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# taz.de -- Alternative für Deutschland: Vergesst Höcke!
> Weite Teile der AfD haben sich mit dem „Flügel“ versöhnt, der extrem
> rechten Strömung um Björn Höcke. Das muss den Blick auf die Partei
> verändern.
Bild: Björn Höcke (r.) gratuliert beim Parteitag der AfD Andreas Kalbitz zur …
Björn Höcke hat im vergangenen Jahr ziemliches Tamtam gemacht. „Ich werde
mich mit großer Leidenschaft der Neuwahl des Bundesvorstands hingeben“,
kündigte der Thüringer AfD-Landeschef und Anführer des „Flügels“ im
vergangenen Juli vor AnhängerInnen an. Die Parteispitze werde in der
aktuellen Zusammensetzung nicht wiedergewählt. Plant die extrem rechte
Parteiströmung bei den Vorstandswahlen einen Durchmarsch? Greift Höcke gar
selbst zur Macht in der AfD?
Es waren Fragen wie diese, die daraufhin debattiert wurden – und verstärkt
nach den drei Landtagswahlen in Ostdeutschland, bei denen die AfD mit
„Flügel“-Männern an der Spitze erfolgreich war. Auch das würde wohl den
Einfluss des „Flügels“ in der Partei weiter stärken.
Nach dem Parteitag, auf dem die AfD Anfang Dezember ihre Bundesspitze neu
gewählt hat, muss man sagen: Diese Fragen waren falsch gestellt. Vergesst
den Flügel! Viel wichtiger ist, dass der Rest der Partei offenbar seinen
Frieden mit der extrem rechten Strömung gemacht hat. Die Mehrheit derer,
die sich innerhalb der [1][Alternative für Deutschland] für gemäßigt
halten, hat den Widerstand gegen Höcke, Kalbitz & Co aufgegeben. Sie hat
den Flügel samt seiner extremsten Vertreter als integralen Bestandteil der
Partei akzeptiert.
## Abgestrafte Kritiker
Dies wird besonders beim Blick auf gescheiterte Kandidaturen deutlich:
Georg Pazderski, Berliner Landeschef und bislang stellvertretender
Bundesvorsitzender, flog aus dem Vorstand. Uwe Junge, Fraktionschef in
Rheinland-Pfalz, bekam keine Mehrheit. Kay Gottschalk,
Bundestagsabgeordneter aus Nordrhein-Westfalen und wie Pazderski bislang
Vizechef der Partei, schaffte es nicht wieder in das Spitzengremium.
Alle drei hatten sich nicht nur in der Vergangenheit immer wieder gegen
Höcke positioniert, sondern auch zuletzt maßgeblich an dem „Appell der
Hundert“ mitgewirkt, der den Personenkult um Höcke und dessen Angriff auf
den Bundesvorstand öffentlich kritisierte.
## Verordnete Harmonie
Eine Stilkritik, mehr war das nicht. Der „Appell“ hatte es nicht einmal
gewagt, Höcke, den man inzwischen mit richterlichem Segen einen
„Faschisten“ nennen darf, inhaltlich anzugehen. Doch das reichte. Wer den
Ruf hat, [2][die selbst verordnete Harmonie] wohl möglich zu stören, wurde
auf dem Parteitag abgestraft. Die AfD-Spitze nennt das
Professionalisierung. Man kann es aber auch anders nennen: Die angeblich
Gemäßigten machen sich selbst zum Feigenblatt.
Daran ändert auch nichts, dass die Parteispitze in Einzelfällen durchaus
gegen Rechtsausleger vorgeht: Doris Sayn-Wittgenstein aus
Schleswig-Holstein etwa, die 2017 fast Parteichefin geworden wäre, flog
wegen Werbung für einen rechtsextremen Verein aus der Partei; gegen
Wolfgang Gedeon aus Baden-Württemberg läuft wegen antisemitischer
Publikationen ein Ausschlussverfahren. Beide aber haben weder Hausmacht
noch Erfolg – sind also unwichtig für die Partei. Da lässt es sich relativ
leicht sanktionieren.
Bei Höcke und Kalbitz, den Führern des Flügels, sieht das gänzlich anders
aus: Sie stehen an der Spitze sehr erfolgreicher Landesverbände sind in der
AfD ein Machtfaktor. Mit denen macht man lieber gemeinsame Sache, als sich
mit ihnen anzulegen. Schließlich, so die Einschätzung, schafft man es nur
gemeinsam an die Macht. Entsprechend wurde Kalbitz, wenn auch knapp, wieder
in den Bundesvorstand gewählt – trotz rechtsextremer Biographie, aus der
zuletzt neue Details auch aus der jüngeren Zeit bekannt geworden sind.
## Radikalisierung leicht gemacht
Was aber folgt daraus? Erstens kann man die Hoffnung auf eine Spaltung der
AfD endgültig begraben. Wohl eher wird ein Teil derer, die sich für
gemäßigt halten, die Partei still verlassen, wie dies der sächsische
[3][Bundestagsabgeordnete Lars Herrmann] kurz vor Weihnachten getan hat.
Zweitens wird sich der Flügelkurs in der AfD weiter ausbreiten. Und dafür
müssen gar nicht mehr Flügel-Leute in Schlüsselpositionen gelangen. Es sind
genug da, die der Strömung nahe stehen oder ihr zumindest keine Probleme
machen und sich arrangieren. In einer Partei, deren Grundmythos darin
besteht, dass alles gesagt werden darf, weil es anderswo unterdrückt wird,
hat Radikalisierung es deutlich leichter als Mäßigung.
Bleibt der parteiinterne Widerstand aus, muss man drittens die
Vorstellungen von Höcke, Kalbitz und Co. der Gesamtpartei zurechnen. Das
heißt: Die AfD sollte nicht mehr als rechtspopulistisch bezeichnet werden,
dies ist verharmlosend. Die AfD ist eine rechtsradikale Partei mit
rechtsextremen Elementen. Das heißt im Umkehrschluss zwar nicht, dass jedes
AfD-Mitglied oder gar jederR WählerIn einE RechtsextremistIn ist. Aber wer
sein Kreuz bei der AfD macht, muss sich sagen lassen, dass er
Rechtsextremisten unterstützt.
Diese Entwicklung wird viertens wohl auch den Verfassungsschutz noch
stärker auf den Plan rufen. Denn grenzt sich die Partei nicht mehr vom
„Flügel“ ab, könnte sie bald als ganze Verdachtsfall für rechtsextreme
Bestrebungen sein. Dann dürften zunehmend Beamte die Partei verlassen, wie
der bereits genannte Bundestagsabgeordnete Herrmann. Der Bundespolizist hat
Angst um seinen Beamtenstatus. Er dürfte nicht der einzige sein.
All das läuft dem Ziel der AfD zuwider, Anschluss an die so genannte
bürgerliche Mitte auch in den westdeutschen Bundesländern zu finden. Da
kann die Spitze noch so häufig betonen, die AfD sei eine „bürgerliche
Partei“. Sie wird also verstärkt auf „Selbstverharmlosung“ setzen, wie G…
Kubitschek, der Flügel-Vordenker vom neurechten Institut für Staatspolitik,
das nennt. Soll heißen: Die Partei wird versuchen, sich deutlich harmloser
darzustellen als sie ist. Das Ziel: die „emotionale Barriere“ einzureißen,
die bürgerliche WählerInnen daran hindert, der AfD ihre Stimme zu geben.
Entscheidend wird sein, ob sie damit erfolgreich ist.
5 Jan 2020
## LINKS
[1] /Rechtsextremismus-und-AfD/!5644312
[2] /Nachfolger-Gaulands-als-AfD-Chef/!5641426
[3] /Austritt-aus-AfD-Bundestagsfraktion/!5647292
## AUTOREN
Sabine am Orde
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Jörg Meuthen
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