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# taz.de -- Präsidentschaftswahlen in Bolivien: Gegenwind für Evo Morales
> Seit 14 Jahren regiert Boliviens erster indigener Präsident Evo Morales
> das Land. Am Sonntag kandidiert er noch einmal – und könnte scheitern.
Bild: Tänzchen auf der Bühne: Evo Morales bei seiner Abschlusskundgebung am M…
La Paz taz | Mit einer Veranstaltung in El Alto hat Boliviens Präsident Evo
Morales am Mittwoch seine Kampagnen für die Wiederwahl am kommenden Sonntag
beendet. Die oberhalb von La Paz auf einem Hochplateau liegende Stadt ist
Boliviens Boomtown, zählt mittlerweile mehr als eine Million Einwohner und
ist längst zu einer wichtigen Handels- und Produktionsdrehscheibe mutiert.
El Alto ist eine Bastion des bolivianischen Präsidenten und seiner Bewegung
zum Sozialismus (MAS). „Evo steht wie kaum ein anderer für den Aufbruch und
den Wandel El Altos“, so der Koordinator des Kulturzentrums Wayna Tambo,
Mario Rodríguez.
Die einst als Schlafstadt entstandene, indigen geprägte Stadt, wo an jeder
Ecke Waren angeboten werden, hat sich in den letzten Jahren zu einer
Handels- und Produktionsdrehscheibe gemausert und auch von Investitionen
der Zentralregierung profitiert. Ein nagelneues Fußballstadion, das
höchstgelegene der Welt, gehört genauso dazu wie der noch im Bau
befindliche modernste Busbahnhof Lateinamerikas.
Prestigeprojekte, die das Konterfei von Evo zieren, denn der seit dem 2006
regierende ehemalige Kokabauer ist in Bolivien omnipräsent. Ob in den
mittlerweile zehn Seilbahnlinien, die in La Paz und El Alto verkehren, oder
an der kürzlich fertiggestellten Stadtautobahn, die beide Städte verbindet,
am Antlitz des Präsidenten kommt niemand vorbei.
## Herausforderer Mesa hat die Mittelklasse hinter sich
Zu den Präsidentschaftswahlen haben die Anhänger der MAS noch ein Schippe
drauf gelegt und so ziemlich jede ins Auge springende Hauswand dekoriert.
Erklärtes Ziel ist es, dass Evo gleich im ersten Wahlgang mindestens 40
Prozent der Stimmen erhält – und mindestens zehn Prozent Vorsprung auf den
Zweitplatzierten. Dann wäre keine Stichwahl nötig, Morales hätte sofort
gewonnen.
Wenige Tage vor der Wahl sieht es danach allerdings nicht aus.
Herausforderer Carlos Mesa, Historiker und Journalist, der für die
Comunidad Ciudadana (Bürgergemeinschaft) antritt, hat die Mittelklasse
hinter sich und in den letzten Wochen kontinuierlich aufgeholt. Derzeit
liegt er mit 27 Prozent der Stimmen nur noch 5,3 Prozent hinter Morales.
Gibt es aber eine Stichwahl, dürften sich die anderen Kandidaten an die
Seite von Mesa stellen und den fast 14 Jahre lang regierenden Evo Morales
in Rente schicken. Dagegen setzt die MAS alle Hebel in Bewegung und lässt
keine Chance aus, den Wähler*innen einzubläuen, dass Bolivien unter Evo
Morales eine durchschnittliche Wachstumsquote von 4,5 Prozent vorzuweisen
hat und dass auch die Armutsquote von über 60 Prozent halbiert wurde.
Kontinuität statt Experimente!
Diese Erfolge werden bei der Jugend durchaus anerkannt, so Noemi Lacra
Choque, eine 17-Jährige aus El Alto. „Klar lassen wir uns heute nicht mehr
einschüchtern, auch wenn wir Indios sind. Wir wissen, dass wir etwas
können. Dafür ist Evo mitverantwortlich“, sagt sie und holt kurz Luft.
„Aber ihm fehlen die Visionen und er sollte sich an die Gesetze halten“,
schiebt die junge Frau hinterher.
## Referendum verloren, aber Morales kandidiert trotzdem
Ihr geht es gegen den Strich, dass Evo Morales für die nunmehr vierte
Amtszeit kandidiert, obwohl im Februar 2016 eine Mehrheit von 51 Prozent
gegen die Verfassungsänderung stimmte, die die mehrmalige Wiederwahl des
Präsidenten ermöglicht hätte. Mit fadenscheinigen Begründungen wurde seine
[1][Kandidatur] von den [2][Verfassungsrichtern] und dem obersten
Wahlgericht durchgewunken.
Auch die paternalistischen Strukturen, wo Jobs oft nach Parteibuch und
nicht nach Qualifikation vergeben werden, eine Zunahme von
Korruptionsfällen und der immer autoritärere Führungsstil haben den
Präsidenten viel Sympathie gekostet.
Verantwortlich für die Abkehr vom partizipativen, dialogfreundlichen
Regierungsstil der ersten Jahre macht Rafael Puente die Zweidrittelmehrheit
im Parlament, die Morales quasi freie Hand gibt. „Evo ist besoffen von der
Macht“, kritisiert der ehemalige Vize-Innenminister der ersten
Morales-Regierung, verweist aber gleichzeitig auf den hohen Rückhalt, den
Evo nach wie vor in den ländlichen Regionen genießt.
Entscheiden wird sich die Wahl jedoch in den großen Städten, und dort ist
Evo in den letzten Wochen merklich in die Defensive geraten. Die
[3][Waldbrände in der Amazonasregion], die die Regierung mitzuverantworten
hat, weil sie kontrollierte Brandrodung gestattete, und ihr mieses
Katastrophenmanagement haben ihr viel Kritik eingebracht und viele Stimmen
gekostet. Das könnte am Ende den Ausschlag geben und in Bolivien die Ära
des ersten indigenen Präsidenten beenden.
19 Oct 2019
## LINKS
[1] /Moegliche-Wiederwahl-von-Evo-Morales/!5586688
[2] /Eklat-in-Bolivien/!5466626
[3] /Waldbraende-im-Amazonas-Gebiet/!5620615
## AUTOREN
Knut Henkel
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