# taz.de -- Polen nach dem Machtwechsel: Null Solidarität in der Flüchtlingsf… | |
> Die rechts-nationale Ministerpräsidentin Szydlo stellt das Programm der | |
> neuen Regierung vor. Es sieht auch Investitionen ins Sozialsystem vor. | |
Bild: Polens Ministerpräsidentin Beata Szydlo stellt am Mittwoch das Regierung… | |
WARSCHAU taz | Polens neue rechts-nationalen Regierung legt ein enormes | |
Tempo vor: Nur zwei Tage nach der Vereidigung der neuen Minister durch | |
Polens Staatspräsidenten stellte Premierministerin Beata Szydlo schon ihr | |
Regierungsprogramm vor. „Das Wichtigste für uns ist die Sicherheit der | |
Polinnen und Polen“, versicherte die 52jährige Ethnografin gleich zu | |
Beginn. Polen werde bei der Bekämpfung des Terrors mit Frankreich | |
solidarisch sein, sich aber auf das eigene Land und die Sicherheit der | |
eigenen Bürger konzentrieren. | |
Schlüsselworte in Szydlos Programm sind Patriotismus, Sicherheit und Ehre. | |
Insbesondere Investitionen in das Sozialsystem sollen die mangelnde Ehre | |
wiederherstellen. Künftig werde es ein Kindergeld in Höhe von 500 Zloty | |
(rund 125 Euro) ab dem zweiten Kind geben, das Rentenalter werde wieder | |
herabgesetzt auf 60 Jahre für Frauen und 65 Jahre für Männer, der | |
Steuerfreibetrag werde künftig bei umgerechnet 2.000 Euro im Jahr liegen, | |
für über 75jährige werde es kostenlose Arzneimittel und für Geringverdiener | |
einen Minimallohn von umgerechnet drei Euro pro Stunde geben. | |
Finanziert werden soll das großzügige Sozialpaket zum einen durch ein | |
Wachstum, das sich vom bisherigen Konkurrenzmodell der „polnischen | |
Billigarbeiter“ verabschiede, zum anderen durch neue Steuern, die vor allem | |
Banken und große Supermärkte aufbringen sollen. | |
Im Wahlkampf hatte die rechtsnationale Partei Recht und Gerechtigkeit | |
(PiS), die seit Montag mit absoluter Mehrheit regieren kann, auf | |
„ausländische“ Banken und Supermärkte verwiesen, die entweder zu | |
„repolonisieren“ seien oder aber höhere Steuern als kleinere (und | |
polnische) Läden bezahlen sollten. | |
## Effektivere Verwendung von EU-Mitteln | |
Zudem könnten die zur Verfügung stehenden Mittel, wie etwa die | |
EU-Zuschüsse, wesentlich effektiver und sparsamer verwendet werden als | |
bisher, erklärte die Premierministerin und verwies auf die Autobahnen, die | |
in Polen kaum fertiggestellt auch schon wieder repariert werden müssten. | |
Noch während Szydlos Rede rechneten einige Wirtschaftsexperten das künftige | |
Budgetdefizit aus, das die Handlungsfähigkeit der Regierung eher | |
einschränken als fördern werde. | |
Neben der Schwerindustrie - Energie, Chemie und Rüstung – werde die neue | |
Regierung, so Szydlo, insbesondere den IT-Dienstleistungssektor fördern, da | |
dies zukunftsträchtige Wirtschaftszweige seien. Aber auch den Bauern solle | |
geholfen werden. Sie sollen eine bessere Gesundheitsversicherung erhalten | |
und vor dem Ausverkauf polnischen Bodens an Ausländer geschützt werden. | |
Zudem will Polens neue Regierung die Brüsseler Agrarzuschüsse für polnische | |
Bauern erneut verhandeln. Es sei nicht einzusehen, weshalb polnsiche Bauern | |
weniger Zuschüsse erhielten als die Bauern in westlichen Mitgliedsländern. | |
## Acht Jahre Grundschule | |
In der Schul- und Bildungspolitik will Szydlo den Rückwärtsgang einlegen | |
und die vor wenigen Jahren eingeführte Mittelschule wieder abschaffen. | |
Künftig sollen Polens Kinder wieder acht Jahre lang zur Grundschule gehen | |
und dann vier weitere Jahre die Ober- oder Berufsschule besuchen. Die | |
Schulpflicht ab sechs Jahren werde auf Wunsch der Eltern wieder | |
abgeschafft. | |
Wichtig sei die patriotische Erziehung der polnischen Jugend über die | |
gesamte Schullaufbahn hinweg. Daher werde demnächst Geschichte wieder mit | |
voller Stundenzahl unterrichtet und auch der klassische Literaturkanon | |
erneut eingeführt. Ob jetzt die gerade erst von der Vorgängerregierung | |
eingeführten kostenlosen Schulbücher wieder einzustampfen und neue zu | |
entwickeln seien, erläuterte Szydlo nicht weiter. | |
Ganz zum Schluss ihrer Rede kam Szydlo auf die Außenpolitik zu sprechen. | |
Gemeinsam mit Präsident Duda, der am Tag zuvor einen erstinstanzlich | |
verurteilten PiS-Parteifreund und frischgebackenen Minister begnadigt | |
hatte, wolle die neue Regierung drei außenpolitische Ziele erreichen: die | |
militärische Sicherheit Polens, die wirtschaftliche Sicherheit und einen | |
Polen angemessenen wichtigen Platz in der Welt. | |
Allerdings stellte Szydlo dann noch einmal klar, dass die EU auf keinerlei | |
Solidarität Polens in der Flüchtlingsfrage hoffen könne: „Man kann den | |
Export selbst geschaffener Probleme anderer Länder nicht Solidarität | |
nennen.“ | |
18 Nov 2015 | |
## AUTOREN | |
Gabriele Lesser | |
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