# taz.de -- Politischer Aschermittwoch mit AKK: Alle verkrampft, außer mir | |
> Schlechte Witze als Kulturgut: Am Politischen Aschermittwoch gibt sich | |
> die CDU-Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer kämpferisch. | |
Bild: Reißt Witze, die müffeln: CDU-Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer | |
Berlin taz | Die Demminer Parteifreundinnen guckten nicht schlecht. Eine | |
CDU-Vorsitzende [1][der klaren, fast schon drastischen Worte] – das sind | |
sie hier im Nordosten nicht gewöhnt. Zum Politischen Aschermittwoch in | |
Mecklenburg-Vorpommern kam diesmal nicht wie sonst die stets mittel | |
temperierte Angela Merkel ins örtliche Squash-Center und hielt eine ihrer | |
lauen, vom Bundespresseamt vorbereiteten „Spaß muss sein“-Reden. | |
Nein, zur 24. Auflage dieser an Seltsamkeiten ohnehin nicht armen Tradition | |
übernahm diesmal Merkels Nachfolgerin Annegret Kramp-Karrenbauer die | |
Aufgabe, die Seele der nordostdeutschen CDU zum Kochen zu bringen. Und was | |
soll man sagen? „AKK“, wie die neue Parteivorsitzende genannt wird, | |
lieferte. | |
In den CDU-Farben Schwarz und Orange gekleidet, hielt Merkels Nachfolgerin | |
eine vierzig Minuten währende Aschermittwochsrede, die sich gewaschen | |
hatte. Gerichtet war sie vor allem an jene, die gemeint hatten, nach dem | |
Shitstorm der letzten Tage zeige sich AKK in irgendeiner Weise zerknirscht | |
oder gar einsichtig. Das Gegenteil war der Fall. Beim Stockacher | |
Narrengericht am vergangenen Wochenende hatte Kramp-Karrenbauer verdammt | |
tief in die Klischeekiste gegriffen und einen [2][mehr als nur müffelnden | |
Witz] über Angehörige des dritten Geschlechts gerissen. | |
Bei der Frage pro oder contra Unisextoiletten, hatte sie erklärt, gehe es | |
doch vor allem um Personen, „die nicht wissen, ob sie noch im Stehen | |
pinkeln dürfen oder schon sitzen müssen“. Tätää! | |
Die Reaktionen im medialen und politischen Raum waren episch ausgefallen. | |
Von Diskriminierung war die Rede, von Zynismus auf Kosten Schwächerer. | |
Selbst die Lesben und Schwulen Union forderte eine Entschuldigung der | |
Parteivorsitzenden. Nach dem, was nun am Aschermittwoch in Demmin zu | |
beobachten war, kann festgestellt werden: Annegret Kramp-Karrenbauer spornt | |
so was eher noch an. Sie ist nicht umsonst seit Jahren als Putzfrau Gretel | |
in der saarländischen Fastnacht unterwegs; sie weiß, wie man eskaliert und | |
die anderen zwingt, bei mäßigen Witzen auch noch mitzulachen. Heftig | |
attackierte sie also ihre Kritikerinnen und spielte den Ball in deren Feld | |
zurück. | |
Bezogen auf ihre Stockacher Fastnachtsrede rief sie: „Ich kann euch nur | |
sagen: Wenn wir das so weitermachen, dann laufen wir Gefahr, etwas ganz | |
Wunderbares in unserem Land kaputt zu machen, nämlich die Tradition von | |
Karneval, die Tradition von Fastnacht, die Tradition von Kleinkunst, wo man | |
gerade nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen muss. Wenn wir da so | |
verkrampfen, wie wir es in den letzten Tagen getan haben, dann geht ein | |
Stück Tradition und Kultur in Deutschland kaputt. Und das sollten wir nicht | |
zulassen.“ | |
## Witze zum Kulturgut aufrüschen | |
Wir gegen die – diese rhetorische Figur funktioniert bei der Union | |
zuverlässig. Und abgesehen davon, dass in weiten Teilen dieses Landes | |
niemand etwas vermissen würde, wenn Karneval, Fasching oder Fastnacht | |
einfach ausfielen, macht es sich einfach gut, schlechte Witze zum Kulturgut | |
aufzurüschen. Und damit auch wirklich keine Unklarheiten aufkamen, wen sie | |
streicheln und wen sie treffen wollte, legte Kramp-Karrenbauer gleich noch | |
eine Schippe drauf. Mit ihrer Rede von Stockach habe sie sich einzig gegen | |
den Vorwurf des Narrengerichts verteidigt, sie habe „die Entmannung der | |
CDU“ zu verantworten. Es sei ihr nicht um ein drittes Geschlecht gegangen, | |
sondern „um die Frage von Emanzen“, Machos und das Verhältnis zwischen den | |
Geschlechtern. | |
Emanzen – man fragte sich, aus welchem seit den siebziger Jahren | |
verschütteten Erdloch sie dieses Wort nun wieder ausgebuddelt hatte. Den | |
Parteifreunden von Demmin gefiel es aber spürbar, ebenso den anwesenden | |
Springer-Kollegen. | |
Auch in Bezug auf die Würdigung der politischen Mitbewerber setzte Annegret | |
Kramp-Karrenbauer neue Standards für Demmin. Am Koalitionspartner SPD ließ | |
sie kein gutes Haar. Ob der Finanzminister, Justizministerin Barley oder | |
der Arbeitsminister, alle bekamen ihr Fett weg. Wütend rief sie in die | |
Demminer Squash-Halle, Politik funktioniere nicht nach dem Motto „Die mit | |
den schwarzen Ministerien können bluten“. Wer so agiere, sei kein guter | |
Koalitionspartner. Den Grünen warf sie zum zigsten Mal das | |
Verbotspartei-Stöckchen hin, Klima- und Wirtschaftspolitik seien nun mal | |
nicht voneinander zu trennen. | |
Fraglich ist, wie Annegret Kramp-Karrenbauer diesen Niveau-Limbo | |
durchzuhalten gedenkt. In ernsten Situationen tatsächlich auch ernst | |
genommen zu werden, setzt eben auch eine gewisse Grundernsthaftigkeit | |
voraus. Kramp-Karrenbauer strebt dem Vernehmen nach die Kanzlerschaft an. | |
Wie sich Putzfrau Gretel mit Terrorismus, Finanzmarktkrisen und | |
Umweltkatastrophen in Übereinstimmung bringen lassen soll, diesen Beweis | |
wird sie noch erbringen müssen. | |
7 Mar 2019 | |
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## AUTOREN | |
Anja Maier | |
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