# taz.de -- Politischer Aschermittwoch der CSU: Der zahme „Bavarian Dream of … | |
> Beim Politischen Aschermittwoch gibt sich die CSU gemäßigt. Dahinter | |
> steckt Kalkül von Markus Söder und Manfred Weber. | |
Bild: Bier floss soviel wie immer, die Rede von CSU-Chef Markus Söder war gem�… | |
PASSAU taz | „Es ist Zeit für neue Stärke, die CSU ist da, und die CSU | |
bleibt auch da“, ruft Markus Söder am Ende in die weiß-blau geschmückte | |
Mehrzweckhalle. Und als dann die Menschen aufspringen, klatschen und | |
jubeln, könnte man für einen Moment denken, es ist alles so wie immer bei | |
diesem Hochamt, bei diesem größten Stammtisch Deutschlands. Doch die rund | |
zwei Stunden, die diesem Moment vorausgegangen sind, haben gezeigt: Wenig | |
ist noch so wie früher. Zahm ist er geworden, der Politische | |
Aschermittwoch; und auch ein bisschen Sinnbild für eine Zeitenwende bei der | |
CSU. | |
An den Rahmenbedingungen in der Dreiländerhalle in Passau liegt es freilich | |
nicht. Gefühlt 10.000 Menschen sind mal wieder hier, wie die | |
CSU-Generalsekretäre es zu beziffern pflegen – auch wenn es in Wirklichkeit | |
natürlich deutlich weniger als die Hälfte sind. | |
Und gefühlt 90 Prozent von ihnen, das betonen die Generalsekretäre für | |
gewöhnlich nicht, sind Männer. Am Rednerpult dasselbe Bild: Während bei den | |
Parallelveranstaltungen von Grünen, SPD, und sogar Freien Wählern, FDP und | |
AfD nur oder auch Frauen sprechen, gehört die Bühne bei der CSU von einer | |
Grußwortüberbringerin abgesehen, wie in den vergangenen 66 Jahren | |
ausschließlich den Männern. Die Voraussetzungen für ein gewohnt derbes | |
Politspektakel sind gut. | |
Zumal es nicht nur an Testosteron, sondern auch an Bier nicht fehlt. Um | |
neun Uhr wird es bereits in Masskrügen durch die Dreiländerhalle getragen, | |
Fasten nennt man das hierzulande – weil dazu keine Schweinshaxen, sondern | |
Fischsemmeln gereicht werden. Es sind die Hardcore-Anhänger, die es hier zu | |
überzeugen gilt, darunter viele Nostalgiker, die sich gern an die Zeiten | |
von Franz Josef Strauß zurückerinnern, der über Jahrzehnte das Bild des | |
Politischen Aschermittwochs geprägt hat. Und sie erwarten hier einen | |
Boxkampf – auch wenn der Gegner nicht in der Dreiländerhalle einläuft, | |
sondern in Landshut, in Osterhofen oder in Vilshofen. | |
## Manfred Weber hält eine Bewerbungsrede | |
Doch die politischen Gegner stehen diesmal gar nicht im Mittelpunkt der | |
christlich-sozialen Aufmerksamkeit. Manfred Weber, [1][Spitzenkandidat der | |
CSU bei den Europawahlen] und erster Hauptredner in Passau, beschränkt sich | |
auf sein Thema, Europa, und das, was er dieser Tage in jeder Hauptstadt | |
Europas tut: Er hält eine Bewerbungsrede in eigener Sache. | |
„Ich will, ich kann, ich werde Kommissionspräsident werden“, ruft Weber. | |
Und so vielschichtig seine gesamteuropäische Wählerschaft ist, so allgemein | |
gibt sich der EVP-Fraktionschef. Wenig, was nicht auf breiten Konsens auch | |
außerhalb des Saales stoßen würde. Von Europa als dem „Geschenk der | |
Freiheit, das wir erhalten müssen“, spricht Weber, von Politik, die „aus | |
der Mitte heraus gestaltet werden“ müsse, und von der Notwendigkeit, | |
Fluchtursachen zu bekämpfen. „Heute steht Syrien im Mittelpunkt, morgen | |
geht es um Afrika.“ | |
Den größten Applaus erhält Weber, als er ankündigt, als | |
Kommissionspräsident die Beitrittsgespräche mit der Türkei beenden zu | |
wollen und als er fordert, Konzerne wie Facebook stärker zu kontrollieren. | |
„Wer in Europa Geld verdienen will, soll sich an europäische Regeln | |
halten.“ | |
Die einzigen politischen Gegner, die Weber in seiner Rede nennt, sind die | |
nationalistischen Bewegungen wie Front National und AfD, die Europa | |
zerstören wollten. „Wir müssen uns in aller Klarheit gegen sie stellen und | |
gegen sie kämpfen.“ Die größte Leistung der Rede bleibt es am Ende, mit | |
keinem Wort Viktor Orbán erwähnt zu haben, [2][der die EVP gerade auf eine | |
Zerreißprobe stellt.] | |
## Mehr als höflicher Applaus für gemäßigte Reden | |
Die Leute im Saal scheinen den Holzhammer jedoch nicht zu vermissen. Der | |
Applaus ist weit mehr als höflich, Standing Ovations bekommt auch Weber am | |
Ende, und die Fans halten ihre Schals mit Weber-Konterfei und dem Spruch | |
„Ein Bayer für Europa“ in die Höhe. | |
Den mehr folkloristischen Teil übernimmt im Anschluss CSU-Chef Markus | |
Söder, doch auch er hält sich dezent zurück, ist sichtlich bemüht, das | |
Image des versöhnlichen Landesvaters nicht zu beschädigen, das er sich seit | |
dem [3][Wahldesaster vom vergangenen Oktober] selbst verordnet hat. In | |
Janker und mit ungewohntem Dreitagebart stellt er sich ans Pult und liefert | |
einen kleinen Rundumschlag zur deutschen Politik. | |
Er beschwört den „Bavarian Dream of Life“, warnt vor der AfD, die einen | |
Austritt Deutschlands aus der EU wolle, fordert eine ordentliche | |
Ausstattung der Bundeswehr und lobt die neuen Beziehungen zwischen CDU und | |
CSU: „Annegret Kramp-Karrenbauer und ich können eines versprechen: Mit uns | |
wird sich 2015 nicht wiederholen. Wir arbeiten wieder stark zusammen.“ | |
Zuwanderung müsse geordnet bleiben, wer für den IS kämpfe, verwirke sein | |
Recht auf die deutsche Staatsbürgerschaft, einen Linksruck dürfe es nicht | |
geben, es brauche eine Energiewende 4.0, die nicht auf Lasten des Südens | |
gehe, und das NoGroko-Genörgel gehe den Deutschen langsam auf den Geist. | |
Und klar, [4][Bienen retten. Aber bitte auch die Bauern]. | |
## Strauß schimpfte noch, Söder tut versöhnlich | |
Brüller? Beleidigungen? Zitate, die in Erinnerung bleiben werden? Keine. | |
Strauß hatte noch die Studentenbewegung als „schmutzige linksradikale | |
Elemente“ beschimpft und gerufen: „Von Viertel-Intellektuellen lassen wir | |
uns nicht vormachen, was Intelligenz ist.“ Die SPD nannte er „Rattenfänger… | |
und „rote Deppen“, ihren Chef Willy Brandt einen „zum Messias | |
herausgeputzten Pseudopropheten“. | |
Nachfolger Söder dagegen will von Kevin Kühnert kein Auto, nicht einmal | |
einen Roller kaufen. Und so lässig wie Robert Habeck sei er schon lange. | |
Und Söders Kommentar zu den Fridays-for-Future-Demonstrationen: „Ich hätte | |
so gern für FJS während Latein demonstriert.“ | |
Wenn das so weitergeht, könnte die CSU fast noch eine normale Partei | |
werden. Wäre ja nicht das Schlimmste. | |
6 Mar 2019 | |
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## AUTOREN | |
Dominik Baur | |
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