# taz.de -- Kolumne Hosen runter: Kleckernde Schweinereien | |
> Essen ist sexy. Gefrorene Cocktails, die „SuckIt“ heißen, sind es nicht. | |
> Genauso wenig wie Austern, Bananen und Sprühsahne. | |
Bild: Sexy? Das liegt im Auge des Betrachters | |
Erinnert sich noch jemand an das Lied „Sexy Eis“ von Bürger Lars Dietrich? | |
(„Ich hätte gern zwei Kugeln / und zwar so richtig große / in einer spitzen | |
Tüte / mit einem Spritzer Soße.“) Und an die Filmreihe „Eis am Stiel“? | |
(Nackte Frauen unter der Dusche am Strand von Tel Aviv.) Und an den | |
Flutschfinger von Langnese? (Kichernde Pubertisten im Schwimmbad.) Ja, Eis | |
ist eine zweideutige, kleckernde Schweinerei. So weit, so bekannt. | |
Letzte Woche waren nun zwei junge Männer in der „Höhle der Löwen“, einer | |
Fernsehshow, in der Unternehmensgründer versuchen, Investoren für ihre Idee | |
zu gewinnen. Ihr Produkt: Gefrorene Cocktails. Mojito, Vodka Energy, Rum | |
Orange. Ihr Markenname: SuckIt. | |
Die Jungunternehmer hatten aus zwei Gründen keinen Erfolg. Erstens, weil | |
offenbar keiner der Investoren etwas mit Alkohol zu tun haben wollte. | |
Zweitens wegen des Namens. „Der ist so oberproll“, sagte die einzige Frau | |
in der Sendung sichtlich unangenehm berührt, „und ist nur auf Frauen | |
ausgerichtet.“ | |
Man könnte sich jetzt ausführlich über den [1][Internetauftritt der | |
Eiscocktails] auslassen („Wir sind SuckIt. Nicht LickIt und auch nicht | |
KissIt. Wir sind witzig, versaut und – vielleicht ein bisschen zu laut“), | |
der aussieht wie eine schlechte Pornoseite und über Sexismus in der Werbung | |
allgemein. Zumal die Vermutung naheliegt, dass die Zielgruppe hauptsächlich | |
aus 15-jährigen Jungs besteht, die den Alkohol am Stiel auf Partys grinsend | |
ein paar Mädchen anbieten, zwinker, zwinker. Oder aus 15-jährigen Mädchen, | |
die sich SuckIt kaufen, um ihren Schwarm zu verführen. | |
Aber eigentlich geht es um etwas anderes, Grundlegenderes. Nämlich um den | |
Unterschied zwischen Sex und Erotik. Zweideutigkeiten funktionieren nun mal | |
nur im Verborgenen. Und wenn ein Hersteller für Smoothies mit Chia-Samen | |
mit dem Slogan wirbt: [2][„Bei Samenstau schütteln“], dann ist das | |
vielleicht lustig – aber die Zahl der Menschen, die gerne Sperma trinkt, | |
weil es so gut schmeckt, hält sich vermutlich in Grenzen. | |
Natürlich ist Essen sexy. Wir benutzen dafür schließlich die gleichen Hände | |
und Münder, mit denen wir auch lieben. Manchmal ist Essen sogar besser als | |
Sex. | |
Wer Essen nicht sinnlich findet, hat noch nie Nutella mit dem Löffel direkt | |
aus dem Glas gegessen. Oder einen Kuchenteig geknetet. Oder sich von | |
jemandem ein Leberwurstbrot bestreichen lassen, wenn es draußen kalt ist. | |
Nur: Erotik findet im Kopf statt. Erotik kann man nicht aufs Brot | |
schmieren. | |
Deshalb sind bestimmte Bilder auch so – Entschuldigung! – ausgelutscht, | |
weil sie in der Vergangenheit einfach zu oft bemüht wurden: Eine Frau, die | |
eine Banane isst. Ein Mann, der Austern schlürft. Sprühsahne. Honig. Eis am | |
Stiel. Das hat das Essen nicht verdient. Zumal es auch immer darauf | |
ankommt, wessen Mund da gerade die Spaghetti einsaugt und wessen Hand die | |
Pistazien knackt. Falsche Person, falsches Bild. Und dann kann man nie mehr | |
Pistazien essen. Wäre doch schade. | |
Gut, dass die Eissaison vorbei ist. Auf der Speisekarte stehen jetzt wieder | |
Schmorgurken, Kartoffelpuffer und Steckrüben. Guten Appetit und: Kopfkino | |
an. | |
28 Oct 2016 | |
## LINKS | |
[1] https://suckit-ice.com/ | |
[2] http://meedia.de/2016/08/29/bei-samenstau-schuetteln-fuer-ihre-chiasamen-sa… | |
## AUTOREN | |
Franziska Seyboldt | |
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