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# taz.de -- Immunität beantragt: Netanjahu spielt auf Zeit
> Israels Premier steht vor einer Anklage. Jetzt will er die
> Strafverfolgung verhindern – oder zumindest aufschieben. Das stößt auf
> heftige Kritik.
Bild: Netanjahu will immun sein, doch wird das Parlament zustimmen?
Jerusalem dpa | Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu hat beim
Parlament Immunität beantragt, um sich angesichts einer Korruptionsanklage
vor Strafverfolgung zu schützen. Vor Ablauf einer Frist übermittelte er am
Mittwochabend ein entsprechendes Schreiben an den Parlamentspräsidenten
Juli Edelstein.
Der 70-Jährige verteidigte den Schritt zuvor vor Journalisten und betonte,
es handele sich um eine zeitlich begrenzte Immunität, sie ende mit der
jeweiligen Legislaturperiode. Er werde vor Gericht seine Unschuld beweisen,
sagte Netanjahu. „Ich will Israel noch viele Jahre anführen, um historische
Erfolge zu erzielen.“
Von der Opposition erntete der Vorsitzende der rechtskonservativen
Likud-Partei heftige Kritk. Sein Herausforderer, Ex-Militärchef Benny Gantz
vom Mitte-Bündnis Blau-Weiß, sprach von einem „traurigen Tag für Israel“.
Er warf Netanjahu vor, sich nur für sein persönliches Schicksal und nicht
für die Zukunft des Staates Israel zu interessieren. „Netanjahu weiß, dass
er schuldig ist.“
Ex-Verteidigungsminister Avigdor Lieberman sagte: „Der Staat Israel ist zur
Geisel von Netanjahus persönlichem Problem geworden.“ Seine ultrarechte
Partei Israel Beitenu (Unser Haus Israel) werde nicht für eine Immunität
stimmen. Damit ist klar, dass der Regierungschef in der Knesset gegenwärtig
keine Mehrheit hat.
## Verfahren liegt vorerst auf Eis
Das Justizministerium hatte im November mitgeteilt, dass der Regierungschef
wegen Betrugs und Untreue sowie Bestechlichkeit angeklagt werden soll. Es
ist das erste Mal in der Geschichte Israels, dass ein amtierender
Ministerpräsident angeklagt wird. Netanjahu sprach von einem Putschversuch
und kritisierte Israels Justiz aufs Schärfste. Der Polizei warf er vor,
Zeugen unter Druck gesetzt zu haben.
Israels Generalstaatsanwalt Avichai Mandelblit hatte dem
Parlamentspräsidenten die Anklageschrift gegen Netanjahu am 2. Dezember
übermittelt. Danach hatte Netanjahu 30 Tage Zeit, Immunität zu beantragen.
Ohne den Antrag hätte die Anklageschrift nach Ablauf der Frist beim
zuständigen Gericht in Jerusalem eingereicht worden können. Mit dem
Immunitätsantrag liegt das Verfahren nun jedoch vorerst auf Eis.
Unter normalen Umständen müsste ein parlamentarischer Ausschuss in der
Immunitätsfrage entscheiden und danach eine Knesset-Abstimmung stattfinden.
In Israel regiert jedoch seit rund einem Jahr ein Übergangskabinett mit
Netanjahu an der Spitze und das Parlament ist nur eingeschränkt
handlungsfähig. Nach zwei Parlamentswahlen gelang 2019 wegen einer
Pattsituation keine neue Regierungsbildung.
Amir Fuchs vom Israelischen Demokratie-Institut sagt, für die Bildung des
zuständigen Komitees gebe es trotz der politischen Übergangssituation zwar
kein rechtliches Hindernis. Allerdings fehle im Moment die parlamentarische
Mehrheit dafür. Ohne das Komitee werde es wiederum keine weiteren Schritte
im Verfahren gegen Netanjahu geben.
Am 2. März ist eine dritte Parlamentswahl angesetzt. „Höchstwahrscheinlich
wird es kein (zuständiges) Komitee geben bis zur Regierungsbildung nach der
Wahl“, sagt Fuchs. Eine Abstimmung über die Immunität könne damit
möglicherweise erst im Mai stattfinden. Unklar ist, ob Netanjahu sich dabei
eine Mehrheit von 61 der 120 Abgeordneten sichern kann. Sollte es ihm
gelingen, könnte er erst angeklagt werden, wenn er nicht mehr
Knesset-Mitglied ist. Es gilt allerdings als zweifelhaft, dass Netanjahu
nach der Wahl im März tatsächlich eine Regierung bilden kann.
## „Immunität ist ein Grundstein der Demokratie“
Nach israelischem Gesetz muss ein Ministerpräsident erst nach einer
rechtskräftigen Verurteilung zurücktreten. Israels Staatspräsident Reuven
Rivlin sagte am Dienstag: „Ich denke, wir müssen die Gewählten vor der
Möglichkeit schützen, sie gegen den Willen des Volkes abzusetzen.“
Bei den Vorwürfen gegen Netanjahu geht es um den Verdacht der Beeinflussung
von Medien, angeblich krumme Deals mit Unternehmen und Luxusgeschenke
befreundeter Geschäftsleute im Gegenzug für politische Gefälligkeiten.
Sollte er wegen Bestechlichkeit verurteilt werden, drohen Netanjahu bis zu
zehn Jahre Haft. Im Falle einer Verurteilung wegen Betrugs und Untreue wäre
die Höchststrafe drei Jahre Gefängnis.
Vor der Parlamentswahl im April 2019 hatte Netanjahu während eines
TV-Interviews beteuert, er werde sich nicht um Immunität vor
Strafverfolgung bemühen. Nach einer Umfrage des israelischen Fernsehens
sind 51 Prozent der Israelis gegen einen Antrag des Regierungschefs auf
Immunität, während nur 33 Prozent den Schritt unterstützen.
Angesichts von Kritik, er wolle sich aus der Verantwortung stehlen, hatte
Netanjahu am Sonntag gesagt: „Immunität ist nicht gegen die Demokratie,
Immunität ist ein Grundstein der Demokratie.“
2 Jan 2020
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