# taz.de -- Politisches Erdbeben in Thüringen: Den Osten verloren | |
> Die AfD kann ihre Opfer-Erzählung weiterdrehen. Denn es waren | |
> Bundespolitiker von FDP und Union, die den Thüringer Dammbruch verdammt | |
> haben. | |
Bild: Annegret Kramp-Karrenbauer und Friedrich Merz im April 2019 | |
Nur 25 Stunden können Deutschland für immer verändern. Das ist die Lektion | |
aus dem Drama in Thüringen. Der Eintagsministerpräsident Thomas Kemmerich | |
[1][hat zwar seinen Rücktritt angekündigt] – dennoch hat der „Dammbruch�… | |
Erfurt alles verändert. In Thüringen wie im Bund. | |
In Thüringen ist die Stimmung zwischen den Parteien gründlich vergiftet, | |
und die AfD hat bleibend triumphiert. Konkrete Macht hat sie zwar nur für | |
einen einzigen Tag ausgeübt, aber der rechtsradikale „Flügel“ unter Björn | |
Höcke hat drastisch vorgeführt, dass er [2][taktisch weitaus raffinierter | |
ist als die gehassten „Altparteien“.] Die Anhänger sind begeistert. | |
Zudem kann die AfD nun erneut ihr Lieblingsthema variieren, dass die | |
Ostdeutschen die Opfer der Nation seien. Denn es waren ja die | |
Bundespolitiker in FDP und Union, die den Thüringer „Dammbruch“ verdammt | |
haben. In Erfurt hätten die CDUler und Liberalen das Experiment liebend | |
gern fortgesetzt. Ostdeutsche wurden entmachtet – diese vermeintliche | |
Kränkung wird die AfD in weitere Stimmen umwandeln. | |
Für CDU und FDP bedeutet das Drama umgekehrt: Sie haben den Osten verloren. | |
Doch ist die Spaltung zwischen Ost und West nicht die einzige Kluft, die | |
sichtbar wurde. Noch dramatischer: Union und Liberale sind grundsätzlich | |
gespalten, wie sie mit der AfD umgehen sollen. | |
Viele FDPler auf rechtsnationalem Kurs | |
FDP-Chef Lindner sah sich gezwungen, [3][eine Vertrauensfrage im | |
Parteivorstand anzukündigen], nachdem er Parteifreund Kemmerich zum | |
Rücktritt genötigt hatte. Vertrauensfragen sind ein scharfes Schwert, das | |
man nicht zu oft zücken kann, wenn sich diese Waffe nicht abnutzen soll. | |
Dass Lindner seine Person zur Disposition stellen musste, zeigt nur: Der | |
Unmut unter den Liberalen war heftig. Viele hätten sich gern von der AfD | |
tolerieren lassen. Nicht wenige FDPler sind – auch bundesweit – auf dem Weg | |
in die rechtsnationale Ecke. | |
Aber die eigentliche Schlammschlacht steht der CDU bevor. Es kursiert der | |
böse Verdacht, dass [4][die erzkonservative Werte-Union den Coup von Erfurt | |
sorgsam geplant hat] – um Kanzlerin Merkel und CDU-Chefin Kramp-Karrenbauer | |
endgültig zu demontieren. Es ist kein Zufall, dass Friedrich Merz just | |
gestern verkündet hat, dass er sein Aufsichtsratsmandat bei der | |
umstrittenen Investmentfirma BlackRock aufgibt, um „die CDU noch stärker | |
bei ihrer Erneuerung zu unterstützen“. | |
[5][In der CDU ist der offene Machtkampf ausgebrochen], und Thüringen war | |
dafür nur das Spielfeld. Längst geht es um Merkel und Kramp-Karrenbauer. | |
Bei der Union ist nichts mehr undenkbar – dafür haben 25 Stunden genügt. | |
6 Feb 2020 | |
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## AUTOREN | |
Ulrike Herrmann | |
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