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# taz.de -- Politische Krise in Israel: Bibi hat Beef
> Sind Siedlungen jetzt legal? Gibt es Neuwahlen? Und kommt Netanjahu ins
> Gefängnis? Fragen und Antworten zur Situation in Israel.
Bild: Finden nicht alle: „Netanjahu spielt in einer anderen Liga“, steht au…
Zwei Monate nach der Knesset-Wahl steht noch immer keine Regierung. Wie
geht es jetzt weiter?
Bis Mittwoch hatte Oppositionsführer Benjamin Gantz Zeit, eine Regierung
zu formen. Doch er scheiterte daran, eine Mehrheit in der Knesset
zusammenzubekommen. Noch ist eine Neuwahl aber nicht ausgemacht. Die
Abgeordneten haben jetzt noch drei Wochen Zeit, eineN KandidatIn zu finden,
der oder die 61 Abgeordnete hinter sich versammeln kann. Das könnte der
jetzige Regierungschef Benjamin Netanjahu (Likud), sein Herausforderer
Gantz (Blau-Weiß) oder aber eine dritte Person sein, die nicht Benjamin
heißen muss.
Hat Netanjahu noch eine Chance?
Ja. Gut sieht es für ihn allerdings nicht aus. Er war aber infolge der
Parlamentswahl im September selbst daran gescheitert, eine Regierung zu
bilden. Viel schwerer wiegt aber, dass am Donnerstag der
Generalstaatsanwalt Avichai Mandelblit entschieden hat, Anklage gegen
Netanjahu zu erheben.
Worum geht es in der Anklage gegen Netanjahu?
Die Vorwürfe wiegen schwer: Es geht um Bestechung, Betrug und Veruntreuung.
Für Bestechung drohen bis zu zehn Jahre Haft, für Betrug und Veruntreuung
bis zu drei Jahre. Der Regierungschef steht im Verdacht, Einfluss auf die
Medienberichterstattung genommen und Unternehmern Vorteile gewährt zu
haben. Außerdem soll er für politische Gegenleistungen Geschenke im Wert
von über 200.000 Euro angenommen haben.
Muss Netanjahu jetzt sein Amt niederlegen?
Nein, juristisch muss er das erst, wenn er schuldig gesprochen wird. Und
das kann dauern. Israelische Minister dagegen müssen bereits bei einer
Anklage zurücktreten. Es könnte deshalb zur absurden Situation kommen, dass
Netanjahu von seinen Ämtern als Superminister für Arbeit, Landwirtschaft,
Diaspora und Gesundheit zurücktreten muss, aber erst mal Premierminister
bleibt. Netanjahu kann Immunität beantragen, wofür er aber wiederum die
Zustimmung der Knesset braucht. Politisch stellt sich allerdings die Frage,
wer überhaupt noch mit ihm regieren möchte, nachdem ein Verfahren eröffnet
wurde.
Ein Ministerpräsident unter Anklage – hat es das in Israel schon einmal
gegeben?
Nein. Ehud Olmert war im Jahr 2009 zurückgetreten, als die Polizei wegen
Korruption gegen ihn ermittelte. Netanjahu dagegen hat die [1][Anklage
gegen ihn als „Coup“ und als „Hexenjagd“ bezeichnet]. Er ist nicht bere…
zurückzutreten. Auch [2][konservative Zeitungen wie die Jerusalem Post
legen Netanjahu nahe], als Premier zurückzutreten. Mit seiner Reaktion
beschädige Netanjahu auch das Prinzip der Gewaltenteilung in Israel,
kritisieren politische Beobachter.
Was macht [3][Netanjahus Partei, der Likud]?
Wenn diese ihn dazu zwingt, könnte die Anklage doch noch zum Rücktritt
Netanjahus führen. Denn falls kein Kandidat in den nächsten drei Wochen
eine Mehrheit in der Knesset bekommt, wird es Neuwahlen geben,
voraussichtlich im März. Tritt der Likud dann noch mal mit einem Kandidaten
an, der wegen Korruption angeklagt ist und bei zwei Wahlen in Folge daran
gescheitert ist, eine Regierung zu bilden? Der ehemalige Bildungs- und
Innenminister Gideon Sa’ar hat im Oktober klargemacht, dass er bei einer
Wahl des Parteichefs gegen Netanjahu antreten würde. Er ist beliebt und
gilt als möglicher Nachfolger Netanjahus.
Sollte sich der Likud innerhalb der kommenden drei Wochen entscheiden,
Netanjahu zu stürzen, wäre es theoretisch auch noch möglich, eine große
Koalition zu bilden und Neuwahlen zu vermeiden. Denn die Verhandlungen
zwischen Gantz’ Partei Blau-Weiß und dem Likud waren vor allem an der Frage
gescheitert, welche Rolle Netanjahu in einer Koalition einnehmen würde.
US-Außenminister Mike Pompeo erklärte in dieser Woche, die israelischen
Siedlungen im Westjordanland seien nicht per se völkerrechtswidrig. War das
Wahlkampfhilfe für Netanjahu?
Es schadet ihm sicherlich nicht. Ob es abgesprochen war, ist aber unklar.
Dafür spricht, dass US-Präsident Trump Netanjahu schon pünktlich vor der
Parlamentswahl im April dieses Jahres kräftig unter die Arme gegriffen
hatte, als er die israelische Annexion der Golanhöhen anerkannte.
Israels Außenminister Israel Katz lieferte allerdings eine andere
Interpretation für die US-Erklärung zu den Siedlungen. Er stellte sie als
Antwort auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs dar, der geurteilt
hatte, dass Obst, Gemüse und Wein aus israelischen Siedlungen im
Westjordanland gekennzeichnet werden müssen. Die Produkte dürfen in der EU
nicht mehr als „Made in Israel“ verkauft werden.
Welche Folgen hat die US-Erklärung für die Siedlungen?
Am völkerrechtlichen Status der Siedlungen ändert sich dadurch nichts, sie
bleiben illegal. Fraglich ist, ob eine Änderung des Status quo
mittelfristig im israelischen Sinne wäre: Denn wenn es sich bei den
Siedlungen nicht mehr um besetztes Gebiet handelt, könnte das auch für
andere Teile des Westjordanlands gelten, in denen auch Palästinenser leben.
Und die könnten irgendwann nicht mehr den eigenen Staat, sondern
Staatsbürgerrechte fordern, woran Israel kein Interesse hat.
Sollte Netanjahu gehen, kommt dann der Friedensprozess wieder in Gang?
Die Chancen dafür stehen schlecht. Die palästinensische Autonomiebehörde
regiert seit Jahren ohne demokratische Legitimation. Und die möglichen
Nachfolger Netanjahus sind bisher nicht als Kämpfer für eine
Zweistaatenlösung aufgefallen. Gideon Sa’ar, Netanjahus Konkurrent aus dem
Likud, lehnt einen palästinensischen Staat ab. Oppositionsführer Benny
Gantz ist dagegen grundsätzlich bereit für Verhandlungen. Das Jordantal
werde aber immer unter Israels Kontrolle bleiben, sagte er im Sommer. Im
Wahlkampf rühmte er sich damit, als Armeechef 2014 Teile von Gaza „in die
Steinzeit“ gebombt zu haben. Heute gilt er als Kandidat der linken Mitte.
22 Nov 2019
## LINKS
[1] /Israels-Ministerpraesident-wird-angeklagt/!5643414
[2] https://www.jpost.com/Israel-News/Netanyahu-its-time-to-step-down-comment-6…
[3] /Regierungsbildung-in-Israel-gescheitert/!5643247
## AUTOREN
Kersten Augustin
Jannis Hagmann
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