Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Pflegekräfte über Care-Arbeit: „Sabine, halte durch!“
> In Facebookgruppen erzählen Pflegekräfte von ihrem Stress, aber auch von
> ihrem Engagement für die Patient:innen. Unsere Autorin hat
> mitgelesen.
Bild: „Wir haben für zwei Bewohnerinnen, die nur im Bett liegen, einen Stern…
[1][Pflegekräfte] tauschen sich in Facebook-Gruppen über ihren Alltag aus,
etwa in der Gruppe [2][„Wir-sind-die-Pflege“]. Sie hat 74.000 Mitglieder,
die in der Langzeit- und Krankenpflege arbeiten. Daraus einige Posts*.
Ganz oben auf der Themenliste steht die UNTERBESETZUNG
SABINE KÖHLER: „Morgen habe ich wieder 11 Leute zu versorgen. 11
Vollpflegen, zwei davon Pflegegrad 5. Vier mit dem Stehlifter. Ich kann
nicht mehr.“
VERONIKA SU: „Liebe Sabine, halte durch. Ich habe heute wieder Nachtdienst.
Wir haben Noro im Haus, sind nur zu zweit für 80 Bewohner. Eins nach dem
andern, mehr geht nicht.“
NATHALIE BERLIN: „Liebe Sabine, wichtig ist, dass Du Dir nach der Arbeit
oder vor der Arbeit was Gutes tust, zwischen Deiner Arbeit zwei Minuten
tief ein/ausatmen & Dir irgendwas mit zur Arbeit nehmen, was Du gerne
trinkst, dass Du Dich darauf freust. Du musst Dir kleine Sachen aufbauen.
Sieh nicht die elf Patienten, nicht das Ganze, denke einen nach dem
anderen. Ich wünsche Dir viel Kraft & zwischendrin was Gutes tun nicht
vergessen.“
LUTZ MÜLLER: „Drei Klienten können Dir die ganze Nacht einen Alptraum
bringen. 50 Klienten, die ruhig schlafen, lassen Dich entspannt die Nacht
verbringen.“
MONIKA HOCHFELD: „Nur zu zweit nachts für 100 Leute, auf fünf Stationen
verteilt mit geschütztem Wohnbereich, sowas gibt es. Aber wer arbeitet bei
‚sowas‘ freiwillig? Der Markt schreit nach Pflegekräften. Bewerbungen
schreiben! Und Kündigungsschreiben parat haben!“
CORINNE MAI: „Mein Arzt hat mich gestern stumpf für drei Wochen aus dem
Verkehr gezogen. Ambulante Behandlungspflege, seit Monaten mehrere Kollegen
krank, immer aufgefangen und abgepuffert, Rufbereitschaften für den
Hausnotruf gemacht etc. Game over. Es gab eine Notsitzung mit Betriebsrat
und Chefebene, die Klientenanzahl muss reduziert werden.“
Zur Unterbesetzung gehört das Thema EINSPRINGEN MÜSSEN IN DER FREIZEIT
LIESE MEHLMANN: „Hallo liebe Kollegen, ich bin mit meinem Latein am Ende.
Und zwar geht es um Dienstabdeckung. Ich hätte regulär laut Dienstplan
dieses Wochenende frei. Habe für morgen schon mit einem Kollegen getauscht,
da er Privates zu erledigen hat. Jetzt hat mich meine stellvertretende
Wohnbereichsleitung über Messenger angeschrieben, ich müsse wieder ins
Wochenende zurück. Ich hätte dann mein viertes Wochenende hintereinander
Dienst und bei einer 75-Prozent-Stelle zwölf Tage Dienst am Stück. Ich habe
sie angerufen und habe gesagt, dass das nicht geht, ich hätte regulär frei,
und dass ich nicht einsehe, dass ich, ohne dass ich gefragt werde, in den
Frühdienst eingeplant werde an meinem Frei. Ihre Antwort ist, dass ich die
Einzige bin, die Theater macht, dass die Dienste dann zusammenbrechen.
Außerdem hätten meine Kollegen ja Kinder und ich nicht. Da kann ich doch
wohl nichts dafür. Was soll ich tun?“
CHARLOTTE KOCH: „Der Dienstplan ist ein Dokument und genehmigt und somit
ist es nicht verpflichtend, einzuspringen. Außerdem ist es eine
Unverschämtheit, Dich über den Messenger anzuschreiben. Da würde ich
überhaupt nicht reagieren. Schon mal was von Arbeitszeitgesetz und
Arbeitsschutzgesetz gehört? Zwölf Tage, und dann muss Pause sein. Das musst
Du Dir nicht gefallen lassen.“
ELFIE TALHEIMER: „Dienste müssen bis spätestens drei Tage vor dem Dienst
stehen. Ein bereits geschriebener Dienstplan ist bindend, es sei denn,
beide Parteien sind mit einer Änderung einverstanden. Lass Dir keinen Bären
aufbinden. Kinder ja oder nein tun dabei nichts zur Sache.“
NATALIE NO: „Messenger? Dein Ernst? Du musst im Frei nicht erreichbar sein.
Und schon gar nicht entgegen des bestehenden Planes arbeiten. Und lass
Deine Nummer löschen.“
In den Posts gibt es auch Schönes, etwa zum Thema EINFÜHLUNG
ISA FEE: „Hallöchen und guten Tag. Hat vielleicht jemand eine Idee, wie man
eine Zimmerdecke gestalten könnte für Bewohner, die den halben Tag im Bett
liegen und dabei nur an die Decke starren? Die Bewohnerin kann sich
aufgrund ihrer Demenz leider nicht mehr äußern und ich möchte, dass es
trotzdem was Schönes gibt anstatt nur ’ne weiße Decke.“
GUNDA MAHARATI: „Wir haben uns die Biographie der Bewohner angeschaut und
dann individuell die Decke gestaltet. Da hatte dann eine Bewohnerin
leuchtende Tiermotive zum Bestaunen und die andere beleuchtete Teletubbies.
Sie war ohne Witz ein großer Fan davon.“
SUSE LUCKWALD: „Wir haben einen Spiegel angebracht, so dass der Bewohner
immer sehen konnte, wer rein kommt. Und Mobiles mit Bildern gebastelt aus
früheren Zeiten oder von Reisezielen.“
JULIE FUCHS: „Einen Beamer kaufen. Dann kann man den Bewohnern auch mal
Filme oder Serien anbieten.“
BEATE SÜSS: „Wir haben für zwei Bewohnerinnen, die nur im Bett liegen,
einen bunt leuchtenden Sternenhimmel gekauft, der an der Decke in
verschiedenen Farben und Formen leuchtet.“
MONIKA SCHULZE: „Natur, einen Ast, je nach Saison blühend über dem Bett
befestigen, bei Allergierisiko einen trockenen und diesen dekorieren,
vielleicht mit Federn, Luftschlangen.“
LUISE VON TANN: „Negativbeispiele sind für mich Dekorationen, die an der
Wand hinter dem Kopfende hängen. Ich hab Kalenderbilder mit Motiven in DIN
A 3 laminiert und unter die Decke geklebt. Je nach Biographie und
Interessen lassen die sich schnell austauschen. Man kann auch großformatige
Poster unter die Decke kleben. Ein Bewohner war entzückt von der mäßig
verhüllten attraktiven Dame über seinem Bett.“
* Die Posts wurden von den Autor:innen zum Abdruck freigegeben, die
Namen auf deren Wunsch hin geändert.
8 Mar 2022
## LINKS
[1] /Pflegenotstand/!t5018339
[2] https://www.facebook.com/groups/wirsinddiepflege/about/
## AUTOREN
Barbara Dribbusch
## TAGS
IG
Care-Arbeit
Schwerpunkt Meta
Pflege
Schwerpunkt Feministischer Kampftag
Pflegekräftemangel
Ampel-Koalition
Pflegekräftemangel
Schwerpunkt Feministischer Kampftag
Pflege
Schwerpunkt Coronavirus
Lesestück Recherche und Reportage
## ARTIKEL ZUM THEMA
Überalterung der Gesellschaft: Probleme bei Pflege auf Distanz
Wer sich um Angehörige kümmert, die weit weg wohnen, verliert viel Zeit und
Geld. Die Inflation trifft diese Menschen nun ganz besonders.
Fachkräftemangel in der Pflege: 80.000 Pfleger:innen fehlen
Den Krankenhäusern in Deutschland fehlen Zehntausende Pflegekräfte. Die
Ampelregierung will das ändern. Aber wo bleibt der Gesetzentwurf?
Jobs für Geflüchtete aus der Ukraine: Der Koch kann sofort loslegen
Viele der Geflüchteten aus der Ukraine können einfach anfangen zu arbeiten.
Unter anderem Ärzt:innen brauchen aber vorher eine Genehmigung.
Weibliche Solidarität: Care-Arbeit im Krieg
Leichen identifizieren, Brot backen, Schlafplätze für Geflüchtete suchen –
es sind vor allem Frauen, die in der und für die Ukraine Friedensarbeit
leisten. Ist Solidarität weiblich?
Altenpflege: Der Preis des langen Lebens
Pflegebedürftigkeit im Alter kostet und darf nicht zu einem persönlichen
Schicksal werden. Ein Soli-Zuschlag könnte ein Ausweg sein.
Nachrichten zur Coronakrise: Pflegebonus soll bald kommen
Laut Gesundheitsminister Karl Lauterbach soll der Coronabonus für
Pfleger:innen schnell beschlossen werden. Die Lage in den Kliniken
bleibt derweil angespannt.
Anthroposophisches Krankenhaus Havelhöhe: Alternativer Umgang mit Corona
Ein schwurbelnder Chef und Tricksereien bei der Impfpflicht: eine
taz-Recherche in der Klinik Havelhöhe in Berlin.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.