | |
verlor. | |
## Mesa würde ein Land in der Krise übernehmen | |
Bisher gibt es keine Erklärung für den möglichen Computerabsturz – aber | |
Carlos Mesa hat seine Anhänger bereits zur Wachsamkeit aufgerufen. Darüber | |
hinaus gibt er sich siegessicher, Evo Morales im zweiten Anlauf schlagen zu | |
können. Dann stünde er einer starken MAS-Opposition in den zwei Kammern des | |
Parlaments gegenüber, wo die Partei exakt die Hälfte der Abgeordneten | |
stellen dürfte – laut den letzten Ergebnissen. | |
Obendrein muss sich Mesa darauf einstellen, ein Land auf dem Weg in die | |
Krise zu übernehmen. Die Schulden sind auf mehr als 10 Milliarden US-Dollar | |
gestiegen, die Gasförderung ist rückläufig, und auch die Pläne der | |
Regierung, Strom in die Nachbarländer zu exportieren, sind alles andere als | |
solide kalkuliert. | |
Doch das ist Zukunftsmusik, denn erst einmal muss das oberste Wahlgericht | |
klären, wie es zu der Panne bei der Auszählung der Stimmen kam. Unter den | |
Richtern dominieren allerdings die Anhänger von Evo Morales. | |
21 Oct 2019 | |
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## AUTOREN | |
Knut Henkel | |
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