# taz.de -- DJ über Antisemitismus in der Clubszene: „Propaganda verkauft si… | |
> In Berlin findet eine Soliveranstaltung für die Opfer des | |
> Supernova-Festivals in Israel statt. DJ Ori Raz über die Stimmung in der | |
> Szene. | |
Bild: „Viele haben Angst, ihre Stimme zu erheben“, sagt DJ und Produzent Or… | |
Ori Raz, Sie kommen aus Tel Aviv, haben Freunde und Verwandte in Israel. | |
Wie ist es Ihnen in den Wochen seit dem Massaker der Hamas ergangen? | |
Ori Raz: Es ist eine schwierige Zeit, jeder Aspekt des Lebens hat sich | |
seither irgendwie verändert – für mich, meine Freunde, meine Familie. Wir | |
stellen uns existenzielle Fragen, fürchten um unsere Zukunft. | |
Welches Signal soll von der Soliveranstaltung am Sonntag ausgehen, was | |
erhoffen Sie sich? | |
Ich hoffe, das Bewusstsein dafür zu schärfen, dass es wichtig ist, für | |
jüdische Menschen und Israelis einzustehen. Das bedeutet nicht, dass man | |
sich weniger um andere Menschengruppen kümmert und sorgt, auch um | |
Palästinenser:innen. In der Clubszene existiert derzeit ein „wir und | |
sie“. Es gibt eine Kultur der Ablehnung gegenüber Menschen, die sich mit | |
Israel oder dem jüdischen Volk solidarisch zeigen. Es war schon vor dem 7. | |
Oktober latent und ist seither eskaliert. Unterschiedliche Meinungen zu | |
haben, ist in Ordnung. Aber es ist wichtig, den anderen zu akzeptieren und | |
in Dialog zu treten. Wenn wir in unserer Szene und unter Freunden das schon | |
nicht schaffen, wie sollen es dann die politischen Leader schaffen? | |
Die internationale elektronische Musikszene ist mehrheitlich | |
propalästinensisch. Obwohl mehr als 260 Menschen am 7. Oktober beim | |
Supernova-Festival ermordet wurden, gab es kaum Empathie mit Israel. Können | |
Sie sich noch als ein Teil dieser Szene begreifen? | |
Erst einmal denke ich, dass es in Ordnung und wichtig ist, auch Empathie | |
und Solidarität mit dem palästinensischen Volk zu haben. Doch diese | |
Empathie wird genutzt, um ein Narrativ zu erzwingen, das diesem Volk nicht | |
wirklich helfen wird. [1][Die Mehrheit der Szene hat sehr wenig Ahnung von | |
dem Konflikt – die meisten entscheiden sich für eine Seite.] Andererseits | |
glaube ich, dass viele in unserer Szene den Konflikt differenzierter sehen. | |
Aber sie ziehen es vor, sich nicht dazu zu äußern, weil die antiisraelische | |
Kampagne schon lange vor dem 7. Oktober sehr stark war. Es schafft | |
definitiv eine Situation, in der man sich unwohl fühlt in einer Szene, die | |
offenbar vergessen hat, für welche Werte sie einmal stand. | |
Wie sehr ist fehlendes historisches Wissen ein Problem? | |
[2][Das ist ein großes Problem. Durch mangelnde Bildung entstehen | |
gefährliche Theorien und Propaganda, die sich besser verkaufen und | |
verbreiten lassen als differenzierte Einschätzungen.] | |
Spaltet der Nahostkonflikt die deutsche oder auch internationale Clubszene? | |
Leider scheint es so zu sein. Ich hoffe, dass es nur vorübergehend ist und | |
dass Veranstaltungen wie die am Sonntag zur Heilung beitragen können. | |
Der Erlös der Soliparty wird den Organisationen OFEK, Beit El-Meem und | |
Tribe of Nova zugutekommen. Wofür stehen diese Organisationen? | |
Hinter Tribe of Nova steckt die Community, die das Supernova-Festival | |
organisiert hat. Sie teilt unsere gemeinsamen Grundwerte: Freiheit, Liebe, | |
Bewegung, Verbindung und Einheit. OFEK ist die erste Fachberatungsstelle | |
Deutschlands, die auf Antisemitismus spezialisiert ist. Sie bietet Beratung | |
und Begleitung im Zuge antisemitischer Übergriffe und Vorfälle auf Deutsch, | |
Englisch, Hebräisch und Russisch an. Das Wort „Ofek“ ist hebräisch und | |
bedeutet Weite oder Horizont. Beit El-Meem ist eine Organisation, die für | |
alle Geschlechter und sexuellen Identitäten in der arabischen Gesellschaft | |
in Israel eine Heimat bieten will. Sie will für die persönliche und soziale | |
Sicherheit jedes Einzelnen sorgen sowie Gewalt und Diskriminierung | |
[3][gegenüber der arabischen LGBTQ-Gemeinschaft bekämpfen]. | |
Es gibt Ravers for Palestine, DJs for Palestine, rund 300 | |
Produzent:innen haben Ende Oktober einen offenen Brief „against | |
Israel’s brutal and ongoing attack on Gaza“ unterschrieben. Gibt es auch | |
viele andere Stimmen in der Szene? Wenn ja, sollten die sich nicht mehr | |
Gehör verschaffen? | |
Es gibt viele andere Stimmen in der Szene, aber sie haben Angst, ihre | |
Stimme zu erheben, aus einem verständlichen Grund: Für viele ist es ihr | |
Hauptberuf und ihre einzige Einkommensquelle, und sie wollen sie nicht | |
verlieren. Es ist heute leider unvermeidlich, gemobbt zu werden, wenn man | |
Stellung bezieht. Viele halten sich deshalb lieber aus diesem Spiel heraus. | |
Das gilt für alle, nicht nur für DJs. | |
18 Nov 2023 | |
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## AUTOREN | |
Jens Uthoff | |
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