# taz.de -- Neuwahl in Israel: Absurdes Theater | |
> Korruption und Verrat, persönliche Animositäten und null Inhalte: In | |
> Israel wird Anfang März wieder gewählt. | |
Bild: Die Annexion des Jordantals soll Bibis politisches Erbe werden | |
Verfolgt man das derzeitige Ringen um eine Regierungsbildung in Israel, | |
könnte man sich in einem absurden Theaterstück glauben. Am 2. März werden | |
die [1][Israelis wieder an die Urnen] gehen – zum dritten Mal innerhalb | |
eines Jahres. | |
Einer der Protagonist*innen: der amtierende Ministerpräsident Benjamin | |
Netanjahu, angeklagt wegen Betrugs, Bestechung und Untreue. Man sollte | |
meinen, unter diesen Umständen liege der Rücktritt nah, auch um den Weg zu | |
einer Einheitsregierung frei zu machen. Doch Netanjahu scheint mehr darauf | |
bedacht, seine eigene Haut zu retten, als Neuwahlen zu verhindern. Er | |
bestätigte mehrfach, [2][nur im Falle eines Schuldspruchs] zurücktreten zu | |
wollen. | |
Selbst wenn man diese absurde Tatsache akzeptiert, könnte man doch davon | |
ausgehen, dass ein Ministerpräsident, der zweimal an der Regierungsbildung | |
gescheitert ist und angeklagt ist, keine Chance hat, wenn es zu | |
parteiinternen Vorwahlen kommt. Doch der Likud hält zu ihm, abgesehen von | |
einigen Abtrünnigen rund um Gideon Saar, Netanjahus Herausforderer um den | |
Parteivorsitz. „Verräter“ nennt man Saar und seine Unterstützer*innen | |
seitdem. Umfragen ergeben, dass Netanjahu bei Vorwahlen trotz aller | |
Skandale gegen Saar gewinnen würde. | |
Das Theater geht weiter mit Avigdor Lieberman von der Partei Unser Haus | |
Israel. Mit seiner Weigerung, mit religiösen Parteien in einer Regierung zu | |
sitzen, hat er eine Mehrheit des rechtsreligiösen Blocks verhindert. Für | |
Netanjahu Grund genug, Lieberman, den rechten Hardliner, der gegen | |
Araber*innen hetzt und im Übrigen selbst 2012 wegen Betrug und | |
Vertrauensbruch angeklagt und später freigesprochen wurde, als Linken zu | |
diffamieren. Und zwar so nachdrücklich, dass man fast selber schon daran | |
glaubt. | |
## Inhalte sucht man vergebens | |
Überhaupt geht es in den letzten Monaten in erster Linie um persönliche | |
Animositäten und persönliche Interessen, die mittels Diffamierung und | |
Schuldzuweisungen ausgefochten werden. Inhalte sucht man in der politischen | |
Debatte vergebens. Soziale und ökonomische Fragen sind von der Bildfläche | |
verschwunden. Politisch fischt Netanjahu in Gewässern, die ganz weit rechts | |
außen liegen. Immer wieder spricht er von einer [3][Annexion des | |
Jordantals]. Man munkelt, er wolle dies zu seinem politischen Erbe machen. | |
„Vor ein paar Jahrzehnten wollten die Politiker*innen in diesem Land mit | |
Frieden in die Geschichte eingehen“, kommentieren einige Linke derzeit und | |
lachen nicht, wenn sie ergänzen: „Heute mit Annexion.“ | |
Man fragt sich, wo die Proteste bleiben. Einige Hunderte versammeln sich | |
seit zwei Wochen in Jerusalem und Tel Aviv und rufen: „Bibi muss weg!“ Aber | |
wo bleibt der große Aufschrei, die Rebellion? | |
Laut einer Umfrage des Fernsehsenders Channel 13 würde Blau-Weiß im Fall | |
von Neuwahlen 37 Sitze gewinnen, Likud lediglich 33. Vor allem aber würde | |
erneut keines der Lager eine eigene Mehrheit zustande bringen. Wie sagte | |
Brecht, der mit absurdem Theater nicht viel am Hut hatte? „Wir stehen | |
selbst enttäuscht und sehn betroffen / Den Vorhang zu und alle Fragen | |
offen.“ | |
12 Dec 2019 | |
## LINKS | |
[1] /Regierungsbildung-in-Israel/!5645070&s=Israel/ | |
[2] /Korruptionsskandal-in-Israel/!5641274&s=Netanjahu/ | |
[3] /USA-zu-Israels-Siedlungspolitik/!5638866&s=Westjordanland/ | |
## AUTOREN | |
Judith Poppe | |
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