| # taz.de -- Politologin über Sexismus in der Werbung: „Sie werden Frischflei… | |
| > Der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg gibt einen Leitfaden gegen | |
| > sexistische Werbung heraus. Petra Koch-Knöbel über Witze, Prostitution | |
| > und Sexobjekte. | |
| Bild: In Friedrichshain-Kreuzberg hat sexistische Werbung keinen Platz, in Brem… | |
| taz: Frau Koch-Knöbel, Ihr Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg hat sexistischer | |
| Werbung den Kampf angesagt. Da stellt sich die Frage, ab wann Werbung | |
| sexistisch ist. Die Berliner Verkehrsbetriebe etwa warben vor einiger Zeit | |
| auf einem Plakat mit einem kleinen Mopshund, der umsonst mit der U-Bahn | |
| fahren darf. Darunter stand: „Du musst Deine Möpse nicht verstecken“. Ist | |
| das nun lustig oder sexistisch – oder sogar beides? | |
| Petra Koch-Knöbel: Über Geschmack lässt sich ja nicht streiten. Wir haben | |
| darüber in unserer Arbeitsgruppe auch diskutiert. Aber wir sind dann nicht | |
| dagegen vorgegangen. | |
| Weil die Werbung vielleicht geschmacklos, aber nicht sexistisch war? | |
| Ja, letztlich sah man ja nur einen Hund. Aber in letzter Zeit fahren wieder | |
| Busse im Auftrag der BVG mit Werbung für ein Großbordell durch die Stadt. | |
| Mit diesen Bussen fahren Schulkinder zur Schule. Das geht gar nicht. | |
| Bordellwerbung halten Sie für diskriminierend? | |
| Auf jeden Fall, ja. Frauen werden hier als käufliche Sexualobjekte | |
| dargestellt. Damit sollte man Jugendliche nicht pausenlos konfrontieren. | |
| Die Grünen wollten doch bisher die Stigmatisierung der Sexarbeiterinnen | |
| beenden und ihren Beruf normalisieren. Und denen sagen Sie jetzt, dass sie | |
| für ihren Beruf nicht werben dürfen? | |
| Nicht auf großen Plakaten im öffentlichen Raum. Nicht, dass wir uns falsch | |
| verstehen: Ich bin für die Rechte der Prostituierten. Aber es ist nicht | |
| wegzudiskutieren, dass das ein Beruf mit einem problematischen Frauenbild | |
| ist, für den man nicht öffentlich mit Großplakaten werben sollte. | |
| Nächste Woche startet in Berlin die Erotikmesse „Venus“. Auf den Plakaten | |
| liegen zwei Damen in Unterwäsche aufgestützt auf dem Boden und lächeln. | |
| Darf dieses Plakat in Kreuzberg hängen? | |
| Hier handelt es sich eindeutig um sexistische Werbung. Die dargestellten | |
| Frauen schauen lasziv und unterwürfig von den Plakaten. Man sollte sie dann | |
| wenigstens um weitere freundliche Männer ergänzen, sonst haben wir wieder | |
| diese Fixierung auf weibliche Verfügbarkeit. Oder noch besser: die | |
| Werbeindustrie sollte sich darüber kreative Gedanken machen, eine andere, | |
| nicht sexistische, frauenfeindliche und diskriminierende Form der Werbung | |
| für ihr Produkt zu finden. | |
| Ich finde, die Frauen gucken ziemlich normal. Sind Sie nicht einfach der | |
| Meinung, dass Sexualität in der Außenwerbung schlicht nichts zu suchen | |
| habe? | |
| Ich würde sagen, weibliche sexualisierte Körper, die als verfügbar | |
| dargestellt werden, und das ist in dieser Werbung eindeutig der Fall, haben | |
| in der Öffentlichkeit nichts zu suchen. Ebenso wie sexualisierte Körper | |
| neben Grillfleisch oder Rasenmähern. | |
| Und Sie meinen, wenn man nun einen sexualisierten Mann neben die | |
| sexualisierte Frau stellen würde, das wäre dann besser? | |
| Das würde ich erst mal gern sehen. | |
| Zumindest für die schwule Zielgruppe wird auch mit sexualisierten | |
| Männerkörpern geworben. Ist das sexistisch? | |
| Ich habe da bisher noch nichts Herabwürdigendes entdecken können. Wissen | |
| Sie, diese Grenzfälle sind interessant. Aber wir haben es in unseren | |
| Beratungen eher mit angedeuteten Vergewaltigungen zu tun oder mit Frauen, | |
| die Frischfleisch genannt werden. Ich will, dass die Werbeindustrie sich | |
| etwas Besseres einfallen lässt als die Verdinglichung von Frauen. | |
| Der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg hat jetzt einen Leitfaden zum Umgang | |
| mit sexualisierter Werbung herausgegeben, der Orientierung bieten soll. Und | |
| da frage ich mich nun, ob es nicht auch bei der Bikini-Werbung darauf | |
| ankommt, auf welche Art Frauen hier sexy dargestellt sind, um diese Werbung | |
| als sexistisch zu bewerten? Sexy muss ja nicht gleich doof und unterwürfig | |
| sein. | |
| Mit Bikini-Werbung an sich habe ich ja auch gar kein Problem. Ich bin ja | |
| nicht prüde. Man muss da schon genauer hingucken: Wie ist die Frau | |
| präsentiert, wie guckt sie? | |
| Die US-Popsängerin Lady Gaga bewarb ihr Parfum „Fame“ mit einem Foto von | |
| sich selbst, nackt. Auf ihr krabbelten kleine Männchen herum und hielten | |
| sich verzweifelt an ihr fest. Ist dieses Motiv in Ihren Augen trotzdem | |
| sexistisch? | |
| Ja, weil mit dieser Form der Werbung suggeriert wird, dass alle Frauen | |
| diesem Schönheitsbild entsprechen müssen, damit „viele kleine Männer“ si… | |
| um sie scharen. Was hat das mit dem Produkt Parfüm zu tun? | |
| Na ja, es ist ihr Parfüm. Und die Sängerin inszeniert ihre Sexualität sehr | |
| selbstbestimmt, um nicht zu sagen: dominant. Es gibt ja Feministinnen, die | |
| finden, dass das kein Sexismus ist, sondern weibliche Selbstermächtigung. | |
| Eine phallische Frau. Sie finden das nicht? | |
| Wir sind da ein bisschen stringenter. Viele Frauen profitieren vom Verkauf | |
| eines sexualisierten Bildes von sich selbst. So funktioniert unsere Kultur | |
| ja gerade. Frauen werden sexualisiert und das wird verkauft. Dass Frauen | |
| dabei mitmachen, ändert an dieser Struktur nichts. | |
| Rollenstereotype lehnen Sie auch ab und wollen sie nicht mehr auf Plakaten | |
| reproduziert sehen. Heißt das: Kein rosa T-Shirt mehr für Mädchen? | |
| Genau. Die Eltern können ruhig auch mal nachdenken darüber, wie sie ihre | |
| Kinder einengen, wenn sie sie nur in Klischeeklamotten stecken. | |
| Sie haben ja auch eine Tochter. Durfte die kein Rosa tragen? | |
| Sie durfte alles tragen, was sie wollte. Ich habe sie aber nicht in | |
| klischeehaftem Verhalten bestärkt. Heute studiert sie Mathe und ist mit | |
| ihrer Erziehung ganz zufrieden. | |
| Frauen, die für Waschmittel werben – gehört das in Ihren Augen verboten? | |
| Verboten ist das falsche Wort. Ich bin eigentlich gegen Verbote. | |
| Überzeugungsarbeit ist natürlich viel besser. Aber manchmal muss man nach | |
| vielen Jahrzehnten Überzeugungsarbeit auch mal einen Punkt setzen, einen | |
| Anstoß geben. Wir als Bezirk wollen auf unseren 27 Werbeflächen solche | |
| Klischees nicht unterstützen und fordern die Firmen zu mehr Kreativität | |
| auf. | |
| Sie wollen auch Diäten, Damenrasierer und Faltencremes nicht unterstützen. | |
| Als Firma würde ich dann sagen: Der Staat muss alle gleich behandeln und | |
| darf mich als Rasiererfirma nicht benachteiligen. Können Sie das Argument | |
| nachvollziehen? | |
| Nein. Die können nur nicht auf unseren 27 Plakatflächen werben. | |
| Werbetreibende müssen sich an unsere Kriterien halten. Wir sind da | |
| insgesamt vielleicht ziemlich kess. Aber wir wollen ja auch eine Diskussion | |
| anstoßen, und das ist nun die Gelegenheit. | |
| Stevie Schmiedel von Pinkstinks setzt sich bundesweit gegen sexistische | |
| Werbung ein. Wenn Sie Rasiererwerbung verbieten wollen, geht ihr das aber | |
| zu weit. Sie fürchtet, dass Sie damit jede Akzeptanz für das eigentlich | |
| wichtige Anliegen verspielen. | |
| Die Akzeptanz haben wir bereits. Unsere Bezirksspitze ist demokratisch | |
| gewählt, hat diese Arbeitsgruppe eingesetzt und das Ergebnis publiziert. | |
| Wir verbieten ja den Eltern und den Kindern nichts. Wir wollen einfach nur | |
| keine Klischeewerbung unterstützen. Und ich freue mich, dass dieser Anstoß | |
| nun in den Medien aufgegriffen wird. | |
| Freiheit ist in diesem Land ja ein hohes Gut. Wer sie einschränkt, muss | |
| schwerwiegende Gründe haben. In Ihrem Leitfaden antworten Sie darauf: | |
| „Sexistische Werbung (…) ist eine strukturelle Form von Gewalt“. Da höre | |
| ich schon die Stimmen höhnen: Sind rosa T-Shirts jetzt schon Gewalt? | |
| Das ist aber nun ein völliger Kurzschluss. Aber Frauen ausschließlich auf | |
| Attribute wie schön, dumm, jederzeit verfügbar zu reduzieren, das macht | |
| natürlich etwas mit den Frauen und Mädchen. Sie trauen sich dann viele | |
| Dinge nicht zu, wollen dem gesellschaftlichen Idealbild von Frauen | |
| entsprechen, sind auf ihr Aussehen fixiert und machen davon ihr | |
| Selbstbewusstsein abhängig. Das ist psychisch nicht gesund. Das, was | |
| Mädchen in der Werbung sehen, kann Essstörungen begünstigen, und die können | |
| tödlich sein. | |
| Ist sexistische Werbung nicht eigentlich nur noch retro? Lachen wir darüber | |
| nicht nur noch alle? | |
| Ich beschäftige mich seit Mitte der Siebziger mit dem Thema. Da haben auch | |
| schon alle gelacht. Das Retro dauert mir nun ein bisschen zu lang. Werbung | |
| beeinflusst nun mal unsere unbewussten Geschlechterbilder. Und Männer, die | |
| Frauen als Deko ansehen oder meinen, sie hätten einen Anspruch auf eine | |
| Frau, haben in dieser ganzen Zeit viel Unheil angerichtet. Sehen sie sich | |
| mal die Aussagen von Vergewaltigern an. Oft meinen sie, Frauen hätten ihnen | |
| zur Verfügung zu stehen. Oder Gewalttäter, die Frauen dafür „bestrafen“, | |
| dass sie ihnen nicht oder nicht mehr zur Verfügung stehen. Das ist dann gar | |
| nicht mehr lustig. | |
| Die Jury gibt es schon seit 2014. Was haben Sie denn alles schon | |
| beanstandet? | |
| Glücklicherweise noch nichts. Durch solche Initiativen wie unsere ist die | |
| Werbeindustrie tatsächlich schon etwas sensibilisiert worden. Das rechne | |
| ich uns als Erfolg an. | |
| 9 Oct 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Heide Oestreich | |
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