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# taz.de -- Partyszene in Berlin: Utopie in Gefahr
> Berliner Clubs ächzen unter hohen Mieten. Die Szene reagiert und
> organisiert sich. Wie viel das bringt – und wer trotzdem auf der Strecke
> bleibt.
Bild: Diskokugel im Club Golden Gate: Viele Berliner Clubs bangen um ihre Zukun…
Berlin taz | Die Partyszene in Berlin sorgt sich um ihr Nachtleben. Um ihre
utopischen Freiheiten zu bewahren, macht die quirlige Szene etwas fast
Triviales: Sie organisiert sich. Und die gemeinsame Schlagkraft braucht
sie. Immobilienpreise und hohe Mieten setzen den Berliner Clubs genauso zu
wie Regulierungen. Vorüber ist der Zauber der Wendejahre, in denen es viel
Platz gab, Räume noch nicht erschlossen und die Behörden nachsichtig waren.
Heute tun sich die [1][Berliner Clubs deshalb vor allem in der
Clubcommission zusammen], welche die Interessen der Club- und
Partybetreiber*innen der Stadt vertritt. Die Commission gibt es schon
seit 2001, aber durch Corona gewann sie in den letzten Jahren noch mal an
Bedeutung. In der Pandemie konnte sie die Politik überzeugen, mit
Subventionen zu helfen.
Um die finanziellen Zuschüsse zu rechtfertigen, hat die Commission die
Berliner Clubs zu Kultureinrichtungen erklärt. Nachtclubs sind demnach mehr
als hedonistische Events, sondern Treffpunkte und musikalische sowie
künstlerische Impulsgeber.
In Berlin hat das funktioniert, sagt Lewamm Ghebremariam, die im Vorstand
der Clubcommission sitzt: „Wir sind als Kultur akzeptiert.“ Aber geht durch
das Anwanzen an die Politik nicht Freiheit verloren? „In der Hochkultur
gibt es auch viel Förderung“, wiegelt sie ab. „Uns ist bewusst, wenn Clubs
jetzt schließen, dann machen die nie wieder auf. Die Förderung ist ein
Rettungsring.“
Diese Umdeutung zum Kulturraum hält Martin Schenk von Waldow für schwer. In
seinem Böse Buben Club fehlen die nötigen Flächen, ein Bühnenprogramm
aufzusetzen etwa sei unmöglich. Stattdessen gibt es in dem Club am Südkreuz
„Freiheit hinter verschlossenen Türen“, wie er sagt. Männer kommen vorbei,
um auf [2][Sexpartys ihre Fetische auszuleben] und sexuelle Freiheit zu
erleben.
Zur Zukunft der Clubszene hat Schenk von Waldow eher eine fatalistische
Haltung. Preiswerte Flächen gebe es in Berlin nicht mehr und die
Einkaufspreise seien inzwischen so hoch wie in Paris oder New York. Da
hilft es auch nicht, dass er mit seinem Club in der Commission und beim
Deutschen Hotel- und Gaststättenverband organisiert ist. Als Sexclub werde
man bei Verbänden oft in die Schmuddelecke gestellt und als Verein
wirtschaftlich nicht ernst genommen.
Die Clubcommission indes sieht in ihrer Awareness Akademie ein weiteres
Zukunftsprojekt. Lewamm Ghebremariam hat sie mitbegründet. In den
Fortbildungskursen geht es darum, [3][sicheres Feiern mit sensibilisiertem
Personal] zu garantieren und die Feierkultur der Clubs achtsamer zu
gestalten. Am Ende sollen alle befreiter feiern können. Aber auch dieses
Projekt nützt laut Clubbesitzer Schenk von Waldow nur wenig: Das Böse Buben
setzt bereits auf die Hilfsbereitschaft der Besucher untereinander, mehr
brauche es bei ihnen nicht.
Kann man jetzt nur noch den freien Wendejahren nachtrauern? Die sind halt
vorbei, sagt Martin Schenk von Waldow schlicht. Auch Ghebremariam findet,
dass die Rückschau nichts bringt: „Ich glaube nicht, dass wir jetzt weniger
frei sind als damals. Es werden immer neue Leute in die Stadt kommen und
sie bereichern.“ Selbst wenn die Lage aktuell prekär ist, bleibt sie
optimistisch: „Die Zeiten werden sich auch wieder ändern, genauso wie die
Clubs.“
26 Oct 2023
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## AUTOREN
Benjamin Probst
## TAGS
Utopie
Clubkultur
Party
Berliner Nachtleben
Clubszene
Schwerpunkt Stadtland
Clubsterben
Rammstein
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