| # taz.de -- Polens Vergangenheit und Gegenwart: Historische Parallelen | |
| > Vor 100 Jahren erschoss ein Attentäter den ersten Präsidenten der Zweiten | |
| > Polnischen Republik. Auch heute hetzen Rechte im Wahlkampf gegen | |
| > Minderheiten. | |
| Bild: Gabriel Narutowicz verlässt 2022 den Sejm nach seiner Wahl zum Präsiden… | |
| Vor genau hundert Jahren forderten Polens rechte Parteien „Schweigen über | |
| diesen Sarg!“. Gemeint war der Leichnam des ermordeten Präsidenten Gabriel | |
| Narutowicz. Schweigen sollte sich über die beispiellose Hetzkampagne der | |
| Rechten gegen den „Kandidaten der Juden“ legen. Schweigen sollte auch die | |
| politisch Schuldigen schützen, die an ihrem Ziel festhielten, aus Polen | |
| einen ethnisch homogenen Staat ohne nationale Minderheiten zu machen. Das | |
| Erstaunliche ist: 1922 gelang es der Endecja, wie die damalige | |
| Regierungspartei Nationale Demokratie nach ihren Anfangsbuchstaben ND | |
| genannt wurde, dieses Schweigen durchzusetzen. Dafür ist die Diskussion | |
| heute, hundert Jahre später, umso lauter. Es geht um die Radikalisierung | |
| der regierenden Nationalpopulisten, die Krise von Demokratie und | |
| Rechtsstaat in Polen und um die Frage, ob Polen aus seiner Geschichte etwas | |
| gelernt hat? | |
| Auf dem aktuellen Titelbild des politisch links stehenden | |
| Nachrichtenmagazins Przegląd ist Gabriel Narutowicz zu sehen, ein älterer | |
| Herr in Zylinder und Wintermantel mit Pelzkragen. Er verlässt den Sejm, das | |
| polnische Abgeordnetenhaus, wo er gerade als erster Präsident der 1918 neu | |
| entstandenen Zweiten Republik Polens vereidigt wurde. Draußen erwarten ihn | |
| einige Bürger, manche ziehen grüßend den Hut. Das dunkle Plakatfoto auf dem | |
| Titelbild der Przegląd ist im unteren Teil eingerissen. Darunter kommt auf | |
| weißen Grund der eigentlich verborgene Text zum Vorschein: „Ein Mord, der | |
| die Rechte rein gar nichts lehrte. Narutowicz, ein Opfer des Hasses“. | |
| Der damals 57-jährige Professor für Wasserbau und liberale Politiker | |
| überlebt die feierliche Einführung ins Präsidentenamt nur fünf Tage. Als er | |
| am 16. Dezember 1922 eine Ausstellung in der Nationalgalerie Zachęta | |
| besucht und sich ein Detail des Bildes „Raureif“ von Teodor Ziomek genauer | |
| ansehen will, treffen ihn drei Pistolenkugeln in den Rücken. Narutowicz | |
| sackt in sich zusammen und stirbt an Ort und Stelle. Der Täter, ein Maler, | |
| Kunstkritiker und bekannter fanatischer Nationalist, ergibt sich sofort. | |
| „Ich werde nicht mehr schießen“, ruft Eligiusz Niewiadomski nach dem | |
| politischen Attentat, legt die Waffe nieder und reißt beide Arme hoch. | |
| Wenige Wochen später spricht ein Warschauer Gericht den Attentäter schuldig | |
| und verhängt die Todesstrafe, die umgehend vollstreckt wird. | |
| Polens rechte Parteien, allen voran die Endecja, die zuvor eine | |
| beispiellose Hetzkampagne gegen Narutowicz als „Judenknecht“ und „jüdisc… | |
| Präsidenten“ angezettelt hatte, halten sich für einige Tage mit giftigen | |
| Kommentaren zurück. Doch nur wenige Wochen nach der Beisetzung von | |
| Narutowicz in der Krypta der Warschauer Johannes-der-Täufer-Kathedrale | |
| publiziert Polens nationalistisch gesinnte Presse bereits die ersten | |
| Artikel, die den Mord rechtfertigen. | |
| Die Nationalversammlung aus Sejm-Abgeordneten und Senatoren wählt – wieder | |
| mit den Stimmen des Blocks der nationalen Minderheiten aus Juden, Deutschen | |
| und Ukrainern – einen neuen Präsidenten: den Linksliberalen Stanisław | |
| Wojciechowski. Zunächst scheint sich die Situation zu entspannen. Doch | |
| Wirtschafts- und Regierungskrisen, Streiks und blutige Unruhen lassen das | |
| Land nicht zur Ruhe kommen. Mit dem Maiputsch 1926 stürzt Marschall Józef | |
| Piłsudski Regierung und Präsident und errichtet ein autoritäres Regime. | |
| Damit ist Polens junge Demokratie knapp vier Jahre nach dem Attentat auf | |
| Narutowicz am Ende. | |
| ## Das Buch der Stunde | |
| Hundert Jahre später diskutieren polnische Intellektuelle, Historiker und | |
| Publizisten, ob Polen sich aus der Spirale von Hass und Gewalt selbst | |
| befreien kann. Eine Schlüsselrolle spielt dabei das Buch des in Kanada | |
| lebenden Historikers Paweł Brykczyński: „Gewaltbereit. Mord, | |
| Antisemitismus und Demokratie im Polen der Zwischenkriegszeit“. Der | |
| linksliberale Thinktank Krytyka Polityczna (Politische Kritik) hat es 2017 | |
| in polnischer Übersetzung herausgebracht und damit eine Diskussion über die | |
| „wehrhafte Demokratie“ in Gang gesetzt. Eine Debatte, die bis heute anhält. | |
| Das hat auch mit dem politischen Mord am Danziger Oberbürgermeister Paweł | |
| Adamowicz zu tun, der im Januar 2019 bei einer Benefizveranstaltung auf | |
| offener Bühne erstochen wurde. | |
| Auch wenn die politische Situation 1922 eine völlig andere war als 2019, | |
| fallen doch Parallelen ins Auge. 1922 ging dem Mord an Narutowicz eine | |
| starke Hetzkampagne gegen die nationalen Minderheiten im Land voraus. | |
| Letztlich ging und geht es bis heute um die Fragen: Wer ist Pole? Wem | |
| gehört der polnische Staat? Und wer hat hier was zu sagen? | |
| Die nationalistischen Parteien im Sejm und die mit ihnen verbunden | |
| Publizisten formulierten damals das Prinzip, demzufolge die wichtigsten | |
| staatlichen Fragen nur von der polnischen Mehrheit im Sejm entschieden | |
| werden sollten. Der Block der nationalen Minderheiten – aus jüdischen, | |
| deutschen und ukrainischen Parteien bestehend – sollte bei der Wahl des | |
| Präsidenten auf seine Staatsbürgerrechte verzichten und an der Wahl nicht | |
| teilnehmen. Der Präsident sei der „Präsident des polnischen Volkes“ und | |
| nicht der „Präsident aller polnischen Staatsbürger“, forderten damals die | |
| Nationalisten. | |
| Dass dieses Konzept in einem Vielvölkerstaat nicht funktionieren konnte, | |
| hätte von vornherein klar sein müssen. Nach der Wiedererlangung der | |
| Unabhängigkeit Polens im Jahr 1918 stellte zwar die polnische Nation mit 70 | |
| Prozent die Mehrheit der Bevölkerung, doch jeder Dritte gehörte einem | |
| anderen Volk an: Juden, Deutsche, Litauer, Ukrainer, Belarussen, Russen … | |
| Mit der sogenannten Märzverfassung von 1921 bekamen zwar alle die gleichen | |
| staatsbürgerlichen Rechte und konnten sich politisch organisieren, doch die | |
| rechten und christlich-nationalen Parteien stellten diese | |
| Minderheitenrechte immer wieder infrage. Ihr Motto war und ist bis heute: | |
| „Polen den Polen“. | |
| ## Spektakuläre Rache | |
| Dem Mord an Paweł Adamowicz, dem populären Oberbürgermeister von Danzig, im | |
| Jahr 2019 ging ebenfalls eine Hetzkampagne voraus. Er sei zu liberal, | |
| deutsch- und schwulenfreundlich gewesen. Der Staatssender TVP agierte dabei | |
| besonders hetzerisch. Der Mörder, der zuvor wegen Bankraub im Gefängnis | |
| gesessen hatte, kannte Adamowicz überhaupt nicht. Er wollte spektakulär | |
| Rache nehmen für seine Verhaftung an einem Politiker der oppositionellen | |
| Bürgerplattform (PO), die für ihn allgemein für das Schlechte stand. | |
| Weder 1922 noch 2019 übernahmen rechte Politiker und Publizisten, die die | |
| Pogromstimmung überhaupt erst herbeigeredet hatten, die Verantwortung für | |
| ihre geistige Brandstiftung. Oppositionelle, die die Ursachen des Mordes | |
| aufklären und diskutieren wollten, wurden mit dem Satz „Ihr seid genauso | |
| schuld!“ oder „Ihr habt den polnischen Präsidenten Lech Kaczyński auf dem | |
| Gewissen“ mundtot gemacht. Nach allen bisher bekannt gewordenen Beweisen | |
| starben Kaczyński und 95 weitere Fluggäste und Bordmitglieder 2010 bei | |
| einem Flugzeugabsturz und nicht infolge eines politischen Anschlags. Roman | |
| Kurkiewicz, ein bekannter Kunstkritiker in Polen, zieht nur eine Lehre aus | |
| beiden politischen Attentaten: „Keine Ruhe über diesem Sarg!“ | |
| Adam Michnik, ehemaliger Bürgerrechtler und heute Chefredakteur der | |
| linksliberalen Gazeta Wyborcza, lässt das politische Attentat auf | |
| Narutowicz und dessen Folgen auf die Identität der Gesellschaft Polens | |
| keine Ruhe. Im Interview mit dem ebenfalls linksliberalen | |
| Nachrichtenmagazin Newsweek Polska sagt er: „Von Anfang an gab es den | |
| Streit: ‚Wie soll dieses neu entstandene Polen sein? Was überhaupt ist | |
| Polen? Und vor allem: Wer ist Pole?‘ “ Narutowicz sei ein Freigeist | |
| gewesen, der schon als Außenminister der jungen Republik Polen gezeigt | |
| habe, dass er wie ein Europäer dachte und fühlte. „Das Nationalistische war | |
| ihm völlig fremd. Er kämpfte für die Freiheit Polens und die Freiheit der | |
| Menschen in Polen“, sagt Michnik. | |
| Für Michnik beruhte das Konzept der Endecja auf dem Ausschluss der | |
| Nichtpolen aus der Gesellschaft, auf der politischen Nichtteilhabe der | |
| Minderheiten am politischen Leben der Republik. „Eine so verstandene | |
| Demokratie musste scheitern – bei einem Bevölkerungsanteil von 30 Prozent | |
| nationaler Minderheiten!“ Nach dem Attentat hätten sich alle Seiten | |
| radikalisiert – bis zum Maiputsch 1926. „Da hat man dann Polens junge | |
| Demokratie zu Grabe getragen.“ | |
| Michnik schlägt einen Bogen in die Gegenwart: „Marschall Piłsudski | |
| behandelte Polens Parlament und Verfassung so wie nach ihm erst wieder | |
| Jarosław Kaczyński, der Parteichef der nationalpopulistischen Partei Recht | |
| und Gerechtigkeit (PiS).“ Piłsudski habe die Polen für ein Volk von | |
| Idioten gehalten und die Verfassung als „konstytuta“ bezeichnet, um bei | |
| Menschen die Assoziation „prostytutka“ (Prostituierte) auszulösen. | |
| „Piłsudski, ein Mensch, der zum Mythos des freien unabhängigen Polens | |
| geworden war, sprach plötzlich wie ein Viehzüchter zu den Hirten. Dabei war | |
| in Europa bereits der Faschismus auf dem Vormarsch – erst Italien, dann | |
| Deutschland, Österreich, Kroatien, Portugal und Spanien“, wundert sich | |
| Michnik noch im Nachhinein. | |
| ## Das Gift wirkt bis heute | |
| Die Rede vom „jüdischen Präsidenten“ sei ein Verbrechen gewesen, dass vie… | |
| andere nach sich gezogen habe. „Das ist so, als hätte man einem Organismus | |
| Gift eingeimpft, und dieses Gift wirkt bis heute. Wenn ich Jahr für Jahr am | |
| 11.11. diese nationalistischen Unabhängigkeitsmärsche in Warschau sehe, | |
| habe ich die Nationalgalerie Zachęta vor Augen, wo ein Psychopath der | |
| Endecja gerade meinen Präsidenten erschießt.“ | |
| Gefragt, was er heute diesen marschierenden Nationalisten sagen würde, | |
| gesteht Michnik, kein fertiges Rezept zu haben. Mit Fanatikern wie mit dem | |
| Präsidentenmörder Niewiadomski lasse sich nicht reden. Ansonsten müsse man | |
| herausfinden, was dem Schrei „Polen den Polen“ eigentlich zugrunde liege. | |
| Vielleicht eine persönliche Kränkung oder Verletzung? „Das ist alles sehr | |
| schwierig und aufwändig, aber wir müssen eine Sprache finden, die die | |
| andere Seite versteht.“ | |
| Dabei ist für Michnik klar, dass zum Verstehen der anderen Seite nicht die | |
| Aufgabe eigener Werte und Prinzipien gehört. „Für den Mord an Narutowicz | |
| gibt es keine Rechtfertigung, für Niewiadomski kein Zugeständnis, dass er | |
| ‚seine Gründe für das Attentat‘ gehabt habe.“ Es sei höchste Zeit, so | |
| Michnik, das Schweigen zu brechen, das nun schon hundert Jahre lang | |
| andauere. Polen müsse auch über andere Tabuthemen in Polen sprechen: die | |
| Gettobänke an den Universitäten in den 1930er Jahren, über den Brudermord | |
| während der deutschen Okkupation, über die Pogrome in Jedwabne, Kielce und | |
| anderswo, über die gewaltsame Befriedung der ukrainischen Dörfer, die | |
| Vertreibung der Deutschen nach 1945, die Zerstörung der russisch-orthodoxen | |
| Kirchen. „Und wir müssen begreifen“, schließt Michnik, „dass es die PiS | |
| ist, die die Tradition der Endecja mit ihrem Hang zu Zentralisierung, | |
| Zerstörung des Rechtssystems, Hass-Sprache und Intoleranz gegenüber anderen | |
| fortführt.“ | |
| ## So diskutiert die Rechte | |
| Ganz anders diskutiert Polens Rechte rund um die nationalpopulistische | |
| Regierungspartei PiS das Attentat auf Narutowicz. Es sei ein Mythos, | |
| schreibt Rafał Ziemkiewicz in der Zeitung Do Rzeczy („Zur Sache“), dass | |
| hinter dem Mord an Narutowicz die politische Rechte der Zweiten Republik | |
| Polens gestanden habe. Dies zu behaupten sei eine Chuzpe, da der Attentäter | |
| schlicht „ein Verrückter“ gewesen sei. | |
| Politische Attentate habe es in vielen Ländern gegeben. In den USA seien | |
| mehrere Präsidenten ermordet worden, in Russland der Zar, im Habsburger | |
| Reich eine Kaiserin, zudem zahllose weniger bedeutende Herrscher und | |
| Politiker. Ein Anschlag habe sogar einen Weltkrieg ausgelöst. Aber nirgends | |
| sei es gelungen, „über dem Sarg des Getöteten“ eine „so erfolgreiche | |
| Maschine des politischen Hasses“ zu etablieren, die die „gesellschaftliche | |
| Stimmung drehte und auf Dauer die vorher dominierende politische Formation | |
| von der Macht abzog“, wie dies in Polen geschehen sei. | |
| „Den Lügen der damaligen Politiker und heutigen Historiker zum Trotz“ habe | |
| den Attentäter Niewiadomski in Wirklichkeit nichts mit der Endecja | |
| verbunden, schreibt Rafał Zimkiewicz. Zwar sei Niewiadowski mit „deren | |
| Strukturen“ kurz assoziiert gewesen, habe sich aber von den „Verrätern“ | |
| getrennt, als Roman Dmowski, der wichtigste Ideologe der | |
| Endecja-Nationalisten, erklärte, man müsse ein Bündnis mit Russland | |
| eingehen, das wiederum mit Großbritannien und Frankreich verbündet war. | |
| Der Do-Rzeczy-Autor behauptet weiter, dass der Antisemitismus Niewiadomskis | |
| keine ausschlaggebende Rolle beim Attentat gespielt habe. Der Maler hätte | |
| zwar Juden verabscheut, aber nicht mehr oder weniger, wie er Deutsche und | |
| Russen hasste. Seine antisemitischen Tiraden vor Gericht seien seiner | |
| „Verrücktheit“ zuzuschreiben. Dass der Priester und Endecja-Abgeordnete | |
| Kazimierz Lutosławski offen fragte: „Wie können es die Juden wagen, Polen | |
| ihren Präsidenten aufzuzwingen? Wie konnte Witos (Anführer der Bauernpartei | |
| – d. Red.) die polnischen Stimmen einem jüdischen Kandidaten geben?“, | |
| erwähnt Ziemkiewicz mit keinem Wort. | |
| Auch dass die Endecja-Presse täglich gegen Minderheiten und insbesondere | |
| gegen die jüdische Bevölkerung hetzte, lässt der Do-Rzeczy-Autor außen vor. | |
| Noch am Tag des Attentats kommentierte beispielsweise die Gazeta Bydgoska: | |
| Jeder fühle, was für ein großes Verbrechen durch die Wahl von Narutowicz | |
| zum Präsidenten Polens „an unserer Nation begangen wurde“. Er solle andere | |
| Parolen beiseitelegen bis auf diese eine große Parole: „Polen den Polen“. | |
| ## „Im Dienste Berlins“ | |
| Das vor hundert Jahren verhängte „Gebot des Schweigens“ wurde durch das | |
| spektakuläre Buch „Gewaltbereit“ des Historikers Paweł Brykczyński | |
| aufgebrochen. Das Attentat und sein gesellschaftlicher Kontext werden heute | |
| offen sowohl unter Rechten wie Linken diskutiert. Zwar wagt niemand, allzu | |
| weitgehende Analogien zwischen dem aktuellen Wahlkampf der PiS und dem der | |
| Endecja vor hundert Jahren zu ziehen, doch manche Parallelen fallen ins | |
| Auge. | |
| Jarosław Kaczyński, Parteichef der regierenden PiS, spricht in seiner | |
| Kampagne – gewählt wird 2023 – den politischen Gegnern immer wieder ab, | |
| Polen und loyale polnische Staatsbürger zu sein. Auch der Sender TVP, der | |
| einstige öffentlich-rechtliche Rundfunk, ist längst auf Staatslinie und | |
| bezeichnet oppositionelle Politiker gern als „im Dienste Berlins stehend“. | |
| Je nach Kontext kann „der Feind“ auch Brüssel oder Moskau sein. Die letzten | |
| Parlamentswahlen 2015 und 2019 gewann die PiS mit dem Versprechen, die | |
| Polen sozial besser abzusichern und sie vor Gefahren zu beschützen – wie | |
| sie angeblich die LGTB-Bewegung und muslimische Flüchtlinge darstellen. | |
| Kaczyński warnte vor Krankheiten, die Flüchtlinge einschleppen könnten: | |
| Cholera, Typhus, gefährliche Parasiten, Viren und Bakterien. Zudem stellte | |
| Kaczyński Muslime unter einen allgemeinen Terrorverdacht. Sie würden Polens | |
| weiße Frauen vergewaltigen und der katholischen Gesellschaft die Scharia | |
| aufzwingen. | |
| Die Geflüchteten haben als Feindbild – zumindest vorerst – ausgedient. Der | |
| Krieg in der Ukraine hat die Sympathien und Antipathien verschoben. Der | |
| neue „Feind“ sind seit Mitte 2022 die Deutschen, die deutsche Minderheit | |
| und alle Polen, denen man Sympathien für Deutsche anhängen kann. Laut | |
| Umfragen sprechen rund 40 Prozent der Bevölkerung auf antideutsche | |
| Stereotype gut an. Das nutzt die PiS schon seit Jahren. Fallen aber | |
| Feindbilder wie beispielsweise die Ukrainer weg, bleiben die Deutschen. Die | |
| Kinder der nach eigenen Angaben rund 300.000 Angehörigen der deutschen | |
| Minderheit in Polen bräuchten kein Deutsch als Muttersprache mehr lernen, | |
| findet Kaczyński, ihr Recht auf einen Abgeordneten im Sejm könne wegfallen. | |
| Seit einiger Zeit zirkuliert die Behauptung, dass jeder Pole Anspruch auf | |
| 36.000 Euro Entschädigung aus Deutschland habe. Ein ähnliches Gerücht gab | |
| es schon zu Zeiten Angela Merkels, die angeblich einen Scheck in Höhe von | |
| 25.000 Euro als Reparationszahlung an jeden Polen schicken wollte. Kämpfen | |
| werde für die 1,3-Billionen-Summe aber nur die PiS, behauptet Kaczyński und | |
| erklärt die Opposition für angeblich deutsch unterwandert. | |
| 15 Dec 2022 | |
| ## AUTOREN | |
| Gabriele Lesser | |
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